- Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer bewegt sich viel in sozialen Medien und eckt mit seinen Kommentaren und Posts häufig an.
- In einer Facebook-Diskussion über die Causa "Aogo/Lehmann" zitiert Palmer einen angeblichen Aogo-Ausspruch und sieht sich danach selbst dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt.
- Die Grünen in Baden-Württemberg wollen Palmer nun aus der Partei ausschliessen.
Der Tübinger Oberbürgermeister
Im Zuge der Diskussion mit Facebook-Nutzern griff Palmer am Freitag ein
Zur Begründung verwies er auf einen nicht-verifizierten Facebook-Kommentar, in dem ohne jeden Beleg behauptet worden war, Aogo habe für sich selbst das N-Wort benutzt. Mit dem Begriff N-Wort wird heute eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
Baerbock droht Palmer mit Parteiausschluss
Zahlreiche Nutzer warfen Palmer daraufhin Rassismus vor. SPD-Generalsekretär
Grünen-Kanzlerkandidatin
Palmer habe "deshalb unsere politische Unterstützung verloren. Nach dem erneuten Vorfall beraten unsere Landes- und Bundesgremien über die entsprechenden Konsequenzen, inklusive Ausschlussverfahren".
Grünen-Parteitag in Stuttgart beschliesst Ausschlussverfahren
Der Grünen-Landesparteitag in Baden-Württemberg hat auf Antrag der Basis noch am Samstag darüber entschieden, ob die Partei ein Ausschlussverfahren gegen Palmer einleiten soll. Dabei stimmten 161 Delegierte für ein Ausschlussverfahren, 44 dagegen und 8 enthielten sich.
Beim Parteitag in Stuttgart wurde der Antrag, der eigentlich zu spät gestellt wurde, wegen Dringlichkeit noch zur Abstimmung angenommen. Knapp 20 Grünen-Mitglieder, auch fünf aus dem Kreisverband Tübingen, hatten beantragt, Palmer wegen "rassistischer Äusserungen" aus der Partei auszuschliessen. In der Begründung heisst es: "Das Mass ist voll." Eigentlich wollten die Südwest-Grünen vor allem über den Koalitionsvertrag mit der CDU beraten und abstimmen.
Die Landespartei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahegelegt und ihm ein Ausschlussverfahren angedroht. Schon damals hatte Palmer mehrfach mit provokativen Äusserungen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten. "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären", sagte er in einem Interview.
Aber der Weg bis zu einem Ausschluss ist weit. In der Satzung heisst es:
"Der Ausschluss kann erfolgen, wenn das Mitglied vorsätzlich gegen die Satzung oder Ordnung der Partei verstösst und ihr damit schweren Schaden zugefügt hat. Er wird durch die zuständige Kreisschiedskommission ausgesprochen, wo eine solche nicht vorhanden ist, durch das Landesschiedsgericht. Er kann nur auf Antrag des Vorstandes oder des höchsten Organs einer Gliederung, der das Mitglied angehört, ausgesprochen werden. Gegen einen Ausschluss durch die Kreisschiedskommission kann das Landesschiedsgericht als Berufungsinstanz binnen einer Frist von 30 Tagen ab Bekanntgabe des schriftlichen Beschlusses angerufen werden. Gegen erstinstanzliche Entscheidungen des Landesschiedsgerichts ist Berufung an das Bundesschiedsgericht möglich."
Palmer rechtfertigt sich mit Ironie
Palmer selbst erklärte am Samstag in einem langen Facebook-Statement, er habe eine Debatte mit dem Stilmittel der Ironie ins Groteske überzeichnet.
"Meine Kritik am Auftrittsverbot von Aogo und Lehmann mit Rassismus in Verbindung zu bringen, ist so absurd, wie Dennis Aogo zu einem „schlimmen Rassisten“ zu erklären, weil ihm im Internet rassistische Aussagen in den Mund gelegt werden."
Unter der Überschrift"@Cancel Culture" hatte Palmer bei Facebook zunächst bedauert, dass der frühere Nationalspieler Aogo vorerst nicht mehr als Experte beim Fernsehsender Sky auftreten wird.
Aogo hatte am Dienstagabend im Rahmen einer Champions-League-Übertragung den Ausdruck"Trainieren bis zum Vergasen" verwendet und sich anschliessend für diesen verbalen Fehltritt entschuldigt.
Palmer beklagt "repressives Meinungsklima"
Palmer schrieb dazu und zum Rauswurf von Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann bei Hertha BSC: "
Palmer fügte hinzu:"Nun schaue ich mir das nie an und vielleicht sind Sportler auch nicht immer die besten Kommentatoren. Aber der Furor, mit dem Stürme im Netz Existenzen vernichten können, wird immer schlimmer." Und weiter:"Cancel culture macht uns zu hörigen Sprechautomaten, mit jedem Wort am Abgrund."
Auf dpa-Anfrage zu seiner Wortwahl teilte Palmer am Samstagvormittag mit:"Ich habe Aogo gegen einen unberechtigten Shitstorm in Schutz genommen. Daraus wird durch böswilliges Missverstehen ein Rassismusvorwurf. So wird ein repressives Meinungsklima geschaffen. Ich halte es geradezu für eine Bürgerpflicht, diesem selbstgerechten Sprachjakobinertum die Stirn zu bieten." (hub/dpa)
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