Die Frage der finanziellen Bewältigung der Coronakrise teilt Europa. Reiche EU-Mitglieder wie Deutschland befürchten, auf den vergemeinschafteten Schulden ärmerer Staaten sitzen zu bleiben. Das Modell der so genannten Corona-Bonds ist hoch umstritten. Was steckt dahinter?
Europa steuert wegen der Coronakrise auf eine schwere Rezession zu. Milliardenschwere Hilfsmassnahmen werden die Staatsverschuldung nach oben treiben. Das trifft vor allem hoch verschuldete Länder wie Italien hart.
Könnten gemeinschaftliche Anleihen - sogenannte Corona-Bonds - helfen? Unter anderen Italien, Spanien und Frankreich fordern sie vehement, während sich zum Beispiel Deutschland, die Niederlande und Österreich bislang sperren.
Was sind Corona-Bonds?
Bonds sind Wertpapiere mit einem festen Zinssatz. Die europäischen Staaten könnten zusammen solche Anleihen an den Markt bringen: Corona-Bonds. Die Regierungen würden auf diesem Weg gemeinsam Geld an Finanzmärkten aufnehmen, sich also verschulden - und dann gemeinschaftlich für Zinsen und Rückzahlung haften.
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Ist die Idee neu?
Schon in der Euro-Schuldenkrise, die von 2010 an vor allem Griechenland hart traf, hatte die Idee gemeinsamer Staatsanleihen Anhänger. Damals war von Eurobonds die Rede. Eingeführt wurden diese jedoch nicht, weil es schon damals grosse Widerstände gab: Wirtschaftlich starke Länder fürchteten, über Jahre für die Schulden bereits hoch verschuldeter Staaten wie Italien mithaften zu müssen.
Was sollen solche gemeinsamen Anleihen eigentlich bringen?
Hoch verschuldete Staaten könnten auf diesem Weg zu erheblich günstigeren Konditionen frisches Geld von Investoren erhalten. Denn die Bonität der Gemeinschaftsanleihen wäre deutlich besser, wenn zum Beispiel wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland mithaften.
Weil solche Papiere somit als sicherer gelten, müssten die Staaten für Corona-Bonds nicht so hohe Zinsen bieten wie sie das zum Teil derzeit für ihre eigenen nationalen Anleihen tun müssen. Die Schuldenlast würde sinken.
Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding meint zudem, Corona-Bonds wären ein "Signal der Solidarität" - gerade an Länder, die sich nach der Euro-Schuldenkrise mühsam zurückgekämpft haben.
Was sagen Befürworter?
"Die Lösung liegt in Krisen-Gemeinschaftsanleihen, die nur in dieser Situation legitimiert sind. Hier sollte man sich in Berlin nicht sperren, wenn man die Eurozone nicht durch diese Krise in eine existenzielle Gefährdung bringen will", sagt der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.
Ähnlich argumentiert Berenberg-Ökonom Schmieding: "Mehr als je zuvor müssen sich die Mitglieder des Euroraumes in einer derartigen Krise Geld zu erträglichen Bedingungen leihen können." Das sei vor allem für Länder wie Italien, Spanien und Griechenland ein Thema.
Um die Zinsen am Kapitalmarkt für diese Länder zu drücken, sind Corona-Bonds aus seiner Sicht effizienter als die milliardenschweren Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). EZB-Vizepräsident Luis de Guindos befürwortet Corona-Bonds ebenfalls.
Was sagen Kritiker?
Sie treibt die Sorge um, dass Deutschland damit praktisch für die Schulden anderer Länder mit haftet und daraus ein Dauerinstrument wird.
"Deutschland würde in voller Höhe für den Umfang jeder so begebenen Anleihe anderer Mitgliedstaaten haften, ohne auch nur ein kleines Wörtchen bei der Finanzpolitik des jeweiligen Landes mitreden zu können", argumentiert der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld.
Er fürchtet zudem, dass es nicht bei einer Ausnahme in der aktuellen Krise bleiben wird: "Zu meinen, man könne solche Bonds nur vorübergehend einführen, ist blauäugig. Sind sie einmal da, bleiben sie", sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung jüngst der "Börsen-Zeitung".
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hält die Bedenken einiger Länder für berechtigt. Hinter dem Begriff Corona-Bonds stehe doch eher die grössere Frage der Haftung: "Und da sind die Vorbehalte in Deutschland, aber auch in anderen Ländern berechtigt."
Was könnten Alternativen sein?
Genannt wird immer wieder der Euro-Rettungsschirm ESM, unter den Länder wie Griechenland in der Euro-Schuldenkrise schlüpften. Allerdings sind Hilfen des ESM an strenge Kriterien gebunden und werden von den betroffenen Ländern als Stigmatisierung empfunden.
Mehr als ein Dutzend europäischer Ökonomen schlägt nun eine Kreditlinie des ESM für alle EU-Mitgliedsstaaten vor. Damit würden sich die Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität aller EU-Länder effektiv verringern lassen, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher: "Das schafft Solidarität und begrenzt den wirtschaftlichen Schaden für alle EU-Mitgliedsländer."
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachten zusätzlich zum ESM auch die Investitionsbank EIB ins Spiel. "Meine Zielsetzung ist, dass wir dort ein Programm möglich machen, das bis zu 50 Milliarden Euro Kreditvolumen umfasst", sagte Scholz am Dienstag.
Wie geht es weiter?
Weil sich bei dem Thema die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) bisher nicht einigen konnten, sollen die Finanzminister der 19 Euroländer - die sogenannte Eurogruppe - nun Vorschläge erarbeiten. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Mario Centeno, hat diese für den 7. April angekündigt.
Centeno plädiert auch für neue Instrumente: "Wir sollten prüfen, wie wir bestehende Instrumente nutzen können, aber wir sollten auch offen dafür sein, Alternativen zu erwägen, wenn sich erstere als unzureichend erweisen." (hau/dpa)
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