In Polen wurde am Sonntag das Parlament gewählt. Die bisherige Regierungspartei PiS verlor ihre absolute Mehrheit. Eine liberale Regierung unter Donald Tusk ist nun wahrscheinlich.
Am Dienstagmorgen bestätigte das vorläufige amtliche Wahlergebnis, was sich bereits am Sonntagabend abzeichnete: Die PiS-Partei hatte ihre absolute Mehrheit in Polen verloren. Nach den Parlamentswahlen geht sie zwar als Wahlsieger hervor, kann aber voraussichtlich keine Regierung bilden, da sie selbst mit dem einzigen möglichen Koalitionspartner, den Rechtsextremisten der Partei Konfederacja, keine absolute Mehrheit zustande bringen würde.
Damit ist der Anführer der Opposition, Donald Tusk, sehr wahrscheinlich der nächste Regierungschef in Polen. Seine Bürgerplattform wäre rechnerisch in der Lage, mit anderen Parteien zusammen eine Regierung zu bilden. Was würde eine demokratisch-liberale Regierung in Polen für Deutschland und für die EU bedeuten?
Hoffnung auf Pro-Europäer Tusk
Zunächst einmal ist der Wechsel an der Spitze der polnischen Regierung eine richtungsweisende Entscheidung. Donald Tusk ist als ehemaliger Präsident des Europäischen Rates und Vorsitzender der Europäischen Volkspartei ein bekennender Pro-Europäer. Die PiS-Partei hatte ihn daher im Wahlkampf als "Agenten Deutschlands" diffamiert und versucht, ihn und seine Partei zu diskreditieren.
Polen-Experte Peter Oliver Loew, Direktor des Deutschen Polen Instituts, schätzt, dass mit einem Regierungschef Tusk an der Spitze die Blockadehaltung Polens in vielen Europa-Angelegenheiten enden wird. "Die angedachten Reformen der EU können im Dialog mit Warschau weiterentwickelt werden. Auch bietet eine neue Regierung in Warschau Möglichkeiten, die Zusammenarbeit mit der Ukraine neu zu denken", sagt Loew.
Mit einer PiS-Regierung unter Zusammenarbeit mit den Rechtsextremisten der Partei Konfederacja war zuletzt infrage gestanden, ob Polen weiterhin die Ukraine im Verteidigungskrieg gegen Russland unterstützen würde.
Welche Vorteile hätte Polen von einem besseren Verhältnis?
Ein besseres Verhältnis zur EU und zu Deutschland würde auch für Polen weitere Vorteile in Form von finanzieller Unterstützung durch EU-Gelder bedeuten, sagt Loew: "Eine von den liberalen Parteien gebildete polnische Regierung wird versuchen, die Auseinandersetzungen über die Rechtsstaatlichkeit in Polen rasch zu beenden und die Auszahlung der Corona-Hilfsmittel zu ermöglichen." 100 Millionen Euro Hilfsgelder waren eingefroren worden, nachdem die EU die polnische PiS-Regierung wegen derer Massnahmen zum Abbau des Rechtsstaats kritisiert hatte.
Von einer Regierung unter Tusk wird hingegen erwartet, dass sie wieder zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt und die PIS-Massnahmen umkehrt. Das hätte auch Auswirkungen auf die EU: "Polen hatte in den letzten acht Jahren einen schweren Stand in den Europäischen Institutionen. Einen wirklichen Einfluss auf die Entwicklung der EU hatte die PiS-Regierung nicht. Das wird sich ändern - und Polen sollte seine neuen Möglichkeiten nutzen, auch im Interesse Europas: Denn ohne eine gewichtige Stimme der östlichen Mitgliedsstaaten lässt sich die EU nicht fortentwickeln."
Kein Wechsel in der Migrationspolitik
Eine politische Leitlinie würde allerdings auch unter einem Regierungschef Donald Tusk gleich bleiben: Polens migrationskritische Haltung. Tusk hatte angekündigt, dass er dafür sorgen wolle, dass es keine weitere Migrationsbewegung nach Polen gebe. "Die Polen müssen die Kontrolle wiedergewinnen. Über ihren Staat und seine Grenzen", hatte er während des Wahlkampfs erklärt.
Damit würde es auch unter einer liberaleren polnischen Regierung keine Zusammenarbeit für Umverteilung von Geflüchteten auf EU-Ebene geben. "Polen wird in Migrationsfragen weiterhin zurückhaltend sein, sich aber konstruktiv in die Diskussionen einbringen", glaubt Polen-Experte Loew. Allerdings ist auch die Bundesregierung unter Olaf Scholz derzeit auf dem besten Weg, ihre bisher liberalere Flüchtlingspolitik zu revidieren, Hilfen für Geflüchtete zu reduzieren und Kontrollen an den Grenzen zu verstärken. Insofern rückt die deutsche Migrationspolitik in Richtung der polnischen.
Über den Gesprächspartner:
- Peter Oliver Loew ist Direktor des Deutschen Polen-Instituts.
Verwendete Quellen:
- Schriftliche Anfrage an Peter Oliver Loew
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