Im Fall Patrick K. ist in der Türkei ein Urteil gefallen. Der 29-Jährige aus Giessen muss für über sechs Jahre ins Gefängnis. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann Mitglied einer Terrororganisation sei.
Ein türkisches Gericht hat den seit März in der Türkei inhaftierten Patrick K. aus Giessen wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation zu sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.
Weil er ein militärisches Sperrgebiet betreten habe, solle der 29-Jährige ausserdem für ein Jahr und acht Monate ins Gefängnis, sagte sein Anwalt Hüseyin Bilgi der Deutschen Presse-Agentur am Freitagmorgen. Dieser Teil der Strafe sei aber zur Bewährung ausgesetzt worden. Bilgi sagte, er werde das Urteil anfechten. Die zweite Verhandlung hatte nur eine knappe Stunde gedauert. Prozessauftakt war vor rund drei Wochen.
Familie von Urteil "geschockt"
K.s Familie sei geschockt, sagte eine Freundin am Telefon. Die Mutter könne derzeit nicht reden. "Patrick wurde verurteilt für nichts, das war eine üble Überraschung." Vor dem Gerichtstermin hatte K.s Mutter Claudia S. der Deutschen Presse-Agentur noch gesagt, ihr Sohn habe grosse Angst. Sie mache sich auch Sorgen um seine Gesundheit. Er kämpfe seit Wochen mit einer Mittelohrentzündung und habe drei Zähne verloren.
K. sitzt seit mehr als acht Monaten in einem Gefängnis in der osttürkischen Provinz Elazig. Der Verhandlung im südosttürkischen Sirnak war er per Videoleitung zugeschaltet gewesen. Patrick sei "sehr traurig", sagte Anwalt Hüseyin Bilgi.
Bilgi zufolge hat der Richter das Urteil nicht im Detail begründet. Es ist in der Türkei allerdings durchaus üblich, das detaillierte Urteilsbegründungen später nachgereicht werden. Der Richter habe nur gesagt, dass er "aufgrund der Vorwürfe in den Akten und den vorliegenden Beweisen" so entschieden habe, sagte Bilgi.
Türkei sieht K. als Mitglied der Kurdenmiliz YPG
K. war der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge im März im türkisch-syrischen Grenzgebiet in einem militärischen Sperrgebiet festgenommen worden. Auch die Grenze zum Irak liegt in der Nähe. Die Staatsanwaltschaft warf K. Mitgliedschaft in der in Syrien aktiven Kurdenmiliz YPG vor. Diese ist ein Ableger der PKK, die in der Türkei und in Europa als Terrororganisation gilt. Nach Angaben seiner Familie war er zum Wandern in der Türkei.
Die Staatsanwaltschaft sah laut Anklageschrift, die der dpa vorliegt, eine "organische Verbindung" zwischen K. und der Terrororganisation. Die in der Akte dargelegten "Beweise" dafür erschienen Kritikern jedoch dünn und teils widersprüchlich.
Ein Zeuge will K. im Januar in einem syrischen Krankenhaus gesehen habe, wo er eine YPG-Uniform getragen und als Arzt gearbeitet haben soll. Seine Familie nennt das "blanken Unsinn". Ihr Sohn sei in der Zeit in Deutschland gewesen, hatte Patrick K.s Mutter Claudia S. der dpa vor dem Gerichtstermin gesagt. Und Arzt sei er schon gar nicht. "Patrick ist gelernter Schreiner und Tischler und hat später als Kurierfahrer gearbeitet."
Die Staatsanwaltschaft verwies auch auf eine angebliche E-Mail in Patrick K.s Handy, in der er Kontakt mit der YPG aufgenommen haben soll. "Ich werde für Euch kämpfen", stand da demnach in gebrochenem Englisch. "Ich bin auch Tourist in Kilis und werde gehen, um euch zu helfen. Aber ich brauche Hilfe. Ich spreche Englisch und Deutsch. Ich bin 28 Jahre alt und habe vier Jahre Erfahrung in der deutschen Armee, also gebt mir eine Chance."
K. soll zu Mitgliedschaft verleitet worden sein
Laut Anklageschrift soll K. ausgesagt haben, er sei in Deutschland von zwei Personen dazu verleitet worden, sich der YPG anzuschliessen. Er habe erst nach seiner Festnahme erfahren, dass diese eine Terrororganisation sei. Seine Mutter sagte vor der Verhandlung: "Er hat halt alles unterschrieben, was ihm vorgelegt wurde und hat die Sprache nicht verstanden."
Der Gerichtstermin fällt zusammen mit einem Besuch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), in den die türkische Regierung wegen der Konjunkturkrise im Land grosse Hoffnungen setzt. Er wollte auch die schwierige Menschenrechtslage in der Türkei ansprechen, sagte Altmaier am Donnerstag. Die Deutschen in türkischer Haft dürfte er dabei nicht aussparen. (mgb/dpa)
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