Von aussen unsichtbar, im Inneren effizient: Spionage-Sets bieten Studierenden Hilfe bei Prüfungen. Doch was passiert, wenn der Betrug auffliegt?
Es klingt wie aus einem Agentenfilm: Studierende setzen bei Prüfungen auf sogenannte Spionage-Sets, um sich unerlaubt helfen zu lassen. Solche Sets bestehen aus winzigen Kameras, die beispielsweise als Knopf an einem Hemd getarnt sind, einem Sender und einem extrem kleinen, magnetischen Kopfhörer. Dieser wird tief ins Ohr geschoben und ist selbst bei kurzen Haaren von aussen nicht sichtbar, versprechen die Hersteller. Der Preis? Ab 100 Euro aufwärts.
Während also der oder die Studierende die Klausur schreibt, sitzt irgendwo anders jemand am Empfangsgerät, sieht die Bilder der versteckten Kamera und spricht die Lösungen ins Ohr des Prüflings. So können nicht nur Fragen beantwortet werden, sondern auch komplexe Rechnungen oder mehrstufige Aufgaben gelöst werden. Das Manöver ist durchaus riskant – doch wie wahrscheinlich ist es, dass diese Täuschungen tatsächlich unentdeckt bleiben? Und was droht denjenigen, die erwischt werden?
Der Täuschungsversuch ist schwer zu erkennen
Die Nachfrage nach solchen Hilfsmitteln scheint jedenfalls zu bestehen: Einige Ghostwriting-Agenturen bieten mittlerweile nicht nur Hilfe bei Haus- oder Abschlussarbeiten an, sondern werben auch damit, Studierende bei Klausuren mit Spionage-Sets zu unterstützen. Die meisten Universitäten achten allerdings inzwischen sehr genau und streng darauf, ob die Studierenden ihre Prüfungsleistungen tatsächlich selbst erbringen oder sich helfen lassen.
Doch Täuschungsversuche sind oft schwer zu erkennen, vor allem, wenn sie technisch ausgeklügelt sind. "Je nach Fachkultur haben die einzelnen Fächer unterschiedliche Vorsichtsmassnahmen gegen Betrug bei Klausuren und Prüfungen eingerichtet", erklärt Gabriele Bartolomaeus aus der Pressestelle der Universität Göttingen. An vielen Universitäten werden mittlerweile Programme eingesetzt, die Texte auf Künstliche Intelligenz oder Plagiate überprüfen können. Gegen Spionage-Sets helfen solche Tools natürlich nicht.
Kleine Gruppen, viel Aufsicht
Die Universität Göttingen setzt deshalb auf klassische Methoden: Klausuren werden in kleinen Gruppen geschrieben, um Betrugsversuche leichter zu erkennen – wer betrügt, benimmt sich oft auffällig. In der Vergangenheit wurden bereits Betrugsversuche mit Smartwatches aufgedeckt. Uhren jeglicher Art würden deshalb in manchen Fächern "generell als Täuschungsversuch betrachtet".
Zudem dürfen auf den Tischen in Göttingen während der Klausuren nur ein Stift und eine Wasserflasche stehen – auch dadurch soll der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie Mikrofonen oder Kameras erschwert werden und schneller auffallen. Für einen besseren Überblick seien ausserdem immer mindestens zwei Personen als Aufsicht im Prüfungsraum, die auch im Raum umhergehen, sagt Bartolomaeus.
Erwischt worden sind Studierende mit Spionage-Sets an der Universität Göttingen bislang nicht. Womöglich, weil sie dort nicht zum Einsatz kommen – oder aber, weil Studierende damit nicht weiter aufgefallen sind? Doch was würde passieren, wenn? Die Prüfungsordnung regelt den Umgang mit Täuschungsversuchen klar: Beim ersten Mal gilt die Prüfung als nicht bestanden. Wiederholt sich der Betrug, kann es zum Ausschluss von weiteren Prüfungen kommen – "was faktisch einer Beendigung des Studiums gleichkäme", sagt Bartolomaeus.
Geräte sind technisch nicht aufspürbar
Auch an der Universität Bayreuth wird stark darauf geachtet, ob Studierende ihre Arbeiten selbst erstellen. Anja-Maria Meister, Pressesprecherin der Universität, berichtet von kreativen Täuschungsversuchen in der Vergangenheit: Während der Corona-Pandemie gab es Fernklausuren, die per Video überwacht wurden. Vier Studierende in einer WG versuchten, gemeinsam die Klausur zu schreiben, indem sie unterschiedliche Hintergründe für ihre Kameras nutzten. Aufgefallen sei das über die Tonspur.
Meister betont, dass der Einsatz technischer Hilfsmittel wie Kameras oder Mikrofone in Prüfungen bislang "ein absoluter Sonderfall" sei. Wenn überhaupt, dann würden solche Hilfsmittel durch die menschliche Aufsicht entdeckt. "Eine technische Erkennung im Hörsaal ist nicht möglich." In den Prüfungsordnungen der Universitäten sei klar geregelt, welche Strafen bei Täuschungsversuchen drohen: Meist werde die Prüfung als nicht bestanden gewertet.
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Verlust des Studienplatzes droht
Doch die Konsequenzen können drastischer sein. Rechtsanwalt Christian Solmecke von der Kanzlei WBS Legal in Köln erklärt, was Studierenden mit Spionage-Set droht: "Im besten Fall wird nur die betroffene Prüfungsleistung als nicht bestanden gewertet und muss wiederholt werden." Aber die Strafe kann auch viel härter ausfallen, als viele Studierende erwarten – laut Anwalt bis zur Exmatrikulation und dem Verlust des Studienplatzes. Auch strafrechtliche Konsequenzen seien nicht auszuschliessen, je nach Schwere des Täuschungsversuchs.
Eine interessante Wendung gibt es jedoch: Solmecke erklärt, dass derjenige, der auf der anderen Seite des Bildschirms sitzt und Studierende mit Lösungen versorgt, rechtlich nicht belangt werden kann. Das ist vergleichbar mit Ghostwriting, bei dem auch die Dienstleistung an sich legal ist. "Bereits 2009 stellte das Oberlandesgericht Frankfurt fest, dass die Vereinbarung zwischen einem Ghostwriter und seinem Auftraggeber grundsätzlich nicht zu beanstanden sei", sagt Solmecke. "Auch der Schummelhelfer via Spysoftware macht sich nicht strafbar." Für Studierende bleibt das Risiko dagegen hoch: Der Traum vom Studienabschluss könnte sich schneller in Luft auflösen, als man denkt.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Rechtsanwalt Christian Solmecke, Gesellschafter der Kanzlei WBS Legal in Köln
- Gespräch mit Gabriele Bartolomaeus, Pressestelle Universität Göttingen
- Gespräch mit Anja-Maria Meister, Pressesprecherin Universität Bayreuth
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