Es ist einer der stärksten Stürme der Region in der jüngeren Geschichte - und er trifft zwei dicht besiedelte Länder mitten in einer Pandemie. In Notunterkünften mit mehr als drei Millionen Menschen versuchen Behörden, irgendwie für Abstand zu sorgen.
Ein starker Wirbelsturm hat das Festland in Indien und Bangladesch mit viel Wind und Regen erreicht. Fernsehbilder zeigten, wie Bäume und Strommasten zusammenbrachen und Häuser beschädigt wurden. Nach ersten Meldungen starben mindestens acht Menschen, darunter Kinder. Mehr als drei Millionen Menschen waren den Behörden zufolge in Notunterkünfte gebracht worden. Laut dem indischen meteorologischen Dienst ist Zyklon "Amphan" einer der schlimmsten Stürme in der Region der vergangenen 20 Jahre. Der Wind habe bis zu 185 km/h erreicht.
Betroffen sind unter anderem die dicht besiedelte Stadt Kolkata mit ihren 15 Millionen Einwohnern und Küstenregionen mit vielen schlecht gebauten Hütten. Auch das Rohingya-Flüchtlingslager mit mehr als einer Million Bewohnern könnte getroffen werden. Einige Menschen hätten aber trotz der Gefahr nicht ihr Zuhause verlassen wollen, da sie um Hab und Gut fürchteten.
Erste Berichte: Mindestens acht Opfer
In Indien starb etwa ein 13-jähriges Mädchen, nachdem es im Bezirk Haora im Bundesstaat Westbengalen von einem Blechdach getroffen worden war, wie lokale Medien berichteten. Im benachbarten Bundesstaat Odisha hiess es vom Katastrophenschutz, es gebe Berichte, wonach ein drei Monate altes Baby bei einem Mauereinsturz gestorben sei. Auch aus Bangladesch wurden erste Tote gemeldet, darunter ein fünfjähriger Junge und eine Frau, die nach Angaben von Behördenvertretern starben, als in den südlichen Distrikten Patuakhali und Satkhira Bäume auf sie stürzten.
Corona macht die grosse Evakuierung noch schwieriger als sonst. Um Abstand zu gewährleisten, stellten Behörden beider Länder nach eigenen Angaben mehr Notunterkünfte zur Verfügung als sonst bei solchen Stürmen. Es würden etwa leerstehende Schulen genutzt. Doch mehr Gebäude zu finden, sei schwierig gewesen, da einige Notunterkünfte zurzeit als Quarantäne-Gebäude oder temporäre Unterkünfte für gestrandete Wanderarbeiter dienten. Pankay Anand von der Hilfsorganisation Oxfam sagte, dass einige Leute Angst hätten, sich in den Unterkünften mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren. Teils würden in Masken oder Desinfektionsmittel verteilt.
Evakuierung und Unterbringung durch Corona erschwert
"Normalerweise werden vor so einem Mega-Zyklon Hunderte Menschen in Bussen und mit Lastwägen gemeinsam in grosse öffentliche Gebäude wie Schulen oder Turnhallen evakuiert", sagte Hilfekoordinator Felix Neuhaus bei AWO International. "Unter Einhaltung der Abstandsregeln ist das jetzt aber kaum umsetzbar." Die Hilfsorganisation Save the Children schrieb vor dem Eintreffen des Zyklons in einer Mitteilung, die Menschen würden wohl nicht in erster Linie an Social Distancing denken, wenn es darum gehe, sich in Sicherheit zu bringen.
Intensität der Stürme nimmt wegen Klimaerwärmung zu
Indien und Bangladesch kämpfen mit immer mehr Corona-Infektionen, in beiden Ländern gilt eine Ausgangssperre. In Indien gibt es inzwischen mehr als 106.000 bekannte Fälle und mehr als 3.000 Tote. Trotz eines strikten Lockdowns hat sich die Kurve im zweitbevölkerungsreichsten Land der Welt nach China nicht abgeflacht. Im Flüchtlingslager der Rohingya wurden kürzlich erste Corona-Fälle bestätigt.
Wirbelstürme kommen im Golf von Bengalen immer wieder vor. Bei einem grossen Zyklon im Jahr 1999 starben rund 10.000 Menschen. Experten gehen davon aus, dass die Intensität der Stürme in den vergangenen Jahren unter anderem wegen des Klimawandels tendenziell zugenommen hat. Die Opferzahlen waren aber in den vergangenen Jahren generell kleiner, da es inzwischen mehr gute Notunterkünfte und Evakuierungspläne gibt. (ash/dpa)
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