Die Schweizer Stimmberechtigten im In- und Ausland befinden dieses Wochenende über drei Vorlagen: die Selbstbestimmungs-Initiative, die Hornkuh-Initiative und eine Gesetzesänderung zur Überwachung von Versicherten. Gemäss letzten Umfragen wird sich das Stimmvolk voraussichtlich weigern, dem Schweizer Recht Vorrang vor dem Völkerrecht einzuräumen.

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Das Klischee einer Schweiz, in der Hornkühe die Königinnen sind, wo ohne Beeinflussung aus den Nachbarländern entschieden wird und Detektive die Versicherten überwachen, kommt am Wochenende bei den nationalen Abstimmungen auf den Prüfstand.

Das Stimmvolk muss drei Fragen beantworten: Soll die Schweizer Bundesverfassung Vorrang vor dem Völkerrecht haben? Sollen Landwirte Subventionen erhalten, wenn sie ihren Kühen die Hörner wachsen lassen? Und sollen Detektive Versicherte ausspionieren dürfen?

"Fremde Richter"

Einen grossen Einfluss auf die internationalen Beziehungen könnte die Selbstbestimmungs-Initiative haben, welche die Souveränität des Landes thematisiert.

Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) ist der Meinung, dass die Landesregierung (Bundesrat) und das Parlament die Ergebnisse der Volksabstimmungen nicht gewissenhaft genug umsetzen, weil sie Verletzungen des Völkerrechts zu vermeiden versuchten.

Damit künftig Entscheidungen des Schweizer Volks Vorrang vor dem Völkerrecht haben, hat sie deshalb die Eidgenössische Volksinitiative "Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungs-Initiative)" lanciert.

Diese will in der Bundesverfassung festhalten, dass die Schweizer Verfassung oberste Rechtsquelle der Schweiz ist – und nicht das Völkerrecht. Die Autoren der Initiative bekräftigen, sie würden damit die direkte Demokratie verteidigen.

Die Regierung, die Mehrheit des Parlaments und der Parteien sowie ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Gegner empfehlen, den Text abzulehnen. Letztere befürchten eine Schwächung der Menschenrechte, die Infragestellung internationaler Verträge, Rechtsunsicherheit und eine Bedrohung des Wirtschaftsstandorts Schweiz.

Die "fremden Richter" scheinen dem Schweizer Stimmvolk keine Angst einzujagen, sagten doch in der letzten Trendumfrage der SRG SSR vor dem Urnengang 61% der Befragten Nein zu der Initiative, 37% waren dafür.

Kuhhörner

"Glücklich das Land, das über die Hörner von Kühen abstimmen kann!", sagte der Soziologe und Ethnologe Bernard Crettaz in einem Interview mit swissinfo.ch.

Auch wenn die zweite nationale Vorlage dieses Wochenendes einen zum Lächeln bringt, ist sie trotzdem eine ernsthafte Sache: Sie thematisiert den Tierschutz und die Grenzen einer immer intensiveren Landwirtschaft.

Abstimmen können die Schweizerinnen und Schweizer über die Initiative "Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)". Diese schlägt vor, dass der Bund die "Halter von Kühen, Zuchtstieren, Ziegen und Ziegenböcken" finanziell unterstützt, "sofern die erwachsenen Tiere Hörner tragen".

Urheber dieses Textes ist Armin Capaul, ein Bergbauer aus dem Kanton Graubünden, der im Berner Jura lebt. Er kämpft gegen die fast systematische Enthornung von Rindern und Ziegen in der Schweiz. Diese sei ein schwerer und schmerzhafter Eingriff, sagt er: Die Hornknospe wird mit einem heissen Eisen verbrannt.

Für Capaul spielen die Hörner auch eine Rolle bei Kommunikation, Verdauung, Pflege und Regulierung der Körpertemperatur. Es sei durchaus möglich, Rinder mit Hörnern im Freilauf zu züchten, es brauche lediglich genügend Platz, damit die Tiere sich ohne Stress und ohne Verletzungsgefahr bewegen könnten.

Auch bei dieser Initiative empfehlen Bundesrat und Parlament ein Nein. Grüne und Sozialdemokraten unterstützen das Anliegen. Die Gegner weisen auf das Risiko von Verletzungen von Tieren mit Hörnern und die freie Wahl der Landwirte hin.

Bei dieser Vorlage scheint noch höchst unklar, wie die Abstimmung ausgehen wird. Die letzte Trendumfrage der SRG SSR zeigte eine Zustimmungsrate von 49% gegenüber 46% Ablehnung.

Überwachung von Versicherten

Schliesslich befinden die Schweizerinnen und Schweizer auch über die Überwachung von Versicherten. Eine Gesetzesänderung soll es den Sozialversicherungen ermöglichen, Privatdetektive dafür zu beauftragen.

So soll ein Detektiv den Auftrag erhalten können, einen Bezüger einer Invalidenrente zu observieren, um festzustellen, ob dieser tatsächlich arbeitsunfähig ist. Dazu soll er auch Bild- und Tonaufnahmen machen dürfen.

Überwachungsmassnahmen hatten bereits die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) und die Invalidenversicherung (IV) ergriffen, um mögliche Missbräuche aufzudecken.

Im Oktober 2016 wurde dieser Praxis allerdings ein Riegel geschoben, als der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) befand, die Versicherungen verfügten nicht über eine gesetzliche Grundlage dafür. Deshalb beschlossen Regierung und Parlament im März 2018 eine Änderung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts.

Eine kleine Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern war damit nicht einverstanden, weshalb sie das Referendum gegen die Gesetzesänderung ergriff. Zwar besteht Einigkeit darüber, dass Missbrauch in den Sozialversicherungen bekämpft werden muss.

Doch die Gegner kritisieren, die Versicherungen könnten mehr Befugnisse als die Polizei erhalten. Linke Politiker kritisierten die Revision im Parlament harsch: Sie sei unverhältnismässig und verstosse gegen Grundrechte und Privatsphäre der Versicherten.

Laut der letzten Trendumfrage der SRG SSR sollte die Gesetzesänderung über Versicherungsdetektive wohl angenommen werden, denn 59% der Befragten hätten der Vorlage zugestimmt, 38% hätten sie abgelehnt.  © swissinfo.ch

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