Vierte Runde im Prozess gegen Jérôme Boateng. Der Fussballer war 2022 wegen Körperverletzung verurteilt worden. Doch nun ist das Urteil auf Antrag der Verteidigung, sowie der Staatsanwaltschaft aufgehoben worden. Es muss neu verhandelt werden.

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Hat der frühere Fussball-Nationalspieler Jérôme Boateng seine damalige Lebensgefährtin attackiert und beleidigt? Oder hat die Frau sich das alles ausgedacht im Streit um die Kinder? Mit diesen Fragen wird sich nun zum vierten Mal ein Gericht befassen müssen.

Denn das Bayerische Oberste Landesgericht hat die Verurteilung des Fussballers wegen eklatanter Rechtsfehler "in vollem Umfang" aufgehoben. Es gab der Revision des Ex-Nationalspielers und auch der von Staatsanwaltschaft und Nebenklage am Donnerstag statt und verwies das Verfahren an das Landgericht München I zurück. Dort muss der Prozess nun komplett neu aufgerollt werden - Beweisaufnahme und Ausbreitung intimster Details inklusive.

Boateng 2022 zu Geldstrafe von mehr als einer Million verurteilt

Das Landgericht München I hatte Boateng im Oktober vergangenen Jahres wegen Angriffen auf seine Ex-Freundin in einem Karibik-Urlaub in zweiter Instanz wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro verurteilt - insgesamt 1,2 Millionen Euro.

Doch dabei machte der Vorsitzende Richter einen entscheidenden Fehler, wie das Bayerische Oberste Landesgericht nun feststellte: Denn nachdem die Verteidigung einen Antrag auf Befangenheit gegen ihn gestellt hatte, war er selbst an der Entscheidung beteiligt, diesen abzulehnen.

Ein Rechtsverstoss, der nun eine neue Verhandlung nötig macht. "Das war ein durchgreifender Verfahrensfehler, der zur Aufhebung des Urteils führen musste", sagte Gerichtssprecher Laurent Lafleur.

Boatengs Anwalt Leonard Walischewski hatte in erster Linie aus diesem Grund die Aufhebung des Urteils gefordert. "Das Verfahren war erschütternd unfair", sagte er. "Der Angeklagte Boateng war schon endgültig verurteilt, bevor das Berufungsverfahren überhaupt begonnen hatte."

Boateng laut Anwalt "erleichtert" über aufgehobenes Urteil

Boateng, der lange für den FC Bayern München gespielt hat und im Juni von seinem jüngsten Verein, dem französischen Fussball-Erstligisten Olympique Lyon, verabschiedet wurde, sei damals "in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt" worden, kritisierte Walischewski.

"Der Vorsitzende Richter war nicht neutral, er war nicht distanziert", sagte der Anwalt. Er warf ihm "prozesswidriges und willkürliche Verhalten" vor. "Der Vorsitzende wollte nicht aufklären."

Zu dem nun entscheidenden Befangenheitsantrag war es gekommen, nachdem der Richter betont hatte, weitere Beweisanträge von Boateng und seinen Verteidigern könnten sich negativ auf eine Strafe auswirken.

Boateng sei nach der Entscheidung vom Donnerstag nun "sehr erleichtert", sagte Walischewski, der seinen Mandanten umgehend über die Aufhebung des Urteils informiert hatte. "Es ist auch klar, dass das auch für ihn ein wichtiger Tag war."

Fussballer droht eventuell sogar höhere Strafe

Allerdings fielen nicht alle Entscheidungen an diesem Tag zugunsten Boatengs aus. Denn auch der Revision von Staatsanwaltschaft und Boatengs Ex-Freundin, die als Nebenklägerin in dem Verfahren auftritt, gab das Revisionsgericht statt. Das Landgericht habe "widersprüchliche Angaben nicht miteinander abgeglichen", erläuterte Lafleur.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage sehen in der mutmasslichen Attacke eine gefährliche Körperverletzung, weil sie davon ausgehen, dass Boateng eine Kühltasche beziehungsweise ein Windlicht in Richtung der Angeklagten warf. Sollte sich das bestätigen, ändert sich der Straftatbestand von Körperverletzung in gefährliche Körperverletzung und zieht dann möglicherweise einen höheren Strafrahmen nach sich.

Die Anwältin von Boatengs Ex-Freundin, Carolin Lütcke, zeigte sich somit am Donnerstag ebenso erleichtert wie Boatengs Anwalt. "Wir sind sehr zufrieden mit der Entscheidung, dass auf unsere Revision hin das Urteil aufgehoben wird und dass es für den Angeklagten auch deutlich schlechter werden kann als die 120 Tagessätze." Denn bei gefährlicher Körperverletzung stehe eine Freiheitsstrafe "von sechs Monaten aufwärts im Raum". Für ihre Mandantin sei das Verfahren aber "nach wie vor eine grosse Belastung".

Mit der Entscheidung des Gerichts wird ein ohnehin schon äusserst langwieriger Rechtsstreit noch länger. Das Amtsgericht München hatte bereits im Jahr 2021 eine höhere Geldstrafe gegen Boateng verhängt, jedoch war die Zahl der Tagessätze nur halb so hoch - 60 Tagessätze zu je 30.000 Euro, also insgesamt 1,8 Millionen Euro. Ab mehr als 90 Tagessätzen gelten Verurteilte als vorbestraft. Wann die neue Verhandlung stattfinden wird, ist nach Gerichtsangaben "noch nicht absehbar". (dpa/thp)



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