- Die Entscheidung fiel schnell, die Summe ist riesig: Die Bundesregierung will 100 Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr ausgeben.
- Aber was soll mit den 100 Milliarden Euro überhaupt passieren?
- Verteidigungspolitiker Marcus Faber (FDP) gibt Antworten und erklärt, wie Investitionsstau durch Bürokratieabbau vermieden werden soll.
In seiner Regierungserklärung erntete Bundeskanzler
Es brauche eine "hochmoderne, leistungsfähige Bundeswehr", sagte der Kanzler mit Blick auf die veränderte Sicherheitslage in Europa. Das Sondervermögen solle im Grundgesetz abgesichert werden. Der Krieg in der Ukraine bewegt die deutsche Politik zu neuen Jahrhundertentscheidungen: Neben den Waffenlieferungen bekommt die landeseigene Verteidigung einen völlig neuen Stellenwert.
Bundeswehr erstellt Liste
Stossrichtung und Etat sind nun also klar, offen aber bleibt aber die Frage nach der konkreten Umsetzung. Wohin fliessen die 100 Milliarden Euro? Was steht ganz oben auf der Prioritätenliste? Eine konkrete Bedarfsliste sei noch nicht erstellt, heisst es aus dem Bundesverteidigungsministerium.
"Die aktuelle Ausplanung der Projekte ist auf das zusätzliche Geld nicht ausgelegt, sodass zeitnah eine neue Priorisierung vorgenommen werden muss", sagt eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Der Generalinspekteur der Bundeswehr habe den Auftrag erhalten, eine Liste dringend benötigter Fähigkeiten zu erstellen. "Als Parlamentsarmee ist es unsere Absicht, diese konkreten Projekte mit dem Parlament eng abzustimmen", kündigt die Sprecherin an.
"Ausrüstung statt Aufrüstung"
Verteidigungsministerin
Marcus Faber (FDP) ist Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages und verteidigungspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Der Politikwissenschaftler sagt: "Es geht jetzt um Ausrüstung, nicht um Aufrüstung und die Entwicklung neuer Fähigkeiten der Bundeswehr".
Einheiten mangelt es an Ausrüstung
Angesichts des Kriegs, der durch Putin nach Europa zurückgekehrt sei, müsse der jahrelange Investitionsstau bei der Bundeswehr nun dringend abgebaut werden. "Alle Einheiten brauchen Ausrüstung in voller Ausstattung – das ist derzeit nicht der Fall. Soldaten einer Einheit müssen sich die Ausrüstung aktuell oft bei anderen Verbänden zusammenleihen", weiss Faber.
Weil die deutsche Bundeswehr eine Parlamentsarmee sei, würden Regierung und Bundestag massgeblich über die Beschaffung entscheiden. "Alles, was in Summe mehr als 25 Millionen Euro kostet, muss dem Verteidigungsausschuss und dem Haushaltsausschuss im Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt werden", erklärt der FDP-Politiker. Alle grösseren Beschaffungsvorhaben gingen damit einzeln durch das Parlament – das werde nun auch bei dem Sondervermögen der Fall sein.
Munition aufstocken
Die Erstellung der Bedarfslisten erfolge gerade. "Dazu gehört auch die Analyse: Was hat man vor Putins Krieg benötigt und was braucht es jetzt?", so der Verteidigungspolitiker. Einige Punkte seien aber bereits jetzt klar: "Wir haben sehr alte Transporthubschrauber, sie müssen dringend ersetzt werden. Auch der Tornado-Kampfjet ist museumsreif, er hat in der modernen Luftverteidigung keinen Kampfwert mehr", betont Faber.
Es brauche eine Kombination aus weiteren Eurofightern und amerikanischen Modellen. "Auch der Schützenpanzer Puma braucht ein Upgrade", so Faber. Man werde aber auch einen sehr grossen Betrag des Sondervermögens für Munition ausgeben müssen. "Die Munitionsreserven sind sehr spärlich, deshalb brauchen wir rund 20 Milliarden Euro, um alle Waffensysteme mit ausreichend Munition zu versorgen", schätzt er.
Experte: "100 Milliarden reichen nicht"
Patrick Keller, Vizepräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) sieht das Sondervermögen von 100 Milliarden mit einer riesigen Debatte verbunden. "Man wird auch damit nicht alles beschaffen können", erinnert er. Das Geld reiche nicht, um die eigentlich vereinbarte Nato-Fähigkeitsplanung bis 2031 zu erfüllen.
"Wir haben die hochambitionierte Planung bislang nicht in allen Mitgliedstaaten auch nur annähernd umgesetzt", sagt Keller. Die deutsche Bundeswehr sei seit der Wiedervereinigung kaputtgespart worden. "Es ist enorm viel aufzuholen. Mit der Situation in der Ukraine sind jetzt endlich alle wach geworden", so der Experte.
Bürokratie abbauen
Nun stünden aber Fragen zur Diskussion: "Investiert man, wie der Bundeswehrverband es sich wünscht, zunächst viel Geld in die persönliche Ausstattung der Soldaten? Oder hält man Geld für langfristige Grossprojekte zurück? Priorisiert man die gemeinsamen Projekte mit europäischen Partnern, weil sie uns auch politisch stärken?", so Keller. Das sei alles noch offen.
Für bedeutend halten die Experten es aber auch, dafür zu sorgen, dass das Geld überhaupt zeitnah bei der Bundeswehr ankommt und nicht jahrelange Ausschreibungsverfahren und bürokratische Hürden für weiteren Stau sorgen. "Dafür muss Bürokratie abgebaut werden", ist sich Faber sicher. Die Ampel-Koalition habe sich bereits darauf geeinigt, die "Unterschwellenvergabeverordnung" zu ändern.
Ausschreibungen umgehen
"Wir wollen ermöglichen, dass man Gerät bis zu 5.000 Euro ohne Ausschreibung kaufen kann, anstatt wie bisher nur bis zu 1.000 Euro", erklärt der Politiker. Rund 20 Prozent der Beschaffungsvorgänge bewegten sich in diesem Feld von 1.000 bis 5.000 Euro. "Wenn das direkt gekauft werden kann, wird der Beschaffungsapparat entlastet", meint Faber.
Auch das Verteidigungsministerium selbst spricht davon, "dass das Beschaffungswesen zu modernisieren ist, um die Haushaltsmittel zügig in konkrete Projekte umzusetzen". Dabei gehe es um Effizienz. Für Verteidigungspolitiker Faber bedeutet das, auch Grossprojekte ohne Ausschreibung vorzunehmen. "Andere europäische Staaten machen das bereits und argumentieren mit einem dringlichen Vorgang für das nationale Sicherheitsinteresse", so Faber.
Europäisierung vorantreiben
Wähle man diesen Weg auch in Deutschland, könne man anstatt jahrelanger Ausschreibungen an vielen Stellen bereits jetzt in Vertragsverhandlungen und Bestellungen einsteigen. "Es soll jetzt darum gehen, marktverfügbares und bereits bewährtes Gerät zu kaufen und nicht um neue Entwicklungen", erinnert Faber.
Letztlich gelte es auch, eine Europäisierung der Verteidigungspolitik voranzutreiben. Eine europäische Beschaffung oder ein europäisches Oberkommando gibt es bislang nicht. "Wenn wir eine europäische Rüstungsexportrichtlinie hätten, könnte ein Binnenmarkt auch für Rüstungsexporte entstehen", sagt Faber. Aktuell dauerten Genehmigungen für solche Exporte sehr lange. "Wenn man hier zu einer Harmonisierung käme, dürften die Preise auch sinken und man wäre konkurrenzfähiger", so der Experte.
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