Das Schweizer Stimmvolk hat mit 71% der Stimmen entschieden, weiterhin einen Beitrag zur Finanzierung der Medien des Service Public zu leisten. Dies zeigt die jüngste SRG-Hochrechnung, durchgeführt vom Forschungsinsititut gfs.bern. Die neue Finanzordnung wird mit 83% angenommen.

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Wie bereits die letzten Umfragen vor dem Urnengang vermuten liessen, lehnte das Schweizer Stimmvolk die Initiative zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren ab. Alle Kantone waren gegen das Anliegen, weshalb die Vorlage auch am Ständemehr gescheitert ist. Mit 54% lag die Stimmbeteiligung weit über dem Durchschnitt. Es kam auch zu keinen Protestvoten, wie dies etwa im Kanton Tessin erwartet worden war.

Die Volksinitiative "No Billag" – genannt nach der Firma, die bis Ende dieses Jahres die Gebühren eintreibt – verlangte, dass der Bund ab dem 1. Januar 2019 keine Gebühren mehr einzieht. Zudem sollte der Eidgenossenschaft verboten werden, zu Friedenszeiten Radio- und Fernsehsendungen zu finanzieren. Das Volksbegehren stammte aus den Reihen der Jungsektionen der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der bürgerlichen Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen)

Für die Unterstützer der Initiative war das aktuelle Gebührensystem nicht mehr zeitgemäss. In einer Ära von Netflix und Social Media sollten die Menschen frei wählen können, was sie konsumieren, und nicht mehr eine obligatorische Abgabe entrichten müssen, mit der Programme finanziert werden, die sie vielleicht gar nicht konsumieren.

Für die Initianten bedeutete der Vorschlag keineswegs das Ende des medialen Service Public. Dieser könne sich auch über Werbung und Abonnemente finanzieren, betonten sie. Mit der Abschaffung der Billag-Gebühren würde der audiovisuelle Markt freier und konkurrenzfähiger. Und davon profitiere letztendlich auch das Publikum.

"Ja" hätte Ende des Service Public bedeutet

Ganz anders tönte auf der Seite der Gegner der Initiative. In deren Augen hätte eine Annahme des Begehrens das Ende der schweizerischen audiovisuellen Produktion bedeutet. Ausserhalb Zürichs hätte ein Medienhaus in einem so kleinen und fragmentierten Markt wie der Schweiz nicht ohne Staatshilfe überleben können, betonten sie.

Die Gegner schätzten, dass das Ende der Radio- und Fernsehgebühren auch das Ende der Idee einer multikulturellen Schweiz bedeutet hätte. Ohne Staatshilfe wäre es kaum mehr zu einer Medienberichterstattung über periphere oder sprachliche Minderheitengebiete gekommen. Zudem wäre ein Ende der Gebühren auch ein sehr harter Schlag für die Schweizer Kulturszene gewesen – namentlich für den Film.

Nicht zuletzt führten die Gegner ein wirtschaftliches Argument ins Feld: Mit rund 6000 Mitarbeitenden ist die SRG SSR einer der grössten Arbeitgeber der Schweiz. Das Verschwinden dieses Unternehmens hätte deshalb auch zu einem wirtschaftlichen Erdbeben geführt.

Senkung auf 365 Franken

Jeder Haushalt in der Schweiz bezahlt gegenwärtig eine Abgabe für Radio und Fernsehen von 451 Franken pro Jahr. Ab dem 1. Januar 2019 werden es 365 Franken pro Jahr sein. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 500'000 Franken werden je nach Umsatz zwischen 365 und 35'590 Franken pro Jahr bezahlen müssen. Der Höchstsatz wird für Firmen mit einem Umsatz von über einer Milliarde Franken pro Jahr gelten.

Der Grossteil dieser Gebühren wird für den Betrieb der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) eingesetzt. Ein kleiner Teil geht an verschiedene private Radio- und Fernsehstationen, die ebenfalls Leistungen des öffentlichen Service Public erbringen.

Helvetische "Eigenartigkeit"

Auch in anderen europäischen Ländern wird über die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien diskutiert. Deshalb wurde die Kampagne zur Initiative "No Billag" mit grossem Interesse verfolgt.

Das zweite Thema, über das am Sonntag abgestimmt wurde, könnte das Ausland ebenfalls interessieren, aber eher unter dem Titel einer "Eigenartigkeit, die nur in der Schweiz möglich ist".

Es ist weltweit sicher einmalig, dass die Schweizerinnen und Schweizer alle fünfzehn Jahre darüber abstimmen können, ob der Eidgenossenschaft das Recht erteilt werden soll, weiterhin die direkte Bundessteuer und die Mehrwertsteuer (MwSt) zu erheben. Hätte das Stimmvolk allerdings diese Vorlage abgelehnt, wäre der Bund ohne drei Viertel seiner Einnahmen dagestanden und hätte den Grossteil seiner Aufgaben einstellen müssen.

Doch ein solches Katastrophenszenario blieb reine Fiktion: Keine einzige der im Parlament vertretenen Parteien empfiahl, die neue Finanzordnung 2021 abzulehnen.

In den Kantonen
In mehreren Kantonen und Gemeinden werden an diesem Sonntag eigene Abstimmungen durchgeführt. Darunter befinden sich einige Themen von nationalem Interesse.
Zwei Kantone – Schwyz und Freiburg – stimmen über kantonale Initiativen ab, die eine grössere Transparenz bei der Finanzierung von politischen Parteien verlangen. Bei der Bundeskanzlei wurde bereits eine ähnlich lautende Volksinitiative auf nationaler Ebene eingereicht. Die Abstimmungen in den beiden Kantonen gelten deshalb als Testlauf.
Das Stimmvolk der Stadt Genf stimmt über die Initiative "Pour des Fêtes de Genève plus courtes et conviviales" (für ein kürzeres und geselligerer Genfer Fest). Eine Initiative verlangt, dass dieser Grossanlass höchstens sieben Tage dauern darf. Das Fest ist international beliebt, besonders bei Gästen aus den Golfstaaten.
In den Kantonen Bern und Zürich wird über Initiativen abgestimmt, die verlangen, dass die Lehrpläne der Schulen nicht nur durch die Erziehungsdirektionen bestimmt, sondern auch vom Kantonsparlament und dem Stimmvolk abgesegnet werden sollen. Die Lehrpläne – in denen auch das Schuleintrittsalter oder die zu unterrichtenden Sprachen festgelegt werden – führen in der Deutschschweiz regelmässig zu hitzigen Debatten.
Im Kanton Waadt entscheidet das Stimmvolk über eine kantonale Initiative, welche die Einführung einer obligatorischen Zahnversicherung verlangt. In der Schweiz wird die ärztliche Zahnpflege nicht durch die gesundheitliche Grundversicherung abgedeckt, was weniger wohlhabende Bevölkerungsschichten vor finanzielle Probleme stellt.

  © swissinfo.ch

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