Immer nur Bedauern und Besorgnis. Nach acht Jahren Bürgerkrieg in Syrien reicht es der CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Sie prescht mit einem Vorschlag vor - zum Ärger des Koalitionspartners.

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Der Vorstoss von Annegret Kramp-Karrenbauer hat viele überrascht - und einige auch richtig vor den Kopf gestossen. Die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin legt am Montagabend quasi im Alleingang einen Vorschlag für eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien vor, und provoziert beim Koalitionspartner SPD prompt erheblichen Ärger und Gesprächsbedarf.

Der ist offensichtlich so gross, dass Vizekanzler Olaf Scholz und Aussenminister Heiko Maas (beide SPD) am Dienstagnachmittag kurzfristig am Rande der Fraktionssitzungen mit Kanzlerin Angela Merkel und Kramp-Karrenbauer zusammenkommen. Im Zimmer der Kanzlerin im Reichstag beraten beide Seiten etwa eine halbe Stunde lang. Sie kommen heraus, ohne ein Wort zu wartenden Reportern zu sagen.

In der SPD stösst manchem auch auf, dass AKK in der dreieinhalbstündigen Sitzung des Koalitionsausschusses am Sonntagabend, als es ausführlich um die Lage in Syrien nach dem türkischen Einmarsch ging, kein Wort über ihre weitreichenden Pläne verlor. Lediglich eine dürre SMS erreichte Maas am Montag von Kramp-Karrenbauer - dass sie einen Syrien-Vorstoss plane.

"Von SMS-Diplomatie halte ich wenig"

Tags darauf berichtet Maas, der Vorstoss der Ministerin sorge für Irritationen bei Bündnispartnern. "Die Fragen, die es dort gibt, sind zahlreich." Und die knappe Info via Kurznachricht kommentiert er mit den Worten: "Von SMS-Diplomatie halte ich wenig. Daraus wird schnell eine SOS-Diplomatie."

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich kritisiert diesen Stil. Es dürfe in der Bundesregierung nicht üblich werden, sich durch SMS über Initiativen in Kenntnis zu setzen. "Ich finde, Frau Kramp-Karrenbauer muss endlich ankommen im Kabinett." Aber eine glatte Ablehnung ist auch von ihm nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Mützenich positioniert sich inhaltlich trotz Verärgerung nicht klar. Er spricht nur von vielen offenen Fragen etwa zum erforderlichen Mandat des UN-Sicherheitsrats.

Deutschland hat sich bisher in internationalen Krisenlagen meist bitten lassen und ist dann den Verbündeten militärisch gefolgt - oder nach langen Debatten auch nicht. Stets im Gepäck der deutschen Politik: Besorgnis und mahnende Worte. Das wollte die Verteidigungsministerin nicht länger hinnehmen. Mehr Verantwortung müsse übernommen werden, zumal sich die USA seit Jahren immer weiter zurückzögen, hiess es in der Union.

Deutet sich mit dem AKK-Credo, man wolle nicht länger nur "Zaungast" in der internationalen Politik sein, ein grundlegender Schwenk in der deutschen Aussen- und Verteidigungspolitik an? Der CDU-Aussenpolitiker Norbert Röttgen sieht das in der Unionsfraktionssitzung nach Teilnehmerangaben jedenfalls so. Und die Unionsfraktion spendet dem AKK-Vorstoss Beifall.

Kanzlerin sei eingeweiht gewesen

So ganz aus heiterem Himmel kam Kramp-Karrenbauers Initiative allerdings nicht. Schon am vergangenen Samstag auf dem CSU-Parteitag macht sie ihrer Unzufriedenheit über die aussenpolitische Zurückhaltung Deutschlands Luft. "Wann haben wir als Deutschland, und wann haben wir auch als CDU und CSU zu diesen internationalen Fragen eigentlich das letzte Mal einen wirklich tragenden Vorschlag gemacht", ruft sie in München den CSU-Delegierten zu. "Ich kann es nicht mehr hören, dass wir besorgt sind, dass wir mit grosser Sorge schauen, dass wir hinschauen."

Das konnte auch als Spitze gegen ihre Vorgängerin im Parteivorsitz Angela Merkel verstanden werden.

Die Kanzlerin sei grundsätzlich eingeweiht gewesen, dass ihre Verteidigungsministerin an einem Plan für Syrien arbeitet, ist in Berlin zu hören. Doch über den konkreten Termin, an dem sie mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit gehen werde, informiert Kramp-Karrenbauer Merkel dann auch recht kurzfristig. Auf die Frage, ob der Vorstoss mit dem Kanzleramt abgestimmt sei, sagt Kramp-Karrenbauer der Deutschen Presse-Agentur am Montag: "Es ist zuerst einmal mein Vorschlag als Verteidigungsministerin und auch als Parteivorsitzende." Sie habe die Kanzlerin am Montag informiert.

Merkel stellt sich am Dienstag hinter den Vorstoss ihrer Verteidigungsministerin. Der Gedanke, in Nordsyrien Schutzzonen einzurichten, sei sehr vielversprechend, sagt die Kanzlerin nach dpa-Informationen von Teilnehmern in der Sitzung der Unionsfraktion. Ein "Versuch ist es allemal wert", wird Merkel von den Ohrenzeugen zitiert.

Die jetzige Lage in Nordsyrien sei nicht gut. "Wir haben die Pflicht zu schauen, wie man die Dinge dort regeln kann", ergänzt Merkel demnach. Deutschland wolle einen Beitrag "vor unserer Haustür" leisten.

Internationaler Stabilisierungseinsatz in Nordsyrien

Kramp-Karrenbauer will Verbündete für die Idee eines internationalen Stabilisierungseinsatzes im umkämpften Nordsyrien gewinnen, voran Frankreich und Grossbritannien. Unklar ist aber, ob Partnerländer mitziehen.

Einer der Knackpunkte am Vorstoss Kramp-Karrenbauers ist der mögliche Einsatz von Bundeswehrsoldaten im Rahmen einer solchen internationalen Mission. Dass die dafür gewonnenen Partner nach einer solchen Initiative auch ein wesentliches militärisches Engagement Deutschlands erwarten, ist klar. Kramp-Karrenbauer verweist dazu auf den Bundestag, der zu entscheiden hat.

Der CDU-Aussenpolitiker Roderich Kiesewetter hat bereits Vorstellungen zur Grössenordnung: 15 000 Soldaten plus 15 000 zivile Helfer seien ungefähr nötig, sagte er der dpa. Damit präzisiert Kiesewetter Aussagen vom Vortag. Im rbb hatte er von 30 000 bis 40 000 Soldaten gesprochen.

Entscheidend dürfte am Ende sein: Wird aus dem Syrien-Vorstoss praktische Politik, die die Region befriedet? Oder muss die Verteidigungsministerin ihre Pläne am Ende kleinlaut einsammeln, weil sie auf internationaler Bühne keine Verbündeten findet und der Bundestag womöglich ein Mandat für einen weiteren Auslandseinsatz der ohnehin stark ausgelasteten Bundeswehr verweigert?

Der Vorstoss kann zum Befreiungsschlag für Kramp-Karrenbauer als Kronprinzessin Merkels werden. Oder ein Rohrkrepierer für die CDU-Chefin. (dpa/fra)

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