Mit einer ergreifenden Trauerfeier verabschiedet sich Genua von den Opfern des Brückeneinsturzes. Rund 10.000 Menschen gedenken am Samstag der mehr als 40 Toten.
Immer wieder unterbricht lautes Klatschen die andächtige Ruhe kurz vor der zentralen Trauerfeier unweit des Hafens in Genua. Es ist der Applaus für die Feuerwehrmänner und die anderen Retter, die in den vergangenen Tagen unermüdlich in den Trümmern des Polcevera-Viadukts nach Überlebenden gesucht haben. Sie sind die Helden der Stadt in diesen dramatischen Tagen, ein Halt inmitten der grossen Trauer über Dutzende Tote.
Immer wieder auch Applaus, als die Tausenden Besucher auf Leinwänden die Särge der Opfer sehen. Mit Blumen verziert sind sie ganz vorne aufgereiht. Immer wieder treten Angehörige an die Särge heran, küssen und berühren sie, nehmen tränenreich Abschied. Nie wurde die Bestürzung der Genuesen in den Tagen nach dem Einsturz der Morandi-Brücke deutlicher als an diesem Vormittag.
Erzbischof findet die richtigen Worte
Mehr als 40 Menschen kamen nach aktuellen Angaben bei dem Unglück am Dienstag ums Leben, zahlreiche wurden teils schwer verletzt. Rund 560 Anwohner mussten ihre Wohnungen verlassen, mehr als Tausend Helfer waren im Einsatz. Fast jeder in dieser Stadt mit ihren gut 500.000 Einwohnern ist irgendwie von dem Unglück betroffen, geschockt, fassungslos. Zur zentralen Trauerfeier am Samstag kommen rund 10.000 Menschen.
"Auf Genua schaut derzeit die ganze Welt, in einer grossen Umarmung aus Emotionen, Zuneigung und Erwartung", sagt Genuas Erzbischof, Kardinal Angelo Bagnasco. Jedes menschliche Wort, so aufrichtig es auch sei, verblasse vor dieser Tragödie. Keine Rechtsprechung könne das Verlorene zurückgeben.
In einer bewegenden und ebenfalls von Applaus unterbrochenen Ansprache macht Bagnasco klar, dass der Tag der Staatstrauer auch ein Tag des Mutes für die Zukunft sein soll. Genua habe mit dem Viadukt eine "essenzielle Arterie" verloren, aber die Stadt werde nicht aufgeben und kämpfen - wie schon in anderen schweren Situationen. Als ein Geistlicher die Namen der bisher identifizierten Opfer vorliest, gibt es erneut lauten Applaus. Genua nimmt die Herausforderung an.
Dennoch hat die Veranstaltung einen Beigeschmack. Auch wenn die Trauerfeier allen Opfern gilt, stehen hier nur 18 Särge. Einige Angehörige von Opfern nehmen aus Protest nicht an der Zeremonie teil. Sie halten das Schaulaufen der Politiker für eine Schande. Andere halten Trauerfeiern in ihren eigenen Gemeinden ab, wie etwa im piemontischen Alessandria oder im süditalienischen Torre del Greco.
Alle beschäftigt weiterhin die Frage, wie es zu dem verheerenden Brückeneinsturz kommen konnte. Die Regierung hat ihre Schuldzuweisungen gegen den Betreiber der Autobahn Tag für Tag verschärft, doch aus der Sicht einiger Opfer-Familien trifft auch die Politik eine grosse Schuld.
Katastrophe wird Politikum
Die Katastrophe von Genua ist so innerhalb weniger Tage zu einem grossen Politikum geworden. Matteo Salvini, Italiens Innenminister und Chef der rechten Lega-Partei, erhält kräftigen Applaus und wird sehr herzlich empfangen, als er zur Trauerfeier eintrifft. Er hatte in den vergangenen Tagen seine Kritik am Betreiber der Autobahn und auch an der EU scharf formuliert. Premierminister Giuseppe Conte hatte am Freitag einen Prozess eingeleitet, um der der privaten Betreibergesellschaft Autostrade per l'Italia ihre Lizenz zu entziehen. Das Unternehmen bestreitet aber Nachlässigkeit. Auch Vertreter der Firma kommen zu der Zeremonie.
Die Trauerfeier an sich bleibt aber weitgehend unpolitisch. Zu gross ist die Bestürzung und zu wichtig ein würdiger Abschied von den vielen Opfern, die völlig unvermittelt aus dem Leben gerissen wurden. Doch die Probleme für Genua werden kommen. Der 14. August 2018 wird die Stadt noch lange beschäftigen. Politisch, wirtschaftlich - und menschlich. © dpa
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