Der Geheimagent Werner Mauss soll zahlreiche Heldentaten vollbracht haben. So viele, dass das Landgericht Bochum ihn sogar vor einer Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung verschonte.
Er soll Terroristen dingfest gemacht, verschwundenen Giftmüll aufgespürt und erfolgreich mit Geiselnehmern verhandelt haben: Wenn der frühere Geheimagent Werner Mauss als "deutscher James Bond" bezeichnet wird, wirkt das durchaus angebracht.
Seine Heldentaten haben den 77-Jährigen aus dem Hunsrück jetzt auch vor einem Gang ins Gefängnis bewahrt.
Im Prozess wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Bochum urteilten die Richter am Donnerstag sehr milde: zwei Jahre auf Bewährung.
Auf sein Bild in der Öffentlichkeit bedacht
Mauss war an allen Verhandlungstagen in eine dunkelblaue Daunenjacke gehüllt, auch bei seiner Arbeit operierte er stets möglichst unsichtbar. Trotzdem legt er auf ein positives Bild in der Öffentlichkeit offenbar grossen Wert.
Auf seiner Homepage werner-mauss.de berichtet der Privatdetektiv und frühere Geheimagent ausführlich von seiner Arbeit.
Ziel sei es, so ist zu lesen, die "aus unterschiedlichen, meistens kriminellen Motiven verbreitete desinformative Berichterstattung" der Medien zurechtzurücken.
Ermittler und Einzelkämpfer
Der deutsche James Bond wurde 1940 in Essen geboren und liess sich zunächst zum Diplom-Landwirt ausbilden. Dann schulte er um, lernte angeblich an Polizeischulen das Handwerk eines Ermittlers und Einzelkämpfers.
Danach wurde er Privatdetektiv – und erregte irgendwann auch das Interesse von staatlichen Stellen. Deutsche und ausländische Geheimdienste heuerten den Mann aus dem Hunsrück unter vielen verschiedenen Namen als Geheimagent an.
So soll Mauss unter anderem Fässer mit Giftmüll in der französischen Picardie aufgespürt haben, nach denen zuvor halb Europa erfolglos gesucht hatte.
Laut der "Süddeutschen Zeitung" behauptete Mauss im Prozess auch, Papst Benedikt XVI. vor einer Vergiftung bewahrt zu haben.
Für solche Taten habe er Geld gebraucht, erklärte Mauss vor Gericht. Anonyme Spender hätten ihm deshalb hohe Summen zur Verfügung gestellt, er habe sie treuhänderisch verwaltet.
Operiert an den Grenzen des Möglichen
Mauss trat stets als ziviler Ermittler auf, verfügte aber über alle Erkenntnisse von Polizei und Geheimdiensten und konnte sich auch im Ausland auf die Hilfe der staatlichen Stellen verlassen.
Ein Beispiel ist die Festnahme des RAF-Terroristen Rolf Pohle 1976: Nachdem die RAF ihn aus dem Gefängnis freigepresst hatte, war Pohle in Athen untergetaucht.
Mauss wusste, dass der Gesuchte jeden Tag die "Süddeutsche Zeitung" kaufte – auch im Ausland. So liess er griechische Polizisten alle gut 80 Athener Kioske überwachen, die die Zeitung verkauften.
Mauss entdeckte ihn dann schnell an dem vor seinem eigenen Hotel. Die griechische Polizei nahm Pohle kurz danach in einem Restaurant fest. Laut Mauss ein Erfolg der eigenen "Rasterfahndung".
Der CDU-Politiker Bernd Schmidbauer, in den 90er Jahren Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, sagte in einer ARD-Dokumentation einmal über Mauss: "Er konnte als Undercover-Mann sehr viel leisten, wozu reguläre Beamte nicht verwendet wurden."
Der Agent soll dabei die Grenzen des rechtlich Möglichen bisweilen überschritten haben.
Er selbst schreibt aber auf seiner Homepage, er habe in seiner 40-jährigen Laufbahn nur ein einziges Mal eine Schusswaffe eingesetzt: Als er 1969 einen Raubtäter stoppte, um das Leben von zwei Polizisten zu retten.
"Unübliches" Urteil
Diese Vorgeschichte hat offenbar auch das Gericht beeindruckt. Die Richter sahen es zwar als erwiesen an, dass der 77-Jährige Geld am Fiskus vorbeischleuste: 13,2 Millionen Euro, eine nicht unbeträchtliche Summe – die Staatsanwaltschaft forderte sechs Jahre und drei Monate Haft wegen eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung.
Doch der Vorsitzende Richter erkannte nicht nur die grossen Verdienste von Mauss an.
Er betonte auch, der Agent habe sich Zeit seines Lebens nichts zu Schulden kommen lassen. Selbst Mauss' Verteidiger bezeichnete die Bewährungsstrafe von zwei Jahren und die Geldbusse von 200.000 Euro als "sehr massvoll".
Dass die Lebensleistung und nicht vorhandene Vorstrafen eines Angeklagten in die Zumessung der Strafe einfliessen, sei generell nicht ungewöhnlich, erklärt der Bonner Steuerstrafrechtler Dr. Jörg Schauf auf Anfrage unserer Redaktion. "Das lässt der Bundesgerichtshof ausdrücklich zu."
Im Ausmass, wie es die Bochumer Richter nun bei Werner Mauss gemacht haben, sei es aber eigentlich unüblich. Das Gericht habe rechtliche Zweifel am Vorwurf bei der Höhe der Strafe berücksichtigt. "Das reicht normalerweise nicht aus, um die Strafe für eine Steuerhinterziehung von 13,2 Millionen Euro auf eine Bewährungsstrafe zu drücken."
Die "Süddeutsche Zeitung" hat das überraschende Urteil als den "vielleicht grössten Coup" des 77-jährigen Ex-Agenten bezeichnet. Mauss selbst sieht das offenbar anders.
Er liess erklären, dass er seinen Leumund "in jeder Hinsicht" wiederherstellen wolle, und kündigte eine Revision vor dem Bundesgerichtshof an. Ob er damit Erfolg hat, dürfte aber fraglich sein.
Steuerstrafrechtler Schauf hält es vor dem Hintergrund der milden Strafe für "nicht unwahrscheinlich", dass auch die Staatsanwaltschaft Revision einlegt.
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