Die Welt redet über Corona. So ist das auch in Brasilien. Eine weitere Katastrophe ist im grössten Land Südamerikas aber weiterhin in vollem Gange: Die illegale Abholzung des Regenwalds in Amazonien. Und sie schreitet so schnell voran wie lange nicht.

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Fast 800 abgeholzte Quadratkilometer Regenwald registrierte die Wissenschaftsbehörde INPE für das erste Quartal dieses Jahres. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat damit die Abholzung um 51 Prozent zugenommen.

Regenzeit bremst Abholzungsquote normalerweise

Eigentlich ist das erste Vierteljahr traditionell das mit der niedrigsten Abholzungsquote – denn in diese Zeit fällt die Regenzeit. Das bremst die Holzfäller für gewöhnlich. Doch in diesem Jahr ist das anders.

Damit setzt sich ein Trend fort, der bereits im vergangenen Sommer eingesetzt hatte. Betrachtet man den Zeitraum von August 2019 bis März 2020, hat sich die Abholzung im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar verdoppelt. 5.260 Quadratkilometer waren es da im Vergleich zu 2.525 Quadratkilometern im Vorjahr.

In der Zwischenzeit hat die Regierung Bolsonaros die Umweltbehörden während seines ersten Amtsjahres geschwächt, Strafen abgesenkt und Kontrollen heruntergefahren – auch in ausgewiesenen Naturschutzgebieten. Die Hemmschwelle für die Abholzung sank.

Es sieht so aus, als habe auch der Ausbruch der Corona-Pandemie einen gewissen Beitrag geleistet. Die Aufmerksamkeit und Kräfte des Staates werden derzeit für die Bekämpfung der Pandemie gebündelt.

Nationaler Rat von Amazonien wurde Umweltministerium entzogen

Die Zuständigkeit für den Nationale Rat für Amazonien, den Conselho Nacional da Amazonia, wurde dem Umweltministerium entzogen und dem Zuständigkeitsbereich von General Hamilton Mourão zugeordnet, dem Vize-Präsident Bolsonaros.

19 Militärs oder Ex-Militärs gehören nun dem nationalen Amazonasrat an. Die Umweltschutzbehörde Ibama und die Indigenenbehörde Funai hingegen nicht mehr.

Damit deutet sich eine neue Ausrichtung an. Es wird befürchtet, dass Umweltschutzbelange oder die Ausweitung von Schutzgebieten für Natur und Indigene künftig hinter militärstrategischen Überlegungen zurückstehen müssen.

Cristiane Mazzetti von Greenpeace in Brasilien äussert in einem Interview mit dem Internetportal "Brasil de Fato" ihre Bedenken. "Wir verstehen, dass es eine Priorität in der Bekämpfung dieser Gesundheitskrise gibt, aber die Umwelt darf nicht vernachlässigt werden", sagt Mazzetti.

"Besonders, weil diese Personen, die in den Wald vordringen, auch Virusüberträger sein könnten, die die Krankheit zu den Verwundbarsten bringen." In einigen Schutzgebieten leben bislang noch völlig unkontaktierte Indigenenvölker. Kommen sie mit dem Virus in Berührung, wäre das fatal. Vor allem in den nördlichen Bundesstaaten hat sich das Virus schnell verbreitet. Die medizinische Infrastruktur ist bereits jetzt völlig überfordert.

Brände in der Trockenzeit sind menschlichen Ursprungs

Die kommenden Monate könnten die Situation weiter verstärken. "Der Anfang der Trockenzeit ist der Zeitraum, in dem die Brände wieder beginnen", sagt Mazzetti. Diese entstünden nicht auf natürlichem Wege, sie seien ganz klar menschlichen Ursprungs, oft, um Flächen zu roden. "Wenn nichts unternommen wird, werden wir bald eine doppelte Krise haben."

Im August letzten Jahres waren tausende Brände gelegt worden. Die brasilianische Behörde INPE hatte damals auf die Brände mit Satellitenbilder aufmerksam gemacht. Das missfiel Präsident Bolsonaro, der daraufhin den Chef der Behörde, Ricardo Galvão, aus dem Amt warf.

Die Brände und die Abholzung in der Amazonas-Region sind kein neues Phänomen. Aber die Situation hat sich in jüngerer Vergangenheit wieder verschärft. Bis zum Amtsantritt Bolsonaros gab es eine Überwachung und Kontrollen.

In den Anfangsjahren der Regierungszeit von Luiz Inácio Lula da Silva (2003-2010) gelang es der damaligen Umweltministerin Marina Silva, die Waldvernichtung einzudämmen. Doch die Erfolge begannen unter Lulas Nachfolgerin Dilma Rousseff zu bröckeln. 2012 brachte die Agrarlobby ein wichtiges Waldschutzgesetz, den "codigo florestal" zu Fall.

In der Folge stiegen die Abholzungen wieder an. Seit Amtsantritt von Jair Bolsonaro haben die illegalen Holzfäller nun kaum noch Gegenwehr zu befürchten.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit Greenpeace-Aktivistin Cristiane Mazzetti
  • Brasil de Fato: Covid-19 será cortina de fumaça para desmatamento, alerta especialista do Greenpeace
  • Uol.com.br: Mourão forma Conselho da Amazônia com 19 militares e sem Ibama e Funai ... - Veja mais em
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