Gerade noch rechtzeitig: 93 Wochen nach dem Urteil im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte hat das Münchner Oberlandesgericht die schriftliche Begründung fertig. Wann die Öffentlichkeit daraus Details erfahren wird, ist völlig offen.
Fast zwei Jahre nach dem Urteil im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte liegen nun die schriftlichen Urteilsgründe vor. Die Urteilsbegründung wurde am Dienstag zu den Akten genommen, wie das Oberlandesgericht München (OLG) mitteilte. Sie umfasst demnach 3025 Seiten und soll den "revisionsführenden Verfahrensbeteiligten" laut Gericht "in Kürze" zugestellt werden. Die Hauptangeklagte Zschäpe war nach dem Mammutverfahren um die Morde und Anschläge der Neonazi-Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" am 11. Juli 2018 zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Damit hat das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl die Frist gewahrt, in der die Begründung laut Strafprozessordnung "zu den Akten gebracht" werden muss. Diese Frist wäre an diesem Mittwoch ausgelaufen, rund 93 Wochen nach dem Urteilsspruch im Juli 2018.
Schon lange ist klar, dass der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil überprüfen muss: Alle Angeklagten beziehungsweise Verteidiger und auch die Bundesanwaltschaft haben Revision eingelegt, letztere aber nur im Hinblick auf das Urteil gegen den Mitangeklagten André E. Auch der Mitangeklagte Carsten S. hatte zunächst Revision eingelegt, diese aber später zurückgezogen - das Urteil gegen ihn ist rechtskräftig. Die anderen haben nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe einen Monat Zeit, die bereits eingelegte Revision zu begründen.
Zu lebenslanger Haft verurteilt
Der NSU war 2011 aufgeflogen: Zschäpe hatte fast 14 Jahre lang mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die Männer neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Sie begingen Sprengstoffanschläge mit vielen Verletzten und mehr als ein Dutzend Raubüberfälle. Mundlos und Böhnhardt nahmen sich dann das Leben.
Zschäpe wurde nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest - damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber so gut wie ausgeschlossen. Lediglich auf die Anordnung anschliessender Sicherungsverwahrung verzichtete das Gericht.
Mit Spannung erwartet wird vor allem, wie das Gericht in der schriftlichen Urteilsbegründung die Rolle Zschäpes als Mittäterin herleitet und begründet. Denn es gibt keinen Beweis, dass Zschäpe an einem der Tatorte war. Die Anklage hatte Zschäpe allerdings eine massgebliche Rolle bei der Tarnung des NSU-Trios zugeschrieben und argumentiert, Zschäpe habe "alles gewusst, alles mitgetragen und auf ihre eigene Art mitgesteuert und mit bewirkt". Dieser Argumentation folgte das Gericht mit seinem Urteil am 11. Juli 2018 - und verurteilte sie als Mittäterin tatsächlich zur Höchststrafe.
Freispruch gefordert
Zschäpes zwei Verteidiger-Teams hatten den Freispruch ihrer Mandantin von allen Morden und Anschlägen gefordert: Diese sei keine Mittäterin, keine Mörderin und keine Attentäterin. Zschäpe hatte in schriftlichen Einlassungen geltend gemacht, sie habe von den Morden und Anschlägen ihrer Freunde immer erst im Nachhinein erfahren.
Die vier Mitangeklagten erhielten ebenfalls Haft- oder Jugendstrafen: Ralf Wohlleben wurde als Waffenbeschaffer des NSU-Trios zu zehn Jahren Haft verurteilt - das Gericht sprach ihn der Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig. Der Mitangeklagte Holger G. wurde wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu drei Jahren Haft verurteilt. Carsten S. erhielt wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen drei Jahren Jugendstrafe. Beim Mitangeklagten André E. blieb das Oberlandesgericht mit zweieinhalb Jahren Haft wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung weit unter der Forderung der Anklage, die auf Beihilfe zum versuchten Mord plädiert hatte. © dpa
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