Am Berliner Alexanderplatz wurde ein Mann erstochen - schon wieder. Obwohl die Polizei zuvor am Alex stark aufgerüstet hatte. Gewalt wird sich nie ganz verhindern lassen. Doch wie gefährlich ist die deutsche Hauptstadt wirklich?

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Ausgeschlagene Zähne, Platzwunde am Kopf, Notaufnahme: Dabei wollte der 37-jährige Mann aus Berlin an diesem späten Mittwochnachmittag nach einem langen Arbeitstag im Jahr 2012 nur in Ruhe nach Hause fahren. Er steigt in die U-Bahn. Sie ist voll, das ist oft so in Berlin. Doch mehr stören ihn die lauten Trommeln und Trompeten, mit denen Musiker durch den Wagen ziehen. Auch das ist oft so in Berlin. Er spricht sie an, bittet sie, mit dem Krach aufzuhören. Nach einem Wortgefecht gehen zwei Musiker auf ihn los, ein dritter drischt mit seiner Trompete auf ihn ein. Die Täter werden verhaftet, das Opfer musste ins Krankenhaus.

Öffentlichkeitswirksamer und öfter jedoch stehen Gewalttaten am und um den Alexanderplatz in den Schlagzeilen. Im Oktober 2012 starb dort Johnny K. Mehrere Männer prügelten den 20-Jährigen grundlos zu Tode. Deutschland war schockiert. Die Berliner Behörden reagierten. Die Polizei steigerte ihre Präsenz am Alex kräftig, ein sogenanntes Kontaktmobil sollte die Entschlossenheit demonstrieren. Der Berliner Innensenator Frank Henkel sagte bei der öffentlichkeitswirksamen Vorstellung damals den Medien: "Wir wollen ein deutliches Zeichen für mehr Präsenz setzen. Es ist unser Anspruch, die Polizei noch sichtbarer zu machen. Mit dem Kontaktmobil am Alexanderplatz verstärken wir die Sicherheit der Bürger. Ich bin überzeugt, dass die Verbrechensquote durch die Anwesenheit von Polizeibeamten sinkt."

Berliner Polizei zeigt am "Alex" Präsenz

Am gestrigen Sonntag starb ein 30-jähriger Mann in Berlin. Er wurde erstochen – ganz in der Nähe des Alexanderplatzes. Trotz verstärkter Polizeipräsenz, trotz Kontaktmobil. "Die Polizei kann nicht den Anspruch haben, jede Gewalttat zu verhindern. Das wäre überzogen, das ist unmöglich", sagt Stefan Redlich, Pressesprecher der Berliner Polizei.

Im weltweiten Vergleich gilt die deutsche Hauptstadt sogar als sicher. Laut einer Studie der Nicht-Regierungsorganisation "Seguridad, Justicia y Paz" aus Mexiko sind San Pedro Sula (Honduras), Acapulco (Mexiko) und Caracas (Venezuela) die gefährlichsten Städte der Welt. In San Pedro Sula geschehen pro 100.000 Einwohner pro Jahr etwa 170 Morde, in Acapulco 142 und in Caracas 118. Deutschlands gefährlichster Ort ist laut Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) Frankfurt am Main mit etwa sieben Morden pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Berlin rangiert mit einer Quote von etwa 3,5 deutlich dahinter.

Die aktuelle Kriminalitätsstatistik des zuständigen Landeskriminalamtes (LKA) bescheinigt Berlin sogar einen weiteren Rückgang der Gewaltdelikte: Demnach sind Mord und Totschlag im ersten Quartal 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 39 Prozent gesunken. Generell allerdings steigt die Kriminalität in Berlin stark an: Dieselbe Analyse weist mehr Sexualdelikte, mehr Diebstähle, mehr Betrugsfälle und eine gestiegene Drogenkriminalität aus. Die Kriminalität blüht also in Berlin, auch wenn es weniger Tötungsdelikte gibt.

Auch nicht speziell am "Alex". "Der Alexanderplatz ist nicht so kriminell, wie man meinen könnte. Er wird aber als gefährlich wahrgenommen", sagt Redlich. Etwa 200.000 Menschen begegnen sich täglich am Alexanderplatz. Sie steigen um, sie nutzen ihn als Treffpunkt, sie betteln. "Dort treffen unterschiedlichste Personengruppen aufeinander, die sich gegenseitig oft irritieren. Da kommt es zwangsläufig zu Spannungen", betont der Kriminaldirektor. Dennoch zeigt die Polizei am Alexanderplatz mehr Präsenz als an anderen Orten der Stadt. Mehr als 80 Prozent der Anfragen an die Beamten jedoch seien Fragen nach dem Weg, nach der Lage einer speziellen U-Bahn-Linie oder eines Kaufhauses, so Redlich.

Der Bezirk Mitte, in dem der Alexanderplatz liegt, ist jedoch der Berliner Bezirk mit der höchsten Kriminalitätsrate, wie aus dem aktuellen Kriminalitätsatlas der Berliner Polizeipräsidenten hervorgeht. Demzufolge wurden im vergangenen Jahr im Regierungsviertel 6.987 Straftaten erfasst, rund um den Kurfürstendamm 8.737 - in Berlin Mitte passieren die meisten Körperverletzungen, Strassen- und Handtaschendiebstähle. Kriminalität findet in Berlin meist an den grossen Sehenswürdigkeiten und entlang der Flaniermeilen statt – dort, wo sich überdurchschnittlich viele Touristen aufhalten. Der sicherste Teil Berlins ist laut dem Kriminalitätsatlas Treptow-Köpenick.

Verdächtiger gefasst

Den mutmasslichen Täter nahm die Polizei am Nachmittag fest. Mehrere Zeugen wollen den 30-jährigen Verdächtigen mit Kapuzenpulli, einem Nasenring und drei Piercings in der Unterlippe gesehen haben, als er sein gleichaltriges Opfer niederstach. Polizeisprecher Redlich: "Wir waren schnell vor Ort, haben deshalb viele Zeugen. Allein dafür hat es sich gelohnt, seit 2012 mehr Präsenz am Alexanderplatz zu zeigen".

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