Mit rigiden Vorgaben schränkt Amazon die unternehmerische Freiheit der Subunternehmer ein, die jeden Tag Pakete ausliefern. Das zeigen interne Unterlagen, die CORRECTIV, Saarländischer Rundfunk und Nordsee-Zeitung einsehen konnten.
Laut Branchenkennern wird daraus ersichtlich, wie Amazon die Ausbeutung der Fahrerinnen und Fahrer begünstigt. Bisher hatte der Logistikriese stets behauptet, nichts mit den prekären Arbeitsbedingungen der Fahrer zu tun zu haben, die seine Pakete ausliefern. Die internen Unterlagen zeigen jetzt: Das stimmt so nicht.
In den Verträgen und weiteren internen Unterlagen zwischen Amazon und DSP-Unternehmen legt der Onlineversandhändler beispielsweise fest, wie gross die Fahrzeugflotte der Kurierunternehmen sein muss, wie viel Lohn sie ihren Fahrern zahlen sollen und dass sie keine Fahrer von anderen DSP-Unternehmen abwerben dürfen.
Experte sieht Anzeichen für verdeckte Leiharbeit bei Amazon
"Die Vorgaben an diese Subunternehmen sind so eng, dass die Spielräume wirklich extrem eingeschränkt sind", sagt Manfred Walser, Professor für Arbeitsrecht und Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Mainz. Er hat die internen Unterlagen für CORRECTIV, Saarländischen Rundfunk und Nordsee-Zeitung rechtswissenschaftlich analysiert.
"Wenn die unternehmerische Freiheit so eingeschränkt wird, dann kann das ein Anzeichen für einen Scheinwerkvertrag sein." Der Experte sieht Indizien für verdeckte Leiharbeit. Denn Amazon gebe in den Verträgen auch vor, wie die Subunternehmer mit ihren Mitarbeitern umgehen sollen und wie diese sich verhalten sollen. Unter anderem legt Amazon eine Art Drehbuch fest, wie sie ihre Mitarbeiter darüber informieren sollen, sollte das Unternehmen nicht mehr mit Amazon zusammenarbeiten.
Amazon weist die Vorwürfe – auch zur verdeckten Leiharbeit – zurück. "Ausschliesslich die Lieferpartner als Arbeitgeber erteilen ihren Fahrer:innen Anweisungen und ausschliesslich sie erfüllen die Kernfunktionen eines Arbeitgebers", teilt der Konzern mit. "Die Lieferpartner können ihre Geschäfte nach eigenem Ermessen führen."
Paketboten berichten, wie der Druck an sie weitergegeben wird
Dem stehen Aussagen mehrerer Amazon-Subunternehmer entgegen, mit denen CORRECTIV, Saarländischer Rundfunk und die Nordsee-Zeitung gesprochen haben. Sie berichten übereinstimmend von grossem Druck, starker Kontrolle und wenig Entscheidungsmöglichkeiten. Ein ehemaliger Subunternehmer sagt: "Man kann kein erfolgreiches Amazon-Subunternehmen führen mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen."
In der Politik wird derzeit über das Paketboten-Schutz-Gesetz diskutiert. Im Mai forderte der Bundesrat die Bundesregierung auf, das Gesetz zu ändern und Werkverträge in der Branche zu verbieten. Wie in der Fleischindustrie müssten dann alle Mitarbeitenden im Kerngeschäft direkt bei den grossen Dienstleistern angestellt sein.
Diese sogenannte Entschliessung des Bundesrates ist für die Bundesregierung jedoch rechtlich nicht verbindlich. Die Entschliessung des Bundesrates enthält zudem eine Einschränkung: Aufträge an Subunternehmen sollen weiter möglich sein, sollten diese ihre Angestellten nach Tarif bezahlen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales teilt auf Anfrage mit, die aktuelle Entschliessung zu prüfen.
Lesen Sie hier den vollständigen Artikel von CORRECTIV: Ausbeutung von Paketboten: Wie Amazon Kurierunternehmen unter Druck setzt
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.