- Vor 20 Jahren wurden die Taliban in Afghanistan gestürzt - nun stehen sie kurz vor der Rückeroberung der Macht.
- Die Machtübernahme solle "friedlich" ablaufen, sagte ein Taliban-Sprecher.
- Dennoch befürchten viele Afghanen für die Zukunft das Schlimmste. Ein Rückblick.
Durch eine US-geführte Militärinvasion wurden die Taliban vor 20 Jahren in Afghanistan gestürzt - nun stehen sie kurz vor der Rückeroberung der Macht. Im Zuge ihres rasanten Eroberungsfeldzugs drangen die Radikalislamisten am Sonntag bis an den Stadtrand von Kabul vor, Präsident Aschraf Ghani floh nach den Worten seines früheren Stellvertreters ins Ausland. Zwar versicherte ein Taliban-Sprecher, die Machtübernahme solle "friedlich" ablaufen und die Miliz strebe eine Regierung der "nationalen Einheit" an. Doch die Erinnerung an die einstige Schreckensherrschaft der Taliban lässt viele Afghanen für die Zukunft das Schlimmste befürchten. Ein Rückblick:
Die religiösen Studenten
Der Name der Miliz ist vom arabischen Wort "talib" (Student) abgeleitet. Ihren Ausgang nahm die Bewegung an sunnitisch-islamischen Koranschulen in Pakistan, wo viele vor der sowjetischen Besatzung Afghanistans (1979-89) geflüchtete junge Männer studierten. Als nach dem sowjetischen Abzug in Afghanistan ein Bürgerkrieg ausbrach, wurden in der südafghanischen Provinz Kandahar die Taliban als Verbund von Kämpfern mit radikalislamischer Gesinnung gegründet.
Kandahar ist eine Bastion der ethnischen Gruppe der Paschtunen, der die meisten Taliban angehören. Mitbegründer der Taliban war der einäugige Kriegsfürst und Kleriker Mullah Omar, der die Miliz bis zu seinem Tod im Jahr 2013 anführte.
Die erste Eroberung der Macht
Während des Bürgerkriegs der neunziger Jahre hatten die Taliban anfänglich die heimliche Unterstützung der USA. Vor allem profitierten sie aber von massiver Hilfe aus Pakistan. Die Taliban waren nicht nur mit Panzern und schweren Waffen ausgerüstet, sondern hatten auch das Geld, um sich die Unterstützung örtlicher Warlords zu erkaufen. Am 27. September 1996 übernahmen die Taliban mit dem Einmarsch in Kabul die Macht im Land.
Die Schreckensherrschaft
Die Taliban-Herrschaft basierte auf einer extrem rigiden Auslegung der Scharia, des islamischen Rechts. Musik, Tanz, Fernsehen und andere beliebte Freizeitaktivitäten wie das Steigenlassen von Drachen waren verboten. Mädchenschulen wurden geschlossen, Frauen durften keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie mussten zudem die Ganzkörperbedeckung Burka tragen.
Die Einhaltung der Vorschriften wurde von einer Religionspolizei überwacht. Die Strafen bei Gesetzesverstössen waren oft grausig. So wurden Frauen, die des Ehebruchs bezichtigt waren, zu Tode gesteinigt.
Für weltweite Empörung sorgten die Islamisten, als sie 2001 die jahrhundertealten Kolossalstatuen des Buddha im Bamijan-Tal sprengen liessen. Ihre internationale Pariah-Rolle stärkten die Taliban auch dadurch, dass sie dem Terrornetzwerk Al-Kaida und dessen Anführer Osama bin Laden Unterschlupf gewährten.
Der Sturz
Nach den von Al-Kaida verübten Terroranschlägen vom 11. September 2001 in USA machte der damalige US-Präsident George W. Bush die Taliban mitverantwortlich. Afghanistan war das erste Ziel seines "Krieges gegen den Terror". Im Oktober 2001 rückten die die USA und ihre Verbündeten in Afghanistan ein, schon im Dezember waren die Taliban gestürzt.
Der Aufstand
Im bewaffneten Widerstand gegen die vom Westen unterstützte Regierung in Kabul stellten die Taliban dann ihre Beharrungskräfte unter Beweis. Im Kampf gegen die zehntausenden internationalen Soldaten im Land setzten sie vor allem auf Sprengstoff- und Selbstmordanschläge.
Im Dezember 2014 endete der Kampfeinsatz der Nato am Hindukusch, die Mehrzahl der westlichen Soldaten wurde in der Folge abgezogen.
Die Offensive
2018 begannen in Doha in Katar die ersten direkten Gespräche zwischen der Regierung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump und den Taliban. Die Gespräche mündeten am 29. Februar 2020 in eine Vereinbarung, in der ein Zeitplan für den Abzug der US-Truppen abgesteckt wurde.
Der Abzug verzögerte sich zwar zwischenzeitlich, begann dann aber unter Trumps Nachfolger Joe Biden im Mai. Parallel zu den USA zogen auch die anderen Nato-Truppen aus Afghanistan ab, darunter die Bundeswehr. Inzwischen ist der Abzug fast vollendet, während die Taliban einen Grossteil des Landesterritoriums und fast alle Grossstädte unter ihre Kontrolle gebracht haben. (pak/AFP)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.