Ruanda hat zu Beginn einer Woche der Trauer des Völkermords vor 30 Jahren gedacht. Am 7. April 1994 begann das Massenmorden in dem ostafrikanischen Land.

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Bei einer Gedenkzeremonie in der Hauptstadt Kigali warf Präsident Paul Kagame der internationalen Gemeinschaft am Sonntag rückblickend vor, Ruanda "im Stich gelassen" zu haben. Im Beisein ausländischer Amts- und Würdenträger, unter ihnen der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, hatte Kagame zuvor eine Flamme an der zentralen Gedenkstätte in Kigali entzündet und Kränze an den dortigen Massengräbern niedergelegt.

Kagame sagte, die Lehren aus dem Völkermord von 1994 seien für die Ruander "mit Blut eingraviert". Die internationale Gemeinschaft habe aus "Gleichgültigkeit oder Feigheit" nicht eingegriffen. Kagame machte seine Äusserungen in einer 10.000 Plätze fassenden Arena in der Hauptstadt. Dort sollte später auch eine Mahnwache für die Opfer stattfinden.

30 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda
Flüchtlinge, die vor dem ethnischen Blutbad im benachbarten Ruanda geflohen sind, tragen am 17. Mai 1994 im Flüchtlingslager Benaco in Tansania, nahe der Grenze zu Ruanda, Wasserbehälter zurück in ihre Hütten. © dpa / Karsten Thielker/AP

Jedes Jahr werden in Ruanda Massengräber entdeckt

Am 7. April 1994 begann in dem ostafrikanischen Land das Massenmorden durch von der damaligen Regierung angestachelte Milizen der Hutu-Volksgruppe. Binnen hundert Tagen wurden mindestens 800.000 Menschen getötet, darunter viele Mitglieder der Tutsi-Volksgruppe sowie moderate Hutu.

Das Morden endete erst, als die Rebellenmiliz RPF unter Führung Kagames die Hauptstadt Kigali einnahm. Seitdem hat Kagame das Land mit harter Hand zu politischer und wirtschaftlicher Stabilität geführt, doch die Wunden der Gewalt bleiben bestehen. Nach wie vor werden jedes Jahr neue Massengräber entdeckt.

Das damalige Versäumnis der internationalen Gemeinschaft ist nach wie vor ein heikles Thema. Ex-Präsident Clinton nannte es einst den grössten Fehler seiner Regierung.

30 Jahre nach dem Völkermord in Ruanda - Clinton in Ruanda
Bill Clinton (M), ehemaliger Präsident der USA, verlässt das Denkmal, nachdem er einen Kranz am Völkermorddenkmal niedergelegt hat. © dpa / Brian Inganga/AP

Der Kommissionsvorsitzende der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, sagte in Kigali, "niemand, auch nicht die Afrikanische Union, kann sich von ihrer Untätigkeit freisprechen". Unter den Gästen waren auch EU-Ratspräsident Charles Michel, der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed, der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, der französische Aussenminister Stéphane Séjourné und der israelische Staatspräsident Isaac Herzog.

Macron: Frankreich erkennt Verantwortung für Massenmord in Ruanda an

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bekräftigte in einer am Sonntag veröffentlichten Videobotschaft seine Aussagen vom Mai 2021, als er zu Besuch in Ruanda war. Er sei gekommen, um die "Verantwortung" Frankreichs für die Massaker "anzuerkennen", hatte Macron damals gesagt. Und: "Wir alle haben Hunderttausende von Opfern in dieser Hölle zurückgelassen." In seiner aktuellen Botschaft resümierte er: "Ich habe dem, was ich Ihnen an jenem Tag gesagt habe, nichts hinzuzufügen und nichts wegzunehmen."

Für den weiteren Verlauf des Sonntags waren in Kigali ein Trauermarsch und eine Mahnwache für die Opfer des Völkermords geplant. Die Veranstaltungen sind der Beginn einer Trauerwoche, während derer Ruanda innehalten wird und die Flaggen auf Halbmast wehen. Musik an öffentlichen Orten oder im Radio ist verboten, Sportveranstaltungen und Filme dürfen nicht im Fernsehen laufen - es sei denn, sie stehen in Verbindung mit "Kwibuka 30", dem offiziellen Namen des Gedenkens.

Die Vereinten Nationen und die AU planen ebenfalls Gedenkveranstaltungen.

In Ruanda gibt es inzwischen mehr als 200 Gedenkstätten für den Völkermord von 1994. Vier von ihnen wurden im vergangenen Jahr in das Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen. Schüler der Sekundarstufe lernen im Rahmen eines streng kontrollierten Lehrplans über den Völkermord.

Ruandische Ausweise führen inzwischen nicht mehr auf, ob jemand Hutu oder Tutsi ist - eine Praxis, die ursprünglich unter belgischer Kolonialherrschaft eingeführt worden war. Zuvor hatten bereits die deutschen Kolonialherren die eher sozialen denn ethnischen Unterschiede zwischen Hutu und Tutsi zu Verwaltungszwecken in einem rassistischen Kastensystem zementiert. (AFP/spl)

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