Deutsche Behörden haben Probleme bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. So zumindest steht es in einem Bericht des Bundesinnenministeriums. Die Gründe dafür sind unterschiedlich - von Widerstand der betroffenen Personen oder Aufnahmeverweigerung der Zielländer bis hin zu gesundheitlichen Abschiebungshindernissen. Doch wie läuft eine Abschiebung ab? Welche Umstände verzögern oder verhindern eine Abschiebung? Und warum werden Rückführungen über private Fluglinien geregelt? Ein Überblick.
Ein abgelehnter Asylantrag hat für viele Migranten eine Ausreisepflicht zur Folge. Diese endet nicht selten in einer Abschiebung. Laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung unter Berufung auf das Bundesinnenministerium hätten von Anfang 2015 bis Ende Juni 2016 mehr als 30.000 abgelehnte Asylbewerber Deutschland per Flugzeug verlassen. Doch in einigen Fällen habe das nicht funktioniert. So seien mehr als 600 geplante Abschiebungen über den Luftweg im letzten Moment gestoppt worden. In mehr als 300 Fällen habe es daran gelegen, dass sich die Betroffenen heftig gegen die Rückführung gewehrt hätten. In 160 Fällen hätten sich Piloten geweigert, die Migranten mitzunehmen. In anderen Fällen hätten medizinische Gründe oder die Verweigerung der Zielstaaten eine Abschiebung verhindert.
Was passiert vor einer Abschiebung?
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unterscheidet bei Ablehnung eines Asylantrags zwischen zwei Arten: Es gibt die einfache Ablehnung und die Ablehnung als „offensichtlich unbegründet“. Bei einer einfachen Ablehnung wird der betroffenen Person eine Ausreisefrist von 30 Tagen gesetzt. Bei einer Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ beträgt die Ausreisefrist eine Woche. Erst danach können die Behörden Abschiebungen anordnen. Die Anordnung liegt in der Verantwortung der Ausländerbehörden der jeweiligen Bundesländer. Diese sind auch für die tatsächliche Rückführung der Personen zuständig. Eine Rückführung kann vorübergehend ausgesetzt werden, wenn Hindernisse vorliegen, die bei der Entscheidung des Bundesamtes nicht berücksichtigt werden konnten. In dem Fall wird eine Duldung oder eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Andernfalls hat die Behörde den Ausländer abzuschieben.
Wer wird abgeschoben?
Grundsätzlich sieht das Asylrecht in Deutschland vor, dass jeder Fall im Einzelnen geprüft und gerichtlich entschieden wird. Vor allem Menschen, die aus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ kommen, müssen Deutschland meistens verlassen. Damit sind diejenigen gemeint, die in ihrem Heimatland nicht mit politischer Verfolgung rechnen müssen. Aber auch Ausländer, die eine schwere Straftat begehen, können ausgewiesen werden. Direkt an der Grenze werden Neuankömmlinge bereits zurückgewiesen, wenn sie in der Vernehmung durch die Bundespolizei nicht erklären, dass sie Schutz in Deutschland suchen – oder diejenigen, die nachweislich schon in einem anderen Land Asyl beantragt haben. Beiden Personengruppen kann die Bundespolizei von vornherein die Einreise verweigern.
Wie viele Abschiebungen hat es in den vergangenen Jahren gegeben?
2006 mussten fast 14.000 Menschen ausreisen. Danach sanken die Zahlen wieder – bis zum erneuten Anstieg im Jahr 2013. Waren es 2012 laut Statistik des Bundesinnenministeriums noch rund 7.600 Abschiebungen, mussten in den Jahren 2013 und 2014 mehr als 10.000 Menschen Deutschland wieder verlassen. 2015 waren es fast 21.000. Nach Angaben der "Bild"-Zeitung rechnet Bundesinnenminister Thomas de Maizière in diesem Jahr mit rund 27.000 Abschiebungen. Doch die Zahlen lagen schon einmal deutlich höher: 1994 beispielsweise wurden mehr als 53.000 Menschen abgeschoben.
Was sind die grössten Probleme?
Viele Asylsuchende besitzen keinen Pass oder Personalausweis. In den meisten Fällen lässt sich daher nicht genau ermitteln, aus welchem Land sie stammen und wohin sie zurückgeschickt werden können. Denn vor einer Abschiebung muss die Staatsangehörigkeit geklärt werden oder eine Aufnahmezustimmung des Zielstaates vorliegen. Es gibt die Möglichkeit, Ersatzpapiere zu beantragen - doch das dauert. Denn die Flüchtlingskrise ist auch zu einer Behördenkrise geworden: Nach einem Bericht des Innenministeriums sollen im Juli mehr als 33.000 Migranten allein deshalb in Deutschland geduldet worden sein, weil sie keine Papiere hatten.
Zudem kooperieren nicht alle Herkunftsländer. Mitunter weigern sich die Behörden einfach, ihre eigenen, nach Deutschland gekommenen Bürger wieder aufzunehmen. Nach Angaben der "Welt", die sich auf Unterlagen der Bundesregierung beruft, kooperieren unter diverse afrikanische und einige asiatische Staaten nur unzureichend - und blockieren damit eine Rückführung.
Mitunter können Abschiebungen aus gesundheitlichen Gründen nicht vollzogen werden - weil Ausreisepflichtige erkranken oder ein ärztliches Attest vorlegen können, das ihre Reiseunfähigkeit feststellt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière vermutete laut einem Bericht des „Spiegel“ im Juni diesbezüglich einen hohen Missbrauch von Attesten, die Ärztekammer hatte dies scharf zurückgewiesen.
Was kann Deutschland tun, wenn sich Migranten gegen die Abschiebung wehren?
Häufig leisten abgelehnte Asylbewerber auch unmittelbar vor der Abschiebung Widerstand. Wehrt sich ein Ausreisepflichtiger gewalttätig gegen die Abschiebung, etwa indem er im Flugzeug kurz vor Abflug randaliert, kann eine Begleitung durch einen Bundespolizisten im Flugzeug angeordnet werden.
Besteht ein begründeter Verdacht, dass ein Ausreisepflichtiger „untertauchen“ möchte, um einer Abschiebung zu entgehen, kann ausserdem eine Abschiebehaft gegen ihn verhängt werden. Die kann bis zu 18 Monate dauern. In dieser Zeit soll sichergestellt werden, dass der Betroffene abgeschoben werden kann. Die Abschiebehaft trifft vor allem Migranten, die in Deutschland eine schwere Straftat begangen haben.
Warum werden Abschiebungen über private Fluglinien geregelt?
Weil es gängige Praxis ist und weil die Diskussion um den Einsatz von Bundeswehr-Flugzeugen noch im Raum steht. Da Abschiebungen Ländersache sind, werden sie bislang vor allem mit Linien- und Chartermaschinen durchgeführt. Die Bundeswehr darf im Inland grundsätzlich keine polizeilichen Aufgaben übernehmen. Sie könnte sich höchstens um den reinen Transport kümmern. Ihr Einsatz scheint aber eher unwahrscheinlich. Für private Fluglinien ist das deshalb ein lukratives Geschäft. Laut einem Bericht der „Welt“ von September vergangenen Jahres, der sich auf Informationen eines Insiders beruft, sei beispielsweise am 4. Februar 2014 ein Sammeltransport von Düsseldorf nach Serbien mit einem Air-Berlin-Flugzeug abgehoben. Darin hätten 43 abgeschobene Personen in Begleitung von 35 Bundesbeamten gesessen. Die Flugkosten hätten 45.000 Euro betragen. Insgesamt hätten Sicherheitsmassnahmen dieser Art den Bund im Jahr 2014 gut 2,6 Millionen Euro gekostet.
Was, wenn sich der Flugkapitän weigert, abgelehnte Asylbewerber mitzunehmen?
Der Flugkapitän darf Passagiere aus dem Flugzeug verweisen, wenn er Anzeichen für eine mögliche Beeinträchtigung der Flugsicherheit erkennt. So hat es das Oberlandesgericht Frankfurt 2010 entschieden (Az.: 13 U 231/09). „Wir können trotz der gesetzlichen Beförderungspflicht Passagiere vom Flug ausschliessen, wenn unter anderem zu befürchten ist, dass sie aufgrund ihres Verhaltens oder Zustands eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Ordnung an Bord darstellen, sich oder andere gefährden“, erklärte jüngst ein Sprecher von Lufthansa gegenüber dem „Handelsblatt“. Es gelte auch, wenn ein solcher Transport eine unzumutbare Belastung für die anderen Passagiere oder die Crew darstelle. In den vergangenen 18 Monaten soll es 160 Fälle gegeben haben, in denen Crew oder Fluglinien die Mitnahme von Migranten verweigert haben.
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