Die Angreifer auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" beriefen sich auf Al Kaida, ihr mutmasslicher Unterstützer auf den Islamischen Staat. Bilden die beiden Terrororganisationen nun ein Bündnis gegen den Westen?

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Nach den Anschlägen in Paris ist offenbar ein Bekennervideo aufgetaucht: Amedy Coulibaly, der eine Polizistin und vier Geiseln in einem koscheren Supermarkt getötet haben soll, schwört darin dem Chef der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) Treue. Ausserdem erklärt er, mit den Brüdern Said und Cherif Kouachi zusammen gearbeitet zu haben, die das Satiremagazin "Charlie Hebdo" angegriffen hatten.

Terror-Allianz gegen den Westen?

Die Echtheit des Videos steht noch nicht mit Sicherheit fest. Doch bereits in einem Telefonat mit einen französischen Fernsehsender hatte sich Coulibaly auf den IS berufen – die Brüder Kouachi dagegen sagten, sie seien von Al Kaida in den Jemen geschickt worden. Ein gemeinsam geplanter Terroranschlag und zwei unterschiedliche Terrornetzwerke im Hintergrund – wie passt das zusammen? Droht nun eine Terror-Allianz gegen den Westen?

Um die Frage zu beantworten, muss man sich zunächst klar machen, in welchen Verhältnis Al Kaida und der Islamische Staat zueinander stehen. Und das ist keineswegs eindeutig. Wichtig: Der IS war ursprünglich ein irakischer Ableger von Al Kaida. Weil IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi aber seinen Machtanspruch über den Irak hinaus ausdehnen wollte, kam es zum Bruch mit der Mutterorganisation. Seit dem stehen IS und Al Kaida in Konkurrenz zueinander. Es geht vor allem um Macht und Einfluss und die Frage, wer die meisten Anhänger für sich gewinnen kann.

Unterschiedliche Ansichten gibt es zum Teil auch um die Frage, was der richtige Weg zum Ziel sei: "Vereinfacht gesagt ist Al Kaida diejenige Organisation, die sich als natürliche Avantgarde des Kampfes aller Dschihadisten sieht, deren Führungskräfte durchweg eine akademische Ausbildung haben, die kollektive Entscheidungen fällen und die den Zeitpunkt zur Ausrufung des Kalifats für verfrüht halten", sagt Joachim Krause, Terrorismusforscher und Direktor des Kieler Instituts für Sicherheitspolitik. "IS steht eher für die bildungsfernen Aktivisten mit einem starken und charismatischen Führer an der Spitze, die lieber heute als morgen das Kalifat ausrufen wollen und die noch um Vieles brutaler vorgehen als Al Kaida."

Ein gemeinsames Ziel

In Syrien etwa würden sich beide Milizen gegenseitig bekämpfen, sagt Krause – aber wenn nötig auch taktische Allianzen eingehen. "Salafistische Rechtsgelehrte versuchen, zwischen den Gruppen zu vermitteln", sagt auch Terrorexperte Andreas Armborst von der University of Leeds. Aktuell herrsche eine Waffenruhe. Denn bei allen Differenzen – was Al Kaida und IS eint, ist das gemeinsame Ziel: Der Kampf gegen die "Ungläubigen", vor allem gegen den Westen. Dennoch sieht Armborst keine gestiegene Gefahr durch eine eventuelle Allianz – schliesslich sei der IS durch eine Abspaltung von Al Kaida entstanden. Die beiden Organisationen würden heute eher weniger als mehr kooperieren.

Beide Terrororganisationen bleiben gefährlich

Die Gefahr besteht weniger in einem veränderten Verhältnis der beiden zueinander, als dass sie beide offenbar zunehmend Einzeltäter inspirieren. "Wenn in Paris Personen ihre terroristischen Aktionen absprechen, dann hat das wahrscheinlich mit den persönlich engen Beziehungen zwischen ihnen zu tun", sagt Joachim Krause. "Das lässt aber keine Rückschlüsse auf das Zusammenwirken von IS und Al Kaida zu."

Für ihn droht Gefahr weniger aus einer Allianz der Terrororganisationen, als aus deren Wettstreit um Anhänger: "Es ist zu befürchten, dass sie als Teil dieser Konkurrenz versuchen, sich gegenseitig mit spektakulären Terrorangriffen in Europa oder Nordamerika zu übertreffen." Vor allem Al Kaida auf der arabischen Halbinsel betreibe massive Vorbereitungen für Anschläge. Ob durch Allianzen oder aus Konkurrenz – die Terrororganisationen bleiben demnach eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

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