Der Hauptangeklagte im Missbrauchsprozess in Avignon ist wegen schwerer Vergewaltigung schuldig gesprochen worden. Der 72-Jährige ist zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Auch das Urteil für alle weiteren Angeklagten steht fest.

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Dominique Pelicot hatte seine damalige Frau Gisèle fast zehn Jahre lang immer wieder mit Medikamenten betäubt, missbraucht und von Dutzenden Fremden vergewaltigen lassen. Die Taten hatte er vor Gericht gestanden. Der Vorsitzende Richter verkündete am Vormittag zunächst die Schuldsprüche. Im Anschluss wurde das Strafmass auf 20 Jahre Haft festgelegt.

Kein Angeklagter wurde freigesprochen

Im Mammutverfahren haben die Richter am Donnerstag Haftstrafen zwischen drei und 20 Jahren gegen die 51 Angeklagten verhängt. Keiner der Angeklagten im Alter von 27 bis 74 Jahren wurde freigesprochen. Ein Teil von ihnen muss direkt ins Gefängnis.

Nebenklageanwalt Antoine Camus sagte: "Jeder hat in seinem Mass, auf seinem Niveau zu dieser Monstrosität, zu diesem Martyrium dieser Frau beigetragen." Zum Tatzeitpunkt sollen die Männer zwischen 21 und 68 Jahren alt gewesen sein. Dominique Pelicot suchte den Kontakt zu ihnen auf einer Online-Plattform.

Vor dem Gerichtsaal warteten zahlreiche Journalisten und Zuschauer auf die Klägerin Gisèle Pelicot, die bereits bei ihrer Ankunft im Gericht mit Beifall empfangen worden war.

Möglicherweise 200 Mal vergewaltigt

Der jahrelange sexuelle Missbrauch von Gisèle Pelicot war vor vier Jahren eher zufällig aufgeflogen. Dominique Pelicot war im September 2020 festgenommen worden, nachdem er Frauen im Supermarkt unter den Rock gefilmt hatte. Polizisten untersuchten den Computer des Mannes. Dieser hatte den Missbrauch an seiner Frau in Hunderten Fotos und Videos dokumentiert.

Gisèle selbst hatte die Übergriffe wegen der starken Medikamente, die ihr damaliger Mann ihr heimlich verabreicht hatte, nicht mitbekommen. Sie geht davon aus, etwa 200 Vergewaltigungen erlitten zu haben. Die Ermittler vermuten auch ein Dutzend weitere Täter, die aber nicht identifiziert werden konnten.

Gisèle Pelicot ist zum Vorbild geworden

Das seit September laufende Verfahren hat Frankreich aufgerüttelt. In einem ungewöhnlichen Schritt entschied sich Gisèle Pelicot dazu, den Prozess nicht hinter verschlossenen Türen führen zu lassen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen, betonte die Anfang-Siebzigjährige.

In nur wenigen Wochen wurde Pelicot zum Vorbild und zur feministischen Ikone. Sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen, sagte sie vor Gericht. "Ich will, dass sie keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie." (dpa/bearbeitet von phs)

Hilfsangebote

  • Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (116 016 oder online), das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" (0800/1239900 oder online), das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" (0800/225 5530), in Österreich an die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar, 01/3340 437) und in der Schweiz an die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana, 031/3131 400)
  • Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
  • Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
  • Anlaufstellen für verschiedene Krisensituationen im Überblick finden Sie hier.

Die unbeugsame Gisèle Pelicot

Jahrelang war Gisèle Pelicot von ihrem Ex-Mann betäubt und anderen Männern zum Vergewaltigen angeboten worden. Den Prozess gegen ihn und 50 weitere Männer wollte sie nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden lassen. "Die Scham muss die Seiten wechseln", erklärte die 72-Jährige wiederholt.
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