Fünf Jahre nach dem Minarett-Verbot in der Schweiz hat der Verein Islamischer Zentralrat der Schweiz (IZRS) ein Video veröffentlicht, in dem zu einer Revolution der Muslime aufgerufen wird. Vermummte Menschen und eine Fahne, auf der das islamische Glaubensbekenntnis steht, erinnern stark an Propaganda-Videos der Terrorgruppe "Islamischer Staat".
Idyllische Bilder von Schweizer Landschaften im Kanton Luzern, im Hintergrund leise, inhaltsschwere Geigenmusik und eine klagend singende Frauenstimme. Dann beginnt eine andere, tiefe Stimme in akzentfreiem Englisch zu erzählen: "Es gab eine Zeit, als unsere Hoffnung nur ein Samen war, durch die Luft gewirbelt, schwach, entfremdet, Qualen erleidend, Schmerz und Erniedrigung." Auf einem belebten Platz in Luzern taucht ein vermummter Mann auf, im Hintergrund ist jetzt ein Herzschlag zu hören. "Um zu überleben, verliessen wir unsere Heimat angesichts der drohenden Auslöschung": Jetzt ist der vermummte Mann ständig im Bild. Er nimmt auf einem Berg eine weisse Fahne in die Hand, auf der das islamische Glaubensbekenntnis auf Arabisch geschrieben ist. Die Bilder erinnern auf beklemmende Art an Propaganda-Videos des IS. Auf seinem Weg bricht der Vermummte schliesslich erschöpft zusammen.
"Der Anfang einer islamischen Revolution"
In hochwertigen Bildern, dramaturgisch perfekt inszeniert, helfen ihm mehrere vermummte Männer, die Fahne weiter zu tragen: "Nun sind wir aber nicht nur zu einem Baum geworden, sondern ein ganzer Wald. Stark und unzerbrechlich. Der Anfang einer islamischen Revolution, welche die Welt verändert hat." Der Ausruf einer friedlichen islamischen Revolution, doch die Bilder des gut drei Minuten langen Films sprechen eine andere Sprache.
Das auf dem Internetportal "YouTube" verfügbare Video löst von den ersten Sekunden an ein unwohles Gefühl beim Zuschauer aus. Ursprung ist die Homepage des Islamischen Zentralrats der Schweiz (IZRS). Dort steht auf Englisch im Video-Blog: "Fünf Jahre Minarett-Verbot in der Schweiz: Muslime stehen gegen Islamophobie in der Schweiz auf. Alles, was wir wollen, sind Grundfreiheiten." Der IZRS sieht diese spätestens seit der Volksabstimmung 2009 zum Bauverbot der Minarette eingeschränkt. Die Reaktion der Presse spiegelt damals wider, wie das Verbot in Deutschland grösstenteils aufgenommen wird: "Ein schwarzer Tag", schreibt das Nachrichtenportal Zeit Online. "Mit dem Minarettverbot verletzt der Schweizer grob das Menschenrecht auf Religionsfreiheit." Die Angst vor Überfremdung in der Schweiz nimmt überraschend starke Züge an. Kurz darauf folgen ein Gesichtsschleier-Verbot im Kanton Tessin, und das Verbot von Islamkonferenzen. Es ist ein schwelender Konflikt, der durch das Video auf eine neue Stufe gehoben werden könnte.
Video soll "keine Drohung" sein
Der kurze Film endet mit den Worten: "Ihr könnt unsere Minarette verbieten. Unsere Kopftücher. Unsere Niqabs. Und sogar unsere Konferenzen. Ihr könnt unsere Religion als gewalttätig bezeichnen. Rückständig. Nicht zur Schweiz gehörend. Aber ihr solltet wissen, dass wir hier sind. Und dass wir Teil dieser Realität sind. Wir werden weder gehen, noch unseren friedlichen Kampf für gleiche Rechte aufgeben. Grundrechte und Toleranz sind alles, was wir fordern. Erwartet uns. Jederzeit. Überall."
Das Video soll jedoch keine Drohung sein, sagt IZRS-Sprecher Abdel Asis Kaasim Illi der Onlinezeitung "Welt". Man habe demonstrativ die weisse Friedensflagge und nicht die schwarze IS-Flagge im Film verwendet. Zudem seien keine Waffen zu sehen. Eine Assoziation mit den Propaganda-Videos der Terrormiliz Islamischer Staat ist beim Anschauen des Films jedoch schwer zu vermeiden.
2010 und 2011 stand der Islamische Zentralrat der Schweiz noch unter Beobachtung des Schweizer Geheimdienstes. Die radikal-islamische Organisation ist bei moderaten Muslimen in der Schweiz verpönt: Nur 0,5 Prozent der Muslime, die in der Schweiz leben, sind Mitglied des IZRS.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.