Einige Politiker fordern, die AfD vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Was genau heisst das? Und welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein?

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Ein Landesvorsitzender hat möglicherweise Verbindungen zur rechtsextremen "Heimattreuen Deutschen Jugend", ein anderer Landeschef bezeichnet Türken als "Kameltreiber": Die AfD gerät immer wieder mit radikalen Äusserungen oder wegen Kontakten zu extremistischen Gruppen in die Schlagzeilen.

Politiker wie der neue Grünen-Chef Robert Habeck fordern inzwischen, dass der Verfassungsschutz die Partei ins Visier nehmen soll - und auch die Behörden der Länder drängen das zuständige Bundesamt offenbar zu einem solchen Schritt. Wie genau könnte der aussehen?

Verfassungsschutz entscheidet selbst, wer beobachtet wird

Die Arbeit des Verfassungsschutzes regelt ein spezielles Bundesgesetz. Demnach hat die Behörde die Aufgabe, "sach- und personenbezogene Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen" zu sammeln und auszuwerten - und zwar solche, die "Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung" zum Ziel haben.

Der Verfassungsschutz kann dafür entweder ganze Organisationen oder einzelne Personen beobachten. Dass jemand extremistische Schriften liest, ist kein ausreichender Grund für eine Beobachtung. Es muss vielmehr die Gefahr bestehen, dass extremistische Aktivitäten geplant werden.

Die Entscheidung, wer beobachtet wird, trifft der Verfassungsschutz selbst. Allerdings untersteht die Behörde dem Bundesinnenministerium und wird vom Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages kontrolliert.

Immer wieder waren und sind auch Parteien betroffen. Die gesamte Linkspartei wurde bis 2012 beobachtet. Die Kommunistische Plattform innerhalb der Linken stufen mehrere Landesbehörden weiterhin als extremistisch ein.

In den 80er Jahren hatte der Inlandsgeheimdienst Grünen-Politiker im Visier. 2012 wurde bekannt, dass der niedersächsische Verfassungsschutz über ein Mitglied im erweiterten Grünen-Landesvorstand in Niedersachsen Informationen sammelte. Komplet überwacht wird seit Jahren die rechtsextreme NPD.

Beobachtung und Überwachung - zwei verschiedene Dinge

Beobachtet. Überwacht. Was im Sprachgebrauch oft gleichgesetzt wird, beschreibt unterschiedliche Vorgehen. "Es gibt unterschiedliche Eingriffsgrade des Verfassungsschutzes", erklärt Steffen Kailitz, Politikwissenschaftler am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung der Technischen Universität Dresden.

Der erste Schritt ist die Beobachtung. Die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sammeln dann Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen: Pressemitteilungen, Äusserungen auf Veranstaltungen, Einträge in sozialen Medien und so weiter.

"Laut Bundesverfassungsgericht sind nicht nur die Positionen der Gesamtpartei für die Einschätzung relevant, sondern auch von einzelnen Gruppierungen. Auch die Aussagen einzelner Landesverbände muss sich eine Partei zuschreiben lassen", erklärt Steffen Kailitz.

Nur wenn dieser Weg nicht ausreicht, kann die Behörde zu weitergehenden Mitteln greifen: Sie kann etwa heimlich die Kommunikation innerhalb der Partei überwachen oder V-Leute einschleusen - so wie das bei der NPD geschehen ist.

Grünen-Chef Habeck forderte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, dass auch die AfD "überwacht" wird. Streng genommen wären damit diese weitergehenden Massnahmen gemeint.

Der Einsatz von verdeckten Ermittlern steht im Fall der AfD nach Einschätzung von Steffen Kailitz derzeit aber nicht zur Debatte. "Bei der AfD geht es ausschliesslich um die Auswertung von öffentlich zugänglichen Materialien."

In mehreren Bundesländern wie Bayern und Baden-Württemberg haben die Landesbehörden übrigens bereits AfD-Politiker im Visier.

Experte hält Beobachtung für notwendig

Die AfD oder Teile davon vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachten zu lassen, lehnt dessen Präsident Hans-Georg Maassen bisher aber ab. "Eine Einflussnahme oder gar Steuerung der Partei durch Rechtsextremisten ist derzeit nicht erkennbar", erklärte die Behörde im Februar auf eine Anfrage der Deutschen Welle.

Politikwissenschaftler Kailitz sieht das etwas anders. Vertreter der völkisch-nationalen Gruppierung "Der Flügel" wie die Landeschefs von Thüringen und Sachsen-Anhalt, Björn Höcke und André Poggenburg, hätten grossen Einfluss in der Partei.

"Ich halte eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vor allem in den östlichen Landesverbänden für dringend notwendig, weil hier inzwischen der rechtsextreme Teil dominiert", so Kailitz.

Zu bedenken ist, dass die Frage auch eine politische Dimension hat: Vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden, mag ein Makel sein. Direkte Folgen hätte der Schritt für die Partei selbst aber nicht. Sie könnte jedoch versuchen, politisches Kapital aus ihrer Aussenseiterrolle zu schlagen.

Gerade in Sachsen würde der grosse Zuspruch, den die AfD hat, den Schritt besonders heikel machen.

"Es wäre für einen Innenminister leicht zu sagen, dass eine rechtsextreme Partei mit nur wenigen Prozentpunkten vom Verfassungsschutz beobachtet wird", sagt Experte Kailitz. "Die AfD ist aber bei den Bundestagswahlen in Sachsen die stärkste Partei geworden. Und es gibt in der sächsischen Bevölkerung mithin einen grossen Teil, der die AfD gewählt hat oder sie zumindest nicht als Problem ansieht. "

Die Sorge, dass die gesellschaftliche Polarisierung mit einer Beobachtung eher noch zunehme, scheint berechtigt.

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