Bangkok/London - Mit einem Mal bricht das Chaos aus auf Flug SQ321: Gegenstände fliegen herum, wer nicht angeschnallt ist, prallt mit dem Kopf gegen die Gepäckfächer oder die Kabinendecke. Es klingt wie der Alptraum eines jeden Flugreisenden - für mehr als 200 Menschen auf dem Weg von London-Heathrow nach Singapur wird er wahr. Ein 73-jähriger Brite stirbt, vermutlich an einem Herzinfarkt. Seine Frau und Dutzende andere Menschen werden verletzt.
Sieben Personen seien in einem kritischen Zustand, sagt der Chef des Flughafens Bangkok, Kittipong Kittikachorn, der BBC zufolge auf einer Pressekonferenz. In die thailändische Hauptstadt war die Boeing 777-300ER der Singapore Airlines wegen des Vorfalls umgeleitet worden.
Um fast 2000 Meter geht es hinab
"Dramatisch abgesackt" sei das Flugzeug, zitiert die britische Nachrichtenagentur PA den Flughafenchef. Daten der Tracking-Plattform Flightradar24 zeigen: Binnen kürzester Zeit ging es für die Maschine von 37.000 Fuss Reisehöhe auf 31.000 Fuss herab. Das sind fast 2000 Meter Unterschied.
Von aussen sehe die Maschine okay aus, sagt der Flughafenchef. "Aber im Inneren ist es völlig chaotisch." Bilder, die im Internet kursieren, können nur einen kleinen Eindruck geben von dem, was an Bord von SQ321 geschehen sein muss. Auf dem Boden liegen Lebensmittel, Flaschen, Thermoskannen, Tabletts, Sauerstoffmasken baumeln aus den Fächern. "Ich war voller Kaffee", erzählt Passagier Andrew Davies aus London der BBC. "Während der wenigen Sekunden, in denen das Flugzeug absackte, gab es schreckliche Schreie und etwas, das wie ein dumpfer Schlag klang."
Unterschiedliche Angaben zu Zahl der Verletzten
An Bord waren 211 Passagiere und 18 Besatzungsmitglieder, wie die Fluglinie mitteilt. Die meisten Reisenden stammen demnach aus Australien, Grossbritannien und Singapur. Auch eine Person mit deutscher Staatsbürgerschaft war an Bord. Zum Gesundheitszustand der einzelnen Passagiere gab es zunächst keine Angaben. Die meisten sollen mit einer anderen Maschine nach Singapur weiterreisen, die eigens dafür nach Bangkok geschickt wurde.
"Singapore Airlines spricht der Familie des Verstorbenen ihr tiefstes Beileid aus. Wir entschuldigen uns zutiefst für das traumatische Erlebnis, das unsere Passagiere und Besatzungsmitglieder auf diesem Flug erlitten haben", hiess es in einer Mitteilung in den sozialen Medien. "Wir leisten in dieser schwierigen Zeit jede notwendige Hilfe."
Nach ersten Angaben der Fluglinie wurden 30 Menschen verletzt, davon kamen 18 in Kliniken. Der Flughafen teilt hingegen der BBC zufolge mit, dass 53 Passagiere sowie ein Crew-Mitglied verletzt worden seien. "So viele Verletzte - sie hatten Schnittwunden am Kopf, blutende Ohren", berichtet Passagier Davies dem Sender.
Die 16 Jahre alte Maschine - von diesem Typ betreibt Singapore Airlines insgesamt 23 Exemplare - war um 23.17 Uhr (MESZ) am Montagabend am grössten britischen Flughafen Heathrow gestartet. 13 Stunden sollte der Flug dauern - nach etwa 11 Stunden Reisezeit, ungefähr auf Höhe der Westküste von Myanmar, kam es dann zur Beinahe-Katastrophe. Die Ursache für die Turbulenzen war zunächst unklar.
In Südostasien hat jüngst die Regenzeit begonnen. Zuletzt kam es in der Region wiederholt zu schweren Unwettern, auch am Dienstag regnete es in Bangkok stark.
Mehr Turbulenzen wegen des Klimawandels?
Auf Flügen kommt es immer wieder zu Turbulenzen, weshalb die Besatzung auch routinemässig dazu auffordert, stets angeschnallt zu sitzen. Im Juni 2023 erlitten zwei Crewmitglieder eines British-Airways-Flugs Knochenbrüche, als ihre Maschine auf dem Weg von Singapur nach Heathrow über dem Golf von Bengalen - also grob in derselben Gegend wie im Fall SQ321 - in Turbulenzen geriet.
Fluggesellschaften nutzen verschiedene Methoden, um Risiken zu minimieren. Dazu gehören Wettervorhersagen, Radar und Berichte von vorausfliegenden Flugzeugen, wie der Luftfahrtexperte John Strickland im Gespräch mit PA sagt. "Es sollte nie auf die leichte Schulter genommen werden, wenn Fluggesellschaften empfehlen, den Sicherheitsgurt während des gesamten Fluges locker anzulegen."
Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich Turbulenzen aufgrund des Klimawandels häufen. Dass sie Todesfälle und Verletzungen verursachen, geschieht jedoch selten. Passagier Davies gibt sich in der BBC zuversichtlich. Er werde ohne Sorgen wieder in ein Flugzeug steigen.
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