Die Europäische Kommission plant eine Lockerung der strengen Schutzregeln für Wölfe. Der Wolf entwickelte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer Gefahr für die Nutztierhaltung.
Die Europäische Kommission will die strengen Schutzregeln für Wölfe lockern. Man schlage vor, den Status des Wolfs von "streng geschützt" auf "geschützt" herabzusenken, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit. Dies würde es erlauben, die Jagd auf Wölfe zu genehmigen, wenn dadurch nicht der Erhalt von Populationen gefährdet wird.
EU-Kommissionspräsidentin
Von der Leyen berief sich dabei auf eine gleichzeitig veröffentlichte Analyse, die zeigt, dass die Wolfspopulationen in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich zugenommen haben und immer grössere Gebiete besiedeln. Demnach gibt es mittlerweile mehr als 20.000 Wölfe mit meist wachsenden Populationen und expandierenden Streifgebieten sowie Rudel mit Welpen in 23 Mitgliedstaaten.
Mehr als 1000 Wolfsübergriffe in Deutschland
Mit dem Vorschlag für ein Herabsetzen des Schutzstatus für Wölfe kommt die EU-Kommission insbesondere den Forderungen von Nutztierhaltern und Landwirten nach. Diese verweisen seit langem auf zunehmende Probleme. Allein in Deutschland ist die Zahl der Wolfsübergriffe auf Nutztiere nach einem Bericht im vergangenen Jahr deutlich auf mehr als 1000 Fälle gestiegen. Dabei wurden mehr als 4000 Nutztiere getötet oder verletzt.
Ob die Bundesregierung den Vorstoss unterstützt, blieb am Mittwoch zunächst unklar. Umweltministerin
Die Umweltminister von Bund und Ländern hatten sich vor rund drei Wochen darauf verständigt, dass problematische Wölfe, die Schutzzäune überwunden und Nutztiere gerissen haben, in Deutschland künftig deutlich schneller als bisher getötet werden können. Anders als zuvor muss demnach nicht erst eine DNA-Analyse abgewartet werden.
Umweltministerin warnt vor dem Verteufeln
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur warnte Lemke zuletzt kurz vor dem EU-Vorstoss davor, den Wolf zu verteufeln. "Er ist der naheste Verwandte eines unserer beliebtesten Haustiere, dem Hund, und deshalb sollten wir nicht so tun, als ob der Wolf Müll ist und weg kann", sagte die Grünen-Politikerin. Es müsse die Balance geschaffen werden zwischen Weidetierhaltung und der Tatsache, dass der Wolf sich in Deutschland wieder angesiedelt habe.
Kurz zuvor war in der vergangenen Woche in Brandenburg möglicherweise ein Spaziergänger von einem Wolf angegriffen worden. Nach Polizeiangaben vom Donnerstag war der 47-Jährige mit seinem Hund in einem Waldstück unterwegs, als er dem Tier begegnete. Es habe den Hund angegriffen. Als der Mann einschritt, sei er mehrfach gebissen worden und habe sich schwere Verletzungen zugezogen. Genetische Untersuchungen sollen nun Klarheit darüber bringen, ob der Mann tatsächlich von einem Wolf angegriffen wurde.
Vorschlag braucht breite Unterstützung
Um den Vorschlag der EU-Kommission umzusetzen, müssten ihm in einem ersten Schritt mindestens 15 der 27 EU-Staaten zustimmen. Gleichzeitig müssen diese allerdings auch zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU repräsentieren. Im nächsten Schritt müsste der Vorschlag dann auch noch den anderen Vertragsparteien des sogenannten Berner Übereinkommens vorgelegt werden. Dieses soll in ganz Europa und darüber hinaus die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume sichern.
Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie BUND, Nabu und WWF kritisierten am Mittwoch das Vorgehen der EU-Kommission und forderten, den Herdenschutz zu verbessern. "Alle wissenschaftlichen Studien belegen, dass die Zahl der Nutztierrisse von der Qualität des Herdenschutzes abhängt und nicht von der Zahl der Wölfe", sagte etwa der BUND-Vorsitzende Olaf Band.
Der Deutsche Jagdverband (DJV) begrüsste dagegen den Vorstoss der EU-Kommission. Er zeige einmal mehr, dass diese bereit sei, einen pragmatischen Weg hin zu einem Bestandsmanagement für den Wolf zu gehen, sagte DJV-Präsident Helmut Dammann-Tamke. "Es ist jetzt an der Bundesregierung, insbesondere an Bundesumweltministerin Steffi Lemke, sich nicht weiter hinter dem europäischen Naturschutzrecht zu verstecken."
Kommissionspräsidentin von der Leyen zeigte sich optimistisch, dass man Lösungen finden könne, um nicht nur die biologische Vielfalt, sondern auch die Lebensgrundlage der Landbevölkerung zu schützen. Die Politikerin hat in der Vergangenheit selbst eine traurige Erfahrung mit einem Tier gemacht. Im September 2022 riss ein Grauwolf in ihrer Heimat in Niedersachsen ihr 30 Jahre altes Pony Dolly.(dpa/jst)
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