Sie ist vorbei, doch zu den Akten gelegt wird die Geschichte der Roten Armee Fraktion wohl noch lange nicht. Auch drei Jahrzehnte nach dem spektakulären Gerichtsprozess gegen Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt, der am 1. Februar 1984 begann, geben die Anschläge der Terrorgruppe Rätsel auf.
"Big Raushole" nannte die Zweite Generation der Roten Armee Fraktion (RAF) das übergeordnete Ziel ihrer brutalen Aktionen. Führungspersonen aus Politik, Justiz und Wirtschaft sollten entführt werden, um inhaftierte RAF-Mitglieder wie Andreas Baader und Gudrun Ensslin freizupressen. Bis auf eine Ausnahme weigerte sich die Bundesregierung aber, auf den Tauschhandel der Terrorzelle einzugehen. Die von Brigitte Mohnhaupt angeführte "Offensive 1977" kostet daraufhin etliche Menschenleben. Doch wer hat wen ermordet, wer hat sich nur als Mittäter schuldig gemacht?
Weiter Fragen im Mordfall Buback
Generalbundesanwalt Siegfried Buback ist das erste prominente Opfer der Anschlagsserie im April 1977. Nur wenige Monate später folgt die Ermordung des Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto. Im Oktober schliesslich wird der anderthalb Monate zuvor verschleppte Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer tot aufgefunden. Etwa zum selben Zeitpunkt begehen die in Stuttgart-Stammheim einsitzenden Gründungsmitglieder der RAF Selbstmord. Der so genannte "Deutsche Herbst" findet damit ein vorläufiges Ende, während die Drahtzieher Mohnhaupt und Klar weiterhin auf freiem Fuss sind.
Erst im November 1982 können sowohl Mohnhaupt als auch Klar gestellt werden. Am 1. Februar 1984 beginnt der legendäre Prozess gegen die damals 31 und 34 Jahre alten Linksradikalen. Beide werden wegen neunfachen Mordes und zahlreicher Mordversuche schuldig gesprochen und mehrmals zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt. Auf welcher Grundlage das Oberlandesgericht Stuttgart damals teilweise Recht sprach, ist allerdings inzwischen umstritten. Zu unsicher sei die Beweislage etwa im Fall Buback, sagen Historiker wie der RAF-Chronist Wolfgang Kraushaar.
Dass tatsächlich Christian Klar das auf offener Strasse ausgeführte Attentat auf Siegfried Buback verübt haben soll, obwohl RAF-Mitglied Stefan Wisniewski weitaus erfahrener im Umgang mit Schusswaffen war – insbesondere von einem fahrenden Motorrad aus – schürt Zweifel am vermeintlich aufgedeckten Tathergang. Zumindest behauptet der ehemalige Terrorist Peter-Jürgen Boock, dass Wisniewski die Todesschüsse abgefeuert haben muss. Klar selbst macht auch heute noch "keine Angabe" zu den Vorwürfen.
Mohnhaupt und Klar auf freiem Fuss
Juristisch aufgearbeitet scheint dagegen der Fall Jürgen Ponto. Unter falschem Vorwand und mithilfe von Susanne Albrecht gelangen Mohnhaupt und Klar am 30. Juli in Pontos Haus. Als Klar den Bankier überwältigen will, um ihn zu entführen, kommt es zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf Mohnhaupt mehrmalig und aus nächster Nähe auf Ponto schiesst. In der Urteilsverkündung 1985 bezeichnete der Richter Mohnhaupt auch deshalb als "die gefährlichste und bösartigste Frau Deutschlands".
Ende 2007, hat Brigitte Mohnhaupt ihre Mindesthaftzeit verbüsst. Über ihre vorzeitige Entlassung sagte Kraushaar einem Nachrichtenmagazin, es handele sich dabei um einen „ganz normalen rechtlichen Vorgang“. Die Entscheidung sei dem rechtsstaatlichen Prinzip gefolgt, dass jeder das Recht auf Resozialisierung habe. Nach eigenen Angaben ist die von den Medien früher als "ideologische Einpeitscherin" verhöhnte Mohnhaupt mittlerweile nicht mehr politisch aktiv. Laut einem Zeitungsbericht lebt sie unter falscher Identität an einem nicht bekannten Ort. Ihren Unterhalt finanziert sie sich mit Hartz IV.
Der heute 61-jährige Klar kam nach 26 Jahren auf Bewährung frei. Ein 2007 gestelltes Gnadengesuch wurde ihm von Bundespräsident Köhler verweigert. Zuvor war ein "kapitalismuskritisches Grusswort" von Klar an die Rosa-Luxemburg-Konferenz öffentlich geworden. Seitdem hat man wenig von ihm gehört. Zuletzt in Erscheinung getreten ist Klar während eines Verfahrens gegen Verena Becker 2011. Vor Gericht gab er an, als Kraftfahrer zu arbeiten. Seinen Wohnsitz in Berlin-Kreuzberg soll er sich mit einem Ex-Terroristen teilen. Eine Rückfallgefahr besteht nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht.
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