Dass Jörg Meuthen am Samstag als Bundesvorsitzender der AfD bestätigt wird, gilt als ausgemacht. Doch wer wird Nachfolger von Alexander Gauland als Co-Vorsitzender? Die ostdeutschen AfD-Landesverbände fordern mehr Einfluss. Wir stellen die möglichen Kandidaten vor.
Den Notnagel für den "gärigen Haufen", als den er seine Partei einst selbst bezeichnete, will er eigentlich nicht mehr geben. Vor zwei Jahren in Hannover war
Dass diese Situation am kommenden Samstag, wenn die Delegierten auf dem Bundesparteitag der AfD in Braunschweig einen neuen Bundesvorstand wählen, erneut eintritt, ist laut der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unwahrscheinlich.
Bei einem Krisentreffen der Parteispitze am Dienstag sei beschlossen worden, dass der sächsische AfD-Politiker Tino Chrupalla sich zur Wahl stellt. Chrupalla hatte seine Kandidatur am Mittwoch dem "Spiegel" bestätigt.
AfD Sachsen fordert mehr Einfluss
Zuvor hatte die sächsische AfD unter ihrem Vorsitzenden
Meuthen, dessen Wiederwahl als wahrscheinlich gilt, wäre mit der Lösung Chrupalla nicht unglücklich. Eine Zusammenarbeit mit dem thüringischen AfD-Chef
"Sie können nicht auf der Kommandobrücke stehen und in zwei Richtungen fahren", sagte Meuthen am Mittwochabend in der ARD-Talksendung "maischberger. die woche". Die Frage stelle sich aber nicht, weil Höcke nicht für den Vorsitz kandidieren wolle.
Wahl der Personen lässt auf künftigen AfD-Kurs schliessen
Doch das Feld der Bewerber um die zwei Spitzenposten ist in den vergangenen Tagen noch einmal unübersichtlicher geworden. Vor allem der Berliner Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio hat die Planungen mit seiner Last-Minute-Kandidatur noch einmal kräftig durcheinandergewirbelt.
Programmatische Entscheidungen stehen auf dem zweitägigen Bundesparteitag in Braunschweig nicht an. Doch auch daran, wen die Delegierten diesmal in den Vorstand und ins Bundesschiedsgericht wählen, wird sich ablesen lassen, welchen Kurs die Partei der Protestwähler und Migrationsgegner in Zukunft einschlagen wird. Wir stellen die möglichen Kandidaten vor.
Jörg Meuthen
Der 58-Jährige steht seit Juli 2015 an der Spitze der AfD - anfangs als Co-Vorsitzender neben
Dass er so viel Zuspruch erhalten wird wie beim Parteitag in Hannover im Dezember 2017 - damals stimmten 72 Prozent der Delegierten für ihn - gilt allerdings als unwahrscheinlich. Das liegt auch daran, dass er in den vergangenen Monaten etwas auf Distanz zum rechtsnationalen "Flügel" Höckes gegangen war.
Meuthen selbst schätzt, dass sich etwa 30 Prozent der AfD-Mitglieder dem "Flügel" zugehörig fühlen oder mit der Strömung sympathisieren. Vor zwei Jahren trat Meuthen ohne Gegenkandidaten an.
Nicole Höchst
Die 49-Jährige aus Rheinland-Pfalz könnte Meuthen dieses Mal einige Stimmen abjagen. Die Bundestagsabgeordnete betont zwar ihre Unabhängigkeit. Hinter den Kulissen heisst es jedoch, etliche "Flügel"-Anhänger könnten ihr die Stimme geben, um Meuthen einen Denkzettel zu verpassen.
Zu den Themen, mit denen sich die frühere Lehrerin als Abgeordnete beschäftigt, gehören Sexualaufklärung in der Schule und Digitalisierung im Bildungswesen.
Tino Chrupalla
Der 44-Jährige war eine Zeit lang kaum aufzuhalten. Bei der Bundestagswahl 2017 jagte der Malermeister dem heutigen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) in Görlitz das Direktmandat ab. Die Fraktion hat ihn im September als stellvertretenden Vorsitzenden im Amt bestätigt. Zu Gauland hat Chrupalla einen guten Draht. Für den Familienvater aus Sachsen spricht auch, dass Meuthen sagt, er könne sich eine Zusammenarbeit mit ihm gut vorstellen. Denn nach den schlechten Erfahrungen, die man in der AfD mit dem notorisch zerstrittenen Führungsduo Jörg Meuthen/Frauke Petry gemacht hat, gilt ein Mindestmass an Harmonie als wünschenswert.
Chrupalla kann auf die Unterstützung des sächsischen Landesverbandes und des rechtsnationalen "Flügels" bauen. Auch die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, hat erklärt, sie könne sich Chrupalla in einer wichtigen Rolle vorstellen. "Flügel"-Gründer Höcke hatte Ende Oktober auf die Frage nach einer stärkeren Vertretung der Ost-Verbände im neuen Bundesvorstand ausdrücklich auf Chrupalla verwiesen.
Chrupalla: Klimawandel nur ein "Hype"
Seine Verankerung im ländlichen Raum im Osten Sachsens hebt der Vater von drei Kindern gerne hervor. "Sicherlich habe ich durch meine Tätigkeit als Handwerksmeister einen guten Umgang mit Personen, mit allen Bevölkerungsschichten, die es gibt", sagte er im vergangenen Februar dem MDR. "Ich bin bürgernah und weiss auch, woher ich gekommen bin." Geboren im sächsischen Weisswasser machte er zunächst eine Ausbildung zum Maler und Lackierer, dann leistete er Zivildienst ab und später die Meisterprüfung im Freistaat.
Viel politische Erfahrung hat Chrupalla nicht. Als Jugendlicher war er für kurze Zeit in der Jungen Union, nach der Wende wählte er nach eigenen Angaben CDU und FDP. Doch habe ihn die "Arroganz" der etablierten Parteien gestört, die den Mittelstand zu wenig beachteten. Die Eurokrise habe ein "Umdenken" bei ihm ausgelöst: 2014 wählte er die gerade gegründete AfD, 2015 trat er in die Partei ein.
Im Bundestag ist Fraktionsvize Chrupalla Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Den menschengemachten Klimawandel bezeichnet er als "Hype", er wettert gegen die Windkraft und die Grünen. Um die AfD auf 30 Prozent zu bringen, müsse sich die Partei "stärker auf die soziale Frage konzentrieren", sagte er kürzlich dem rechten Magazin "Compact".
Dana Guth
Die 49-Jährige, die wahrscheinlich gegen Chrupalla antreten will, kennt ihren Konkurrenten aus Sachsen noch nicht persönlich. Die Fraktionsvorsitzende der AfD im niedersächsischen Landtag wird innerparteilich dem Lager der Gemässigten zugerechnet.
Ihr Handicap ist, dass die Ost-Verbände nach den zurückliegenden Landtagswahlen für den Osten mehr Macht im Bundesvorstand reklamieren. Allerdings stammt auch Guth aus dem Osten, ist in der DDR geboren.
Gottfried Curio
Der 59-Jährige hat seine Kandidatur für den Vorsitz erst eine Woche vor dem Parteitag angekündigt. Dem Vernehmen nach will der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion nicht gegen Meuthen antreten, sondern auch gegen Chrupalla kandidieren. Im Gegensatz zu ihm verfügt Curio nicht über ein dichtes Netzwerk persönlicher Kontakte in der Partei.
Anders als bei Chrupalla hat sich bislang auch keiner der bekannten Spitzenpolitiker der Partei hinter seine Kandidatur gestellt. Allerdings: Curio hat es durch seine stets im harten Stakkato vorgetragenen Bundestagsreden zu Migrationsthemen zu bundesweiter Bekanntheit gebracht. Von Anhängern der AfD wird der Physiker und Komponist dafür regelrecht gefeiert.
Alexander Gauland
Der 78-Jährige bleibt der Joker in diesem Spiel. Er wird zwar nicht mehr für den Vorstand kandidieren. Sollte sich Chrupalla jedoch nicht durchsetzen und erneut eine Patt-Situation wie bei dem Bundesparteitag vor zwei Jahren in Hannover entstehen, könnte er womöglich doch noch antreten. (hub/afp/dpa)
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