Im Iran hat der abgelehnte Präsidentschaftsbewerber Ali Laridschani ungewöhnlich offen den mächtigen Wächterrat kritisiert. "Ich hatte gehofft, dass alle zusammen die Probleme des Landes, insbesondere den durch die Sanktionen verursachten wirtschaftlichen Druck auf das Volk, lösen könnten. Aber der Wächterrat hat in meinem Fall dieses Vorhaben mit undurchschaubaren Mitteln verhindert", schrieb Laridschani in einer handschriftlichen Erklärung, die er am Montag auf X teilte. Am Sonntag hatte der Wächterrat die Kandidatur Laridschanis bei der anstehenden Präsidentenwahl Ende Juni abgelehnt.
Der ehemalige Parlamentspräsident und Atomchefunterhändler Laridschani war in politischen Kreisen als Geheimfavorit gehandelt worden, weil er sowohl innerhalb des Systems als auch im Reformlager anerkannt ist. Ihm wurde ausreichend Erfahrung zugeschrieben, um die diversen Krisen im Land zu bewältigen. Ihm wurde zudem zugetraut, die Atomverhandlungen mit dem Westen wieder aufzunehmen. Die haben für das Land oberste Priorität, weil nur über einen neuen Atomdeal die Sanktionen gegen das islamische Land aufgehoben und so die akute Wirtschaftskrise beendet werden könnten.
Der 66 Jahre alte Mathematiker gilt zwar als "Mann des Systems", hat sich aber in den vergangenen Jahren immer mehr von dem erzkonservativen Kurs des Landes distanziert. Mittlerweile wird er als moderat-konservativ eingestuft und als Regierungskritiker auch von der Opposition geachtet. Die kritischen Ansichten des Politikers waren auch der Hauptgrund für seine ideologische Disqualifikation bei der Präsidentenwahl 2021. Laridschani schrieb am Montag weiter, alle Bedenken für seine damalige Ablehnung seien bereits von der Justiz aufgeklärt und aufgehoben und dies auch von der politischen Führung des Landes bestätigt worden. Daher gebe es keinen rechtlichen Grund für seine jetzige Ablehnung.
Die Neuwahl des Präsidenten im Iran ist notwendig, weil der bisherige Amtsinhaber Ebrahim Raisi am 19. Mai bei einem Hubschrauberunglück ums Leben gekommen war. Der Wächterrat hatte am Sonntag eine grosse Mehrheit der Kandidaten von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Das Nachsehen hatten vor allem moderate Politiker und Bewerber aus dem Reformlager. Am 28. Juni gehen insgesamt sechs Kandidaten ins Rennen. © dpa
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