Seine Milizen verbreiten Angst und Schrecken: Selbst vom mächtigen Al-Kaida-Chef lässt sich Abu Bakr al-Baghdadi, der Anführer der Terrororganisation IS, nichts mehr sagen. Wer ist der Mann, der sich zum Kalifen ernannt hat?
Anfang Juli sorgte ein Video für Aufsehen: Erstmals seit Jahren zeigte sich Abu Bakr al-Baghdadi, Top-Terrorist und selbsternannter Kalif, der Öffentlichkeit. Mit langem Bart, schwarzem Gewand und schwarzem Turban predigte der Anführer der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in einer Moschee im irakischen Mosul. Bis dahin kursierten lediglich zwei verblichene Fotos des "unsichtbaren Scheichs", wie er wegen der Geheimniskrämerei um ihn auch genannt wird.
Dass Baghdadi sein Gesicht so lange verborgen hielt, war vermutlich eine Schutzmassnahme. Inzwischen mag er bereuen, von ihr abgewichen zu sein: Laut Medienberichten soll ein 100-köpfiges Sonderkommando aus CIA-Agenten und US-Spezialkräften Jagd auf den Mann machen, dessen Organisation eine ganze Region in Angst und Schrecken versetzt. Die Terrormiliz IS will den Nahen Osten in ein Kalifat, einen Gottesstaat, verwandeln und ermordet alle, die sich ihnen nicht anschliessen wollen.
Kopfgeld für Abu Bakr al-Baghdadi: Zehn Millionen US-Dollar
Ihren Anführer al-Baghdadi hat das Magazin "Time" unlängst zum gefährlichsten Mann der Welt erklärt. Doch wer verbirgt sich dahinter? Es existieren kaum gesicherte Informationen über den Terrorfürsten. Er wurde 1971 im irakischen Samarra geboren. Eine von Islamisten verfasste Biographie behauptet, Baghdadis Familie stamme direkt vom Propheten Mohammed ab. Zudem hat er angeblich einen Doktortitel in islamischen Religionswissenschaften von der islamischen Universität Bagdad. Abu Bakr al-Baghdadi ist dabei nicht sein richtiger Name, sondern ein Pseudonym, das ebenfalls die Verbindung zum Propheten zeigen soll: Abu Bakr war ein Gefährte Mohammeds und nach ihm der erste Kalif. Den Kampfnamen legte sich Baghdadi 2010 zu, als er zum Führer der Terrororganisation aufstieg.
Seine Radikalisierung begann offenbar schon früh: 2003, nach dem Einmarsch der US-Truppen in den Irak, soll er eine Islamistengruppe mitgegründet haben, die Al Kaida nahe stand. 2004 sass er sogar elf Monate in US-Haft, wurde jedoch wieder entlassen – er galt damals nicht als Bedrohung. Das änderte sich ein paar Jahre später: Seit Oktober 2011 steht Baghdadi auf der Liste der meistgesuchten internationalen Terroristen. Das Kopfgeld: zehn Million Dollar.
Als Anführer von IS hat Baghdadi grossen Anteil am Erfolg der Organisation. Er machte sie zu dem, was sie heute ist. Er habe eine professionellere, militärische Haltung eingeführt, sagte ein Terrorismusexperte dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Ausserdem habe er eine enorme Autorität, da er über eine religiöse Ausbildung verfüge. Dieser Punkt ist zentral und unterscheidet Baghdadi von einem Mann, mit dem er inzwischen oft verglichen wird: Osama bin Laden.
Abu Bakr al-Baghdadi ist Osama bin Laden überlegen
Tatsächlich dürfte al-Baghdadi dem 2011 getöteten Top-Terroristen in theologischer Hinsicht überlegen sein. Gute Religionskenntnisse sind wichtig für einen Gotteskrieger, sein Studium verschafft ihm hohes Ansehen unter seinen Anhängern und hilft ihm, seine Rolle als Kalif zu untermauern. Und auch in der Praxis ist er erfolgreicher: Ende Juni rief Baghdadi offiziell den Islamischen Staat, das Grenzen überschreitende Kalifat, aus – bin Laden war das nie gelungen.
So mächtig fühlt sich Baghdadi, dass er sich inzwischen mit Al-Kaida-Chef Aiman al-Zawahiri überworfen hat. Als dieser 2013 befahl, Baghdadi solle seine Einheiten aus Syrien zurückziehen, weigerte der sich. Seitdem ist seine Organisation scheinbar unaufhaltsam auf dem Vormarsch – und Baghdadi der neue starke Mann der Islamisten.
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