Der Fall sorgte für Entsetzen in Europa. Eingepfercht in einen Lkw starben im August 71 Flüchtlinge. Ihr Schicksal zeigte die oft todbringende Rolle der Schlepper. Inzwischen liegt der Bericht der Ermittler vor.
27. August 2015: An der Autobahn A4 bei Parndorf im Burgenland werden die Leichen von 71 Flüchtlingen in einem Kühl-Transporter entdeckt.
Monatelang sind Kriminalisten damit beschäftigt, die Identität der Leichen festzustellen. Inzwischen konnten fast alle Opfer eindeutig identifiziert werden, wie die Landespolizeidirektion Burgenland mitteilte.
Sechsköpfige Familie unter den Opfern
Unter den Toten sind 28 Menschen aus dem Irak, 21 aus Afghanistan, 15 aus Syrien und fünf aus dem Iran. Auch eine sechsköpfige afghanische Familie - die Eltern, drei Kinder im Alter von ein bis elf Jahren und ein Cousin - sei erstickt.
Laut Polizei liessen die Umstände und der Zustand der Leichen keine Identifizierung anhand von Fotos oder persönlichem Augenschein zu. Stattdessen konzentrierten sich die Beamten auf Spuren und mögliche Spurenträger. Der Inhalt von Rucksäcken und Taschen wurde katalogisiert und nach Indizien durchsucht. Dank funktionsfähiger Handys konnte Kontakt zu Verwandten und Bekannten aufgenommen werden. Weitere Anhaltspunkte zur Identität lieferten Reisepässe, Dokumente und Briefe.
Angehörige leisteten wichtigen Beitrag
Zur Spurensicherung und Obduktionen wurden sämtliche Informationen über eine unbekannte Leiche in verknüpften Datenbanken zusammengeführt.
Über die eigens eingerichtete Hotline der Landeskriminalabteilung Burgenland gingen zudem unzählige Anfragen und Hinweise ein. Anrufer berichteten, an jenem Tag, an dem die 71 Leichen im LKW gefunden wurden, den Kontakt zu ihren Angehörigen verloren zu haben.
Viele Angehörige leisten einen grossen Beitrag, die Identität der Opfer festzustellen: Sie nehmen in ihren Heimatländern weite Wege in Kauf, um bei einer zuständigen Stelle eine DNA-Probe abzugeben. Manche reisen sogar nach Österreich und nehmen direkt Kontakt mit den Behörden auf.
Überlebenschance gleich null
Die Flüchtlinge hatten nach dem Obduktionsbericht keine Überlebenschance in dem Wagen. Die Luft in dem Transporter habe für die meisten nur für eine halbe bis dreiviertel Stunde gereicht. Unter Umständen sei der Letzte der Eingesperrten - insgesamt waren es 59 Männer, 8 Frauen und vier Kinder - nach drei Stunden gestorben. Es seien keine Panik- oder Kampfspuren gefunden worden, sagte Staatsanwalt Johann Fuchs. "Die Menschen sind sterbend in sich zusammengesunken."
Die meisten Opfer wurden zur Bestattung in ihre Heimat gebracht. 15 Tote, meist aus Afghanistan, wurden auf dem islamischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs bestattet.
Fingerabdrücke und DNA-Spuren führten zu Tätern
Die Ermittler waren sehr schnell auf die Spur der Verdächtigen gekommen. Nach Polizeiangaben waren an dem Transporter Fingerabdrücke und Abdrücke von Handflächen sowie DNA-Spuren zumindest eines Tatverdächtigen gefunden worden.
Mit Unterstützung der Behörden in Bulgarien und Ungarn seien auch die weiteren vier Verdächtigen bald ausfindig gemacht worden. Die Schlepper hatten pro Flüchtling mehrere tausend Euro für den Weg nach Europa kassiert.
Die Männer sitzen in ungarischer in Untersuchungshaft, da die Flüchtlinge laut Ermittlungen auf ungarischem Staatsgebiet gestorben sind. Dort wird auch der Prozess stattfinden.
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