• 16:22 Uhr: ➤ US-Regierung: Gefahr von IS-Anschlag am Flughafen Kabul
  • 13:50 Uhr: Umfrage: Mehrheit für Aufnahme verfolgter Afghanen in Deutschland
  • 11:40 Uhr: Medien: Deutsche Botschaft in Kabul beschloss Evakuierung offenbar auf eigene Faust
  • 09:10 Uhr: Sieben Menschen im Gedränge am Flughafen Kabul gestorben
  • 04:32 Uhr: Deutschland hat Rüstungsgüter für 419 Millionen Euro nach Afghanistan exportiert
  • 00:00 Uhr: Bundeswehr: Mehr als 2.130 Menschen aus Kabul evakuiert

Mehr News zu Afghanistan finden Sie hier

➤ US-Regierung: Gefahr von IS-Anschlag am Flughafen Kabul

Die US-Regierung hat Medienberichte über die Gefahr eines Anschlags der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul oder in der Umgebung bestätigt. "Die Bedrohung ist real, sie ist akut, sie ist anhaltend", sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag im Sender CNN. "Wir arbeiten intensiv mit unseren Geheimdiensten zusammen, um herauszufinden, woher ein Angriff kommen könnte." Man nehme die Warnungen "absolut todernst". Die militant-islamistischen Taliban und der regional aktive Zweig des IS sind verfeindet und haben in der Vergangenheit gegeneinander gekämpft.

Die Taliban hatten vor einer Woche die Macht in Afghanistan übernommen. Auch eine Woche später ging die US-Regierung bei ihrer Evakuierungsmission von Tausenden amerikanischen Staatsbürgern in Afghanistan aus. "Wir haben mit einigen Tausend Amerikanern Kontakt aufgenommen", sagte Sullivan. "Und wir arbeiten hart daran, mit jedem dieser Menschen und jeder ihrer Familien Pläne zu machen, um sie sicher zum Flughafen zu bringen." Man arbeite unermüdlich daran, auch die afghanischen Unterstützer des US-Einsatzes aus dem Land herauszubringen.

Sullivan sagte, die Szenen ausserhalb des Flughafens seien herzzerreissend. "Wir arbeiten jede einzelne Minute, jede einzelne Stunde, jeden einzelnen Tag daran, so viel Ordnung und Sicherheit wie möglich herzustellen." Auch Amerikaner hätten Schwierigkeiten, durch das Chaos ausserhalb des Flughafens zu gelangen. "Das ist eine logistische Herausforderung, an der wir in den letzten 72 Stunden gearbeitet haben. Wir glauben jetzt, dass wir alternative Methoden haben, um die Amerikaner zum Flughafen zu bringen." Sullivan machte keine Angaben dazu, um welche Methoden es sich handeln könnte.

Sullivan sagte, die USA hätten in den vergangenen 24 Stunden 3900 Menschen mit Militärflugzeugen ausgeflogen. Weitere 3900 Menschen seien von "Partnern" mit Flügen in Sicherheit gebracht worden.

Die weiteren Afghanistan-News des Tages:

Bundeswehr hat weitere 180 Menschen aus Kabul ausgeflogen

16:32 Uhr: Die Maschine des Typs A400M sei auf dem Weg in die usbekische Hauptstadt Taschkent, schrieb die Bundeswehr am Sonntagnachmittag bei Twitter. Sie hob demnach um 14.33 Uhr deutscher Zeit in Kabul ab.

Damit hat die Bundeswehr eigenen Angaben zufolge nun mehr als 2500 Menschen aus dem Konfliktgebiet gebracht. In einem weiteren Tweet hiess es, dass der nächste Flieger bereits auf dem Weg in Richtung Kabul sei, um weitere Menschen aus Afghanistan zu fliegen.

US-Regierung verpflichtet Airlines zur Unterstützung bei Evakuierung

15:15 Uhr: Die US-Regierung aktiviert in einem seltenen Schritt die zivile Luftreserve und verpflichtet kommerzielle Fluggesellschaften zur Unterstützung der Evakuierungsmission in Afghanistan. Betroffen von der Anordnung seien insgesamt 18 Flugzeuge von 6 US-Airlines, teilte das Pentagon am Samstag mit. Diese Maschinen sollten nicht den Flughafen in Kabul ansteuern, sondern für den Weitertransport von Evakuierten aus Zwischenstationen eingesetzt werden. Damit würden Kapazitäten von Militärflugzeugen entlastet, die für die Luftbrücke von und nach Kabul genutzt werden könnten.

Die USA fliegen schutzsuchende Afghanen zunächst in andere Länder aus, bevor sie weiter in die Vereinigten Staaten reisen können. Zu den Transitländern gehören beispielsweise Deutschland und Katar. Das Pentagon teilte am Samstag mit, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin "schätzt die Unterstützung unserer Industriepartner bei dieser wichtigen Aufgabe sehr". Die 18 für den Einsatz vorgesehenen Flugzeuge stammten aus den Flotten von American Airlines, Atlas Air, Delta Air Lines, Omni Air, Hawaiian Airlines und United Airlines.

Wie viele Amerikaner und afghanische Unterstützer des US-Einsatzes die US-Regierung in Sicherheit bringen muss, ist unklar. US-Präsident Joe Biden sprach zuletzt von etwa 50.000 bis 65.000 Helfern einschliesslich ihrer Familien. Nach Pentagon-Angaben vom Samstag flogen die US-Streitkräfte seit Beginn der Evakuierungsmission eine Woche zuvor rund 17.000 Menschen aus Kabul aus. Auch andere Staaten wie Deutschland oder Grossbritannien bringen Menschen in Sicherheit.

Das Zeitfenster für weitere Evakuierungen aus Kabul wird allerdings immer kleiner. Die USA wollen eigentlich zum 31. August den Abzug ihrer Truppen abschliessen. Eine Fortführung des Evakuierungseinsatzes ohne die USA gilt als ausgeschlossen.

Die zivile Luftreserve (CRAF) wurde 1952 nach der Berliner Luftbrücke geschaffen. Die Westalliierten hatten während der sowjetischen Berlin-Blockade vom 24. Juni 1948 bis 12. Mai 1949 per Flugzeug Hilfsgüter in den von der Aussenwelt abgeriegelte Westteil Berlins gebracht. Damals versorgten Amerikaner, Briten und Franzosen mehr als zwei Millionen Berliner mit fast 280 000 Flügen und schickten unter anderem Lebensmittel und Kohle. Nach Pentagon-Angaben wurde die Reserve erst zwei Mal aktiviert, jeweils im Rahmen der Irak-Kriege Anfang der 1990er und der 2000er-Jahre.

Niederlande verstärken militärischen Rettungseinsatz in Afghanistan

14:50 Uhr: Die Niederlande verstärken ihren militärischen Rettungseinsatz in Afghanistan. Dafür seien am Sonntag weitere Soldaten nach Kabul aufgebrochen, teilte das Verteidigungsministerium in Den Haag mit. Sie sollen die 62 bereits vor Ort eingesetzten Militärangehörigen bei der Evakuierungsaktion unterstützen. Zu den Aufgaben gehöre der Schutz von Flugzeugen, von Evakuierten sowie des konsularischen Notfallteams, das unter Leitung des niederländischen Botschafters Ausreisen organisiert.

Zur Anzahl der zusätzlich entsandten Militärs machte das Ministerium keine Angaben. In der zurückliegenden Woche hatten die Niederlande zwei Flugzeuge nach Kabul geschickt, wo seit der Machtübernahme der Taliban Tausende Menschen über den Flughafen zu flüchten versuchen.

Am Samstag wurden nach Angaben des Senders NOS unter Berufung auf das Aussenministerium 207 afghanische Mitarbeiter der Botschaft sowie Familienmitglieder in die Niederlande geflogen. Damit hätten nahezu alle afghanischen Ortskräfte der Botschaft das Land verlassen.

Umfrage: Mehrheit für Aufnahme verfolgter Afghanen in Deutschland

Fast zwei Drittel der Bundesbürger sind nach einer Online-Umfrage dafür, bedrohten Menschen aus Afghanistan Schutz in Deutschland zu gewähren. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprachen sich 63 Prozent der rund 1.000 Befragten dafür aus, dass die Bundesregierung Verfolgten helfen sollte. Gefragt wurde hier zum Beispiel nach Frauen und politisch Verfolgten. 37 Prozent der Interviewten votierten dabei mit "Ja", 26 Prozent mit "Eher ja".

27 Prozent waren gegen die Aufnahme von Menschen aus Afghanistan. 14 Prozent antworteten auf diese Frage mit "Nein", 13 Prozent mit "Eher Nein". In Auftrag gegeben hat die Umfrage die Hilfsorganisation Seebrücke. Die Ergebnisse sind nach Angaben von YouGov repräsentativ für Bundesbürger ab 18 Jahren. Die Befragung lief am vergangenen Donnerstag und Freitag.

Danach lehnten 64 Prozent der Befragten Abschiebungen Verfolgter oder Gefährdeter nach Afghanistan ab. Diese wären rechtlich aber ohnehin nicht zulässig. Zuletzt wurden nach Regierungsangaben noch männliche Straftäter oder Terrorgefährder abgeschoben, inzwischen sind Abschiebungen dorthin ganz ausgesetzt.

84 Prozent glaubten, dass afghanischen Bürgern nach der Machtübernahme der Taliban aufgrund von politischen Ansichten, Geschlecht, sexueller Orientierung oder religiöser Zugehörigkeit Verfolgung droht.

In mehreren deutschen Städten wird an diesem Wochenende für eine Luftbrücke aus Afghanistan demonstriert. Unter dem Motto "Holt die Menschen raus" protestierten am Samstag auf dem Frankfurter Paulsplatz nach Angaben der Polizei rund 500 Menschen für sichere Fluchtwege und eine direkte Aufnahme von Menschen durch Deutschland. Für Sonntagmittag wurde auch zu einer Demonstration am Kanzleramt aufgerufen.

Taliban machen USA für Chaos am Kabuler Flughafen verantwortlich

13:24 Uhr: Die radikalislamischen Taliban haben die US-Streitkräfte für die chaotischen Szenen am Kabuler Flughafen verantwortlich gemacht. "Amerika, mit all seiner Macht und seinen Möglichkeiten", habe es nicht geschafft, "Ordnung auf dem Flughafen zu schaffen", sagte der hochrangige Taliban-Beamte Amir Chan Mutaki am Sonntag. "Im ganzen Land herrscht Frieden und Ruhe, nur am Flughafen von Kabul herrscht Chaos", fügte er hinzu.

Im Gedränge vor dem Flughafen in der afghanischen Hauptstadt kamen nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums vom Sonntag bereits sieben Afghanen ums Leben. Demnach versammelten sich erneut tausende Menschen vor dem Flughafen, um das Land nach der Machtübernahme der Taliban zu verlassen. Ein Sprecher bezeichnete die Bedingungen vor Ort als "nach wie vor äusserst schwierig".

Die US-Botschaft in Kabul hatte am Samstag auf ihrer Internetseite gewarnt: "Aufgrund potenzieller Sicherheitsbedrohungen vor den Toren des Flughafens Kabul raten wir US-Bürgern, derzeit nicht zum Flughafen zu reisen und die Tore des Flughafens zu meiden." Auch das Auswärtige Amt in Berlin beschrieb die Situation am Flughafen am Samstag als "gefährlich" und "volatil" und warnte davor, zu dem Airport zu kommen.

Bundeswehr fliegt weitere 196 Menschen aus Kabul aus

12:26 Uhr: Eine Transportmaschine A400M sei am Sonntag um 11.19 Uhr (MESZ) vom Flughafen der Haupstadt Kabul in Richtung Usbekistan gestartet, teilte das Einsatzführungskommando via Twitter mit. "Die Lage dort ist nach wie vor sehr schwierig. Es wird alles getan, so viele Schutzbedürftige wie möglich pro Flug nach Taschkent auszufliegen." Insgesamt dürfte die Bundeswehr nach eigenen Zahlen nun mehr als 2300 Menschen evakuiert haben.

Mehrere Militärtransporter der Bundeswehr pendeln zwischen Kabul und Taschkent, von wo aus die Evakuierten ihren Weiterflug nach Deutschland antreten sollen. Zuvor hatte ein in Kabul gestarteter A400M lediglich 20 Menschen in die usbekische Hauptstadt bringen können.

Die geringen Zahlen können etwa darin begründet sein, dass es wegen der chaotischen Menschenmassen rund um den Flughafen nicht genügend Schutzpersonen bis hinein schaffen und rechtzeitig abgefertigt werden und die Maschinen nur sehr eng getaktete Zeitfenster für den Start bekommen.

Medien: Deutsche Botschaft in Kabul beschloss Evakuierung offenbar auf eigene Faust

11:40 Uhr: Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan sollen die Verantwortlichen der deutschen Botschaft in Kabul ihre Evakuierung einem Medienbericht zufolge auf eigene Faust eingeleitet haben. Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf mehrere mit den Vorgängen vertraute Menschen berichtete, habe die Bundesregierung Warnungen vor Ort zunächst nicht ernst genug genommen.

Der Entschluss zur Evakuierung wurde der Zeitung zufolge am vergangenen Sonntag um kurz vor 12.30 Uhr (Ortszeit) eigenständig in Kabul gefasst. Wenig später sei die Evakuierung angeordnet worden – auf eigene Faust. Erst danach habe der Vize-Botschafter eine E-Mail mit der Bitte um Freigabe ans Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amts geschickt.

Das Auswärtige Amt sagte der "Welt am Sonntag" hingegen, man habe immer einvernehmlich mit der Botschaft gehandelt. Über das Wochenende habe man in "engstem Kontakt" über die Evakuierungsvorbereitungen gestanden. Am Freitag sei auch die Einschätzung der Botschaft so gewesen, dass zwar die Sicherheit nicht mittel- oder langfristig zu gewährleisten sei, kurzfristig aber schon.

Während die Vorbereitungen zur Evakuierung bereits liefen, seien die "Zeitlinien dafür am Samstag durch die rapide Verschlechterung der Lage immer kürzer" geworden. Als die Botschaft am Sonntag um die sofortige Evakuierung gebeten habe, habe man "unverzüglich grünes Licht" gegeben.

Britische Regierung will Rettungsflüge auch nach dem 31. August

11:23 Uhr: Die britische Regierung setzt sich dafür ein, die Rettungsmission aus Afghanistan über den 31. August hinaus zu verlängern. "Vielleicht dürfen die Amerikaner länger bleiben, dann werden sie unsere volle Unterstützung haben, wenn sie das tun", schrieb der Verteidigungsminister Ben Wallace am Sonntag in einem Gastbeitrag in der "Mail on Sunday". US-Präsident Joe Biden hatte bislang das Ziel ausgegeben, die Evakuierungen bis Ende des Monats abzuschliessen und sich bislang nicht auf eine Verlängerung festlegen wollen. Die britische "Times" hatte bereits am Samstag unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, dass London sich in Washington dafür stark machen will, den Einsatz auszuweiten.

"Die Zeit läuft unaufhaltbar ab. Ich habe schon die ganze Zeit gesagt, kein Land wird in der Lage sein, jeden aus dem Land zu kriegen", schrieb Wallace in seinem Beitrag. "Wenn es bei dem US-Zeitplan bleibt, haben wir keine Zeit zu verlieren, die Mehrheit der Wartenden herauszubringen." Es sei eine grosse Herausforderung für die militärischen Kräfte vor Ort, das Gedränge vor dem Flughafen zu koordinieren, beschrieb der Minister. Zuvor hatte sein Ministerium den Tod von sieben afghanischen Zivilisten im Gedränge bestätigt.

Die USA und ihre Verbündeten versuchen derzeit, so viele ihrer Staatsbürger sowie afghanische Ortskräfte wie möglich aus dem Land auszufliegen. Viele schaffen es jedoch gar nicht, den Flughafen zu erreichen, weil sie an Checkpoints der Taliban zurückgewiesen werden.

Berichte: Mehrere Kinder am Flughafen Kabul vermisst

10:13 Uhr: Im Gedränge der Tausenden Menschen am Flughafen Kabul in Afghanistan sind nach Berichten örtlicher Medien mehrere Kinder verloren gegangen. So kümmert sich einer Reportage des Fernsehsenders Ariana News zufolge eine Familie aus der Hauptstadt seit einer Woche um ein Kind im Grundschulalter, das es am Flughafen im Stacheldraht festhängend gefunden hatte. Bis heute seien die Eltern trotz vieler Bemühungen nicht auffindbar, sagte die Familie.

Der etwa sechs Jahre alte Junge habe gesagt, er sei mit den Eltern zum Flughafen gefahren, um das Land zu verlassen. Sein Vater sei vorgegangen, dann sei er selbst aber hingefallen. Kurz darauf habe er beide Elternteile nicht mehr sehen können. Auch lokale Journalisten berichteten in sozialen Medien, dass Menschen Fotos von vermissten Kindern am Flughafen anbringen.

In Kabul herrschen seit rund einer Woche chaotische Zustände am Flughafen. Tausende verzweifelte Menschen hoffen auf einen Platz in einem Flugzeug, um nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban aus dem Krisenstaat zu fliehen. Aktuell werden vom Flughafen lediglich Evakuierungsflüge durchgeführt.

Sieben Menschen im Gedränge am Flughafen Kabul gestorben

09:10 Uhr: In Kabul sind im Gedränge rund um den Flughafen nach Angaben der britischen Regierung sieben Menschen ums Leben gekommen. "Unsere Gedanken sind bei den Familien von sieben afghanischen Zivilisten, die tragischerweise in der Menge in Kabul gestorben sind", hiess es am Sonntag in einem Statement des Verteidigungsministeriums.

Zuvor hatte bereits ein Korrespondent des britischen Senders Sky News von chaotischen Szenen vor den Toren des Flughafens berichtet, bei denen Menschen am Samstag "gequetscht" worden seien. Viele seien dehydriert und verzweifelt gewesen. Seinem Bericht zufolge konnten Sanitäter bei mehreren Menschen keine Lebenszeichen mehr feststellen, woraufhin diese in weisse Tücher gehüllt wurden.

Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan versuchen täglich zahlreiche Afghanen und ausländische Staatsbürger, sich Zutritt zum Flughafen der Hauptstadt zu verschaffen, um mit einem der Evakuierungsflüge dem Land zu entkommen. Die deutsche und die amerikanische Botschaft in Kabul rieten ihren Staatsbürgern am Samstag von Versuchen ab, den Flughafen zu erreichen.

Humanitäre Helfer wollen grossteils in Afghanistan bleiben

07:00 Uhr: Der Grossteil der humanitären Helfer will seine Arbeit in Afghanistan auch nach der Machtübernahme der Taliban fortsetzen. Alle Organisationen der Vereinten Nationen (UN), wie etwa das Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), wollen nach Informationen der "Welt am Sonntag" weiter in dem krisengebeutelten Land bleiben. Nach Angaben des UN-Informationsbüros in Genf handle es sich dabei um etwa 300 ausländische und rund 3000 einheimische Mitarbeiter. "In vielen Provinzen wurden wir von den Taliban gebeten, dass wir bleiben und unsere nachweislich erfolgreiche Arbeit für Kinder fortsetzen", so das Kinderhilfswerk Unicef gegenüber der Zeitung.

Laut Einschätzung des UN-Büros in Kabul in dem "WamS"-Bericht wollen auch die meisten der über 150 nichtstaatlichen Hilfsorganisationen (NGOs) vor Ort bleiben. Dies betreffe mehrere Tausend Mitarbeiter.

Nach Angaben von Unicef würden - unabhängig von den politischen Entwicklungen - bereits fast zehn Millionen Mädchen und Jungen in Afghanistan humanitäre Hilfe benötigen.

Das Welternährungsprogramm (WFP) habe alleine in dieser Woche 80.000 Menschen mit Essen versorgen können. Insgesamt konnten 400.000 Flüchtlinge innerhalb des Landes verpflegt werden, so die Organisation gegenüber der dpa. Aktivitäten der Organisation mussten in einigen Gegenden kurzzeitig wegen Kämpfen und Gewalt unterbrochen werden. Die Hilfslieferungen sollen nach Angaben einer Sprecherin kommende Woche wieder fortgesetzt werden.

Deutschland hat Rüstungsgüter für 419 Millionen Euro nach Afghanistan exportiert

04:32 Uhr: Die Bundesregierung hat seit Beginn des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan vor knapp 20 Jahren den Export von Kriegswaffen und anderen Rüstungsgütern für mehr als 400 Millionen Euro in das Land genehmigt. Der weitaus grösste Teil wurde an die Streitkräfte der Nato-Verbündeten, an Botschaften oder an die Vereinten Nationen geliefert, darunter Panzer, gepanzerte Fahrzeuge sowie Handfeuerwaffen wie Gewehre und Maschinenpistolen. An afghanische Sicherheitskräfte ging nur ein geringer Teil. Das geht aus den jährlichen Rüstungsexportberichten der Regierung und einer aktuellen Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der ab 2003 von der Nato geführte Einsatz internationaler Truppen in Afghanistan hatte Ende 2001 nach der verheerenden Anschlagsserie mit mehr als 3000 Toten am 11. September desselben Jahres begonnen. Von Anfang an waren Bundeswehrsoldaten dabei.

Seit Anfang 2002 bis heute wurden Rüstungsexporte für 418,8 Millionen Euro in das zentralasiatische Land genehmigt. Die letzten Ausfuhrerlaubnisse wurden noch in diesem Jahr erteilt: Es ging um besonders geschützte Geländewagen für die Nato und den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Wert von zusammen 2,8 Millionen Euro. Nach einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen war Afghanistan noch in dieser Legislaturperiode mit 29,8 Millionen Euro unter den zehn grössten Empfängern deutscher Rüstungsgüter unter den Entwicklungsländern.

Nur ein kleiner Teil der Exporte ging an afghanische Sicherheitskräfte oder andere staatliche Stellen, vor allem besonders geschützte Fahrzeuge, Minenräumgeräte, Container, Schutzausrüstung wie Westen oder Helme oder Kommunikationsgeräte. Genau beziffert wird der Anteil vom Bundeswirtschaftsministerium allerdings nicht. Völlig unklar ist, in welchem Umfang deutsche Rüstungsgüter in die Hände der Taliban gefallen sind.

Die Linken-Aussenpolitikerin Dagdelen forderte die Bundesregierung zu Konsequenzen auf. "Eine Lehre aus dem Fiasko in Afghanistan muss sein, die Waffenexporte in den Vorderen und Mittleren Osten sofort zu stoppen", sagte sie. Nur so könne verhindert werden, dass Waffen in die Hände von Islamisten gerieten.

FDP-Chef Lindner fordert Afghanistan-Untersuchungsausschuss

01:30 Uhr: FDP-Chef Christian Lindner hat einen Afghanistan- Untersuchungsausschuss gefordert. Dort müsse in der nächsten Legislaturperiode alles auf den Tisch kommen, "was nicht funktioniert hat", sagte Lindner der "Bild am Sonntag". "Auch, welche systematischen Schwächen wir bei diesen Einsätzen haben. Das muss aufgeklärt und neu konzipiert werden." Auch die "Fehleinschätzung" des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Lage in Afghanistan müsse Konsequenzen haben, sagte Lindner. "Er muss gegebenenfalls neu aufgestellt werden."

Die Bundesregierung hatte bereits eingestanden, dass sie vom Tempo der Machtübernahme durch die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan überrascht worden war. Am Donnerstag hatten sich vor diesem Hintergrund bereits Politiker von Grünen, FDP und Linken die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bundestag nach der Wahl am 26. September vorbehalten.

Die Opposition wirft der Regierung vor, die Ausreise der afghanischen Helfer von Bundeswehr und Bundesregierung verschleppt zu haben. Eine Evakuierungsmission der Bundeswehr war Anfang der Woche angelaufen. Im Zuge des Abzugs der internationalen Truppen hatte die Bundeswehr zuvor Ende Juni ihren fast 20 Jahre dauernden Afghanistan-Einsatz beendet.

Lindner sagte auf eine Frage nach der Verantwortung von Aussenminister Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): "Die Vorgänge dokumentierten eine erschreckende Hilflosigkeit. Die Bundestagswahl ist deshalb auch eine Abstimmung darüber, ob Herr Maas und Frau Kramp-Karrenbauer ihre Arbeit fortsetzen sollten."

Als Konsequenz aus dem Scheitern in Afghanistan verlangte Lindner eine Überprüfung aller deutschen Militäreinsätze im Ausland: "Alle Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen gründlich evaluiert werden. Sind unsere Ziele realistisch? Gibt es eine Abzugsperspektive? Generell bin ich der Meinung, dass der Aufbau eines Staates durch Militärintervention von aussen nicht realistisch ist, wenn es von innen nicht eine breite Unterstützung dafür gibt."

Bundeswehr: Mehr als 2130 Menschen aus Kabul evakuiert

00.00 Uhr: Insgesamt seien bislang 2134 schutzbedürftige Personen von der Bundeswehr aus Afghanistan ausgeflogen worden, twitterte das Einsatzführungskommando der Bundeswehr am späten Samstagabend. Zuvor war ein in Kabul gestarteter Militärmaschine vom Typ A400M mit 20 Menschen an Bord in usbekischen Hauptstadt Taschkent gelandet

Mehrere Militärtransporter der Bundeswehr pendeln zwischen Kabul und Taschkent, von wo aus die Evakuierten ihren Weiterflug nach Deutschland antreten sollen.

Die militant-islamistischen Taliban hatten in den vergangenen Wochen viel schneller als erwartet die Macht in Afghanistan übernommen. Jetzt versuchen Deutschland und andere westliche Staaten in Hauruck-Aktionen, ihre Bürger und afghanische Helfer ausser Landes zu bringen. Chaotische Zustände am Flughafen erschweren die Evakuierungen.

Alle Afghanistan-Meldungen vom 21. August zum Nachlesen finden Sie hier

Mehr zum Themenkomplex Afghanistan:

Mit Material von dpa, afp, sid, reuters und apa.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.