- US-Präsident Joe Biden will das hochumstrittene Gefangenenlager Guantanamo schliessen.
- Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind dort mutmassliche Terroristen inhaftiert – und gefoltert – worden.
- 40 Menschen sind noch in dem Gefängnis auf Kuba eingesperrt. Viele von ihnen werden seit Jahren ohne Verfahren festgehalten.
In acht Jahren Amtszeit ist es dem früheren US-Präsidenten
Gefangenenlager für mutmassliche Terroristen
Die US-Regierung unter George W. Bush hat das Lager Anfang 2002 geöffnet – kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Es befindet sich am US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay im Südosten Kubas. Das Gebiet pachten die USA bereits seit 1903.
In dem Lager hält die US-Regierung Menschen gefangen, denen sie islamistischen Terror vorwirft, viele von ihnen sollen Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida oder den Taliban haben. Betrieben wird das Internierungslager von der Joint Task Force Guantanamo, einem Kommando der US-Streitkräfte.
Weil das Lager nicht auf US-amerikanischen Boden liegt, gelten hier andere Regeln, als die Verfassung sie vorschreibt. Die Gefangenen wurden und werden teilweise ohne gerichtliche Anordnung oder Anklage auf unbestimmte Zeit eingesperrt. Als "ungesetzliche Kombattanten" bleibt ihnen der Status von Kriegsgefangenen verwehrt, sie haben wenig bis keinen Anspruch auf Rechtsschutz. Die Regierung hat für ihre Verfahren Militär-Tribunale eingerichtet.
40 Inhaftierte sind übriggeblieben
780 Terrorverdächtige wurden nach Guantanamo gebracht. Die Bush-Regierung entliess mehr als 530 Gefangene, unter Obama kamen fast 200 Häftlinge frei. Neun Menschen starben, sieben von ihnen den Angaben nach durch Suizid. Seit 2008 sind keine neuen Gefangenen mehr in das Lager gebracht worden.
Als
Die 40 Menschen, die heute noch in Guantanamo sitzen, wurden alle unter der Bush-Regierung dorthin gebracht. Von ihnen sollen sich zehn Männer vor einer Militärkommission verantworten, fünf der Inhaftierten sollen an der Planung und Umsetzung der Terroranschläge von 2001 beteiligt gewesen sein. Einem Tagesschau-Bericht zufolge dürften sechs der aktuell noch Gefangenen das Lager eigentlich schon seit Jahren verlassen – doch nur wenige Länder nehmen Gefangene aus Guantanamo auf.
"Unmenschlich und erniedrigend": Verhöre unter Folter
Berüchtigt geworden ist Guantanamo vor allem für unmenschliche Haftbedingungen und Folter: Der "Krieg gegen den Terror" rechtfertigte aus Sicht der US-Regierung unter Bush brutale Verhörmethoden. Regierungsunterlagen zufolge hatte der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sie Ende 2002 ausdrücklich erlaubt.
2013 bestätigte eine US-Kommission, dass die USA eigene Gesetze sowie Völker- und Menschenrecht verletzt haben: Geheimdienstbeamte und Soldaten behandelten Gefangene unter anderem in Afghanistan, im Irak und in Guantanamo dem Bericht zufolge "grausam, unmenschlich und erniedrigend".
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnet das Gefangenenlager als "Schandfleck in der Menschenrechtsbilanz der USA".
Auch Unschuldige waren nach Guantanamo gebracht worden. Manche wurden denunziert, weil die USA Kopfgeld auf Terroristen ausgesetzt hatten. Die ersten Häftlinge sperrten die Wärter in Drahtkäfige im Freien.
Häftlinge erzählen ihre Geschichten
In Deutschland hat besonders der Fall des Bremers Murat Kurnaz für Schlagzeilen gesorgt: Die USA hielten ihn von 2002 bis 2006 im Internierungslager auf Kuba gefangen. Der Sohn türkischer Eltern reiste 2001 als 19-Jähriger nach Pakistan. Er gab später an, dass er dort den Koran studieren wollte. Er wurde jedoch festgenommen. US-Sicherheitskräfte verdächtigten ihn, "feindlicher Kämpfer" zu sein. Die USA boten 2002 an, Kurnaz nach Deutschland ausreisen zu lassen – doch die Bundesregierung lehnte ab. Drei Jahre später stellte eine US-Richterin fest, dass es keine Beweise für Verbindungen Kurnaz‘ zum Terrornetzwerk Al-Kaida gibt.
2006 reiste er zurück nach Deutschland. Über seine Zeit in dem US-Gefangenenlager, in dem er nach eigenen Angaben auch gefoltert worden ist, hat Kurnaz ein Buch veröffentlicht, das auch verfilmt worden ist.
Bei der Berlinale im Juni wird ein weiterer Guantanamo-Film Deutschland-Premiere haben: "The Mauritanian". Er erzählt die Geschichte von Mohamedou Ould Salahi. Der Mauretanier sass 14 Jahre lang in Guantanamo – ohne Anklage. Mit einem Hochbegabtenstipendium war der Mauretanier als 18-Jähriger zum Studium nach Duisburg gekommen. In den 1990er Jahren besuchte er ein Ausbildungslager islamistischer Kämpfer in Afghanistan, er soll ausserdem Kontakt zu Al-Kaida-Terroristen gehabt haben. Sein Schwager rief ihn einmal von Osama Bin-Ladens Satellitentelefon an. Und drei der 9/11-Attentäter, die in Hamburg studierten, haben einmal in seiner Duisburger Wohnung übernachtet.
Beweise für Vergehen Salahis gab es jedoch nicht. Schon 2010 ordnete ein Gericht seine Freilassung an, doch die US-Regierung legte Berufung ein. Ende 2016 wurde er aus Guantanamo entlassen. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) zählt auf, welche "speziellen Verhörmethoden" er in der Gefangenschaft über sich ergehen lassen musste: Isolationshaft, Kältefolter, Stressposition, simulierte Hinrichtung, Prügel, Schlafentzug, Beschallung, sexuelle Misshandlung.
Heute lebt Salahi in Mauretanien, seine Frau und sein Kind sind in Deutschland. Die drei haben bei der Ausländerbehörde in Duisburg Familienzusammenführung beantragt. Die Bearbeitung des Antrags dauert dem SZ-Bericht zufolge bereits aussergewöhnlich lange.
Details für Biden-Pläne noch offen
Schon Barack Obama hatte bei Amtsantritt 2009 angekündigt, Guantanamo innerhalb eines Jahres zu schliessen. Joe Biden war sein Vizepräsident. Damals stellten sich Abgeordnete gegen das Vorhaben, das berüchtigte Gefängnis aufzulösen, darunter auch Demokraten. Der Kongress sorgte dafür, dass Guantanamo-Häftlinge nicht auf US-Boden überstellt werden dürfen.
Bislang ist wenig bekannt darüber, wie Joe Biden die Schliessung durchsetzen will. Der Nationale Sicherheitsrat hat zunächst eine Überprüfung des Gefängnisses eingeleitet. Er soll dafür mit Verteidigungs-, Justiz- und Aussenministerium sowie mit dem Kongress zusammenarbeiten.
Für die Schliessung sprechen aus Sicht der US-Regierung auch die Kosten, die der Gefängnisbetrieb verursacht. Damit hatte schon Obama argumentiert. Noch immer sind dort 1.500 US-Streitkräfte im Einsatz – für 40 Gefangene. 2019 meldete die New York Times, dass der Betrieb des Lagers pro Jahr mehr als 490 Millionen Euro kostet. Mehr als zwölf Millionen Euro pro Häftling.
Weiterhin Widerstand gegen geplante Schliessung
Biden muss aber weiter mit Gegenwind rechnen: Der texanische Senator John Cornyn etwa kündigte an, dass sich die Republikaner weiter gegen die Schliessung Guantanamos wehren werden: "Die Besessenheit der Demokraten, Terroristen in amerikanische Hinterhöfe zu bringen, ist bizarr, fehlgeleitet und gefährlich."
Wohin mit den Häftlingen? Diese Frage beschäftigte auch die Obama-Regierung. Einige gelten als Sicherheitsrisiko, dem sich weder die USA noch Drittländer aussetzen wollen. Einigen droht in ihren Herkunftsländern menschenrechtswidrige Verfolgung. Doch auch in Guantanamo dokumentiert die Organisation Amnesty International nach eigenen Angaben viele Jahre nach Bekanntwerden der Foltermethoden "nach wie vor massive Menschenrechtsverletzungen".
Verwendete Quellen:
- New-York-Times-Dossier: Guantanamo Bay Naval Base (Cuba)
- Reuters: Factbox: U.S. prison in Guantanamo is again in the spotlight
- CNN: Guantanamo Bay Naval Station Fast Facts
- MenschenRechtsMagazin 3/2007: Guantanamo Bay – ein rechtsfreier Raum
- Tagesspiegel: Zur falschen Zeit am falschen Ort? Die Odyssee des Murat Kurnaz
- The New York Times: Biden Reviving Effort to Empty Guantanamo Prison
- Deutschlandfunk Kultur US-Gefängnis Guantanamo auf Kuba: Leben wie Tiere im Käfig
- Tagesschau: US-Gefangenenlager - Was wird aus Guantanamo?
- Süddeutsche Zeitung vom 22. Februar 2021: Was bleibt (Moritz Baumstieger und Georg Mascolo)
- Amnesty International: USA: Biden muss Versprechen einlösen, Gefangenenlager Guantanamo zu schliessen
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