Zwei Monate vor Beginn der olympischen Winterspiele in Sotschi hat Amnesty International (AI) auf dramatische Zustände in Russland hingewiesen. Die weltweite Zahl der Flüchtlinge ist laut Amnesty weltweit mit 43 Millionen unverändert. Deutschland solle deswegen sein Kontingent für Flüchtlingsaufnahmen weiter erhöhen.
Der Report von Amnesty International stellt vor dem Hintergrund der Olympischen Winterspiele in Sotschi in zwei Monaten die Menschenrechtsverletzungen in Russland in den Vordergrund. Seit Beginn der dritten Amtszeit von Präsident
Tatsächlich beschneiden neue Gesetze in Russland die freie Meinungsäusserung, die Versammlungsfreiheit und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Öffentliche Nachrichtenanstalten wie Fernseh- und Radiostationen sind staatlich kontrolliert. Daher werden Meinungen, die gegen das Handeln und die Entscheidungen der Regierung sprechen, werden kaum gehört. Kritische Journalisten leben in Russland gefährlich, wie der prominente Fall der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja zeigt.
Neben einer Einschränkung der Rechte auf Versammlungsfreiheit, geht Russland laut Amnesty auch entschieden gegen homosexuelle Bürger des Landes vor. Im Sommer 2013 wurde das Recht von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen eingeschränkt, öffentlich für ihre Belange einzutreten. Ausserdem wurde ein "Blasphemiegesetz" eingeführt, das offenbar dazu dienen soll, Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche zu unterbinden. "Wir fordern das Ende der Schikanen und die Aufhebung der restriktiven Gesetze, mit denen die Menschenrechte in Russland verletzt werden", sagte Imke Dierssen, Leiterin der Abteilung Länder, Themen und Asyl zum Tag der Menschenrechte in Berlin.
Auch Menschenrechtsorganisationen werden in ihrer Handlungsfreiheit immer mehr eingeschränkt. Seit dem Herbst 2012 sind in Russland die sogenannten "Agentengesetze" in Kraft. Diese erlauben den Behörden, die Arbeit der NGOs besser zu überwachen. Mitarbeiter der Organisationen sind jetzt verpflichtet, sich als "ausländische Agenten" zu registrieren, wenn sie aus dem Ausland finanziell unterstützt werden und politisch tätig sind.
AI wirft den Gerichten in Russland vor, nicht unabhängig vom Staat zu agieren, sondern stattdessen als der verlängerte Arm der "Macht" aufzutreten. Zur Verdeutlichung dieser Vorwürfe, zieht die Organisation die Verurteilung des Oppositionsführers Alexej Nawalny oder des früheren Ölunternehmers Michail Chodorkowski als Beispiele heran. In beiden Fällen wurden regierungskritische Russen ohne eindeutigen Strafbestand zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Auch der Fall der Pussy-Riot-Sängerinnen, die wegen Putin-kritischen Aktionen zu zwei Jahren Freiheitsentzug verurteilt wurden, wird von Amnesty als Beispiel genannt.
Frauen in Tschetschenien immer mehr benachteiligt
Laut Amnesty ist auch die Lage in Tschetschenien besorgniserregend. Wer dort am regierenden Präsidenten öffentliche Kritik äussere, müsse mit Freiheitsstrafen rechnen und laufe Gefahr, in inoffiziellen Gefängnissen gefoltert und ermordet zu werden. Der Mord an der Menschenrechtsverteidigerin Natalja Estemirowa, die sich um die Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien bemühte, ist weiterhin nicht aufgeklärt.
Auch die Rechte der Frauen werden laut Amnesty in diesem Land weiterhin beschnitten. Die Organisation berichet, es gäbe vermehrt Berichte von Übergriffen auf Frauen, denen vorgeworfen werde, gegen das tschetschenische Gewohnheitsrecht oder islamische Wertvorstellungen zu verstossen. Auch in den russischen Republiken Inguschetien, Dagestan, Nord-Ossetien und Kabardino-Balkarien nähmen Anschläge, willkürliche Festnahmen und politische Morde, sowie erzwungene "Geständnisse" inhaftierter Gefangener zu.
Amnesty fordert mehr Hilfe von EU und Deutschland bei der Flüchtlingsaufnahme
Wie Amnesty errechnet hat, sind derzeit weltweit rund 43 Millionen Menschen auf der Flucht. Die grosse Mehrheit fliehe zwar aus ihrer Heimatregion, bleibe aber trotz der Gefahren im Land. Etwa 16 Millionen Menschen befänden sich als Flüchtlinge ausserhalb ihres Herkunftslandes. Dabei werde die Hauptverantwortung der Flüchtlingsaufnahme auf die Schultern der Entwicklungsländer verteilt. 80 Prozent der Menschen, die ihre Heimat verlassen, landen laut AI zunächst in einem der benachbarten Entwicklungsländer, wo sie in überfüllten Auffanglagern strandeten.
Diese Entwicklung wird zu einer immer grösseren Belastung für die betroffenen Länder. Am härtesten betroffen sind im Fall der nicht abbrechenden Flüchtlingswelle aus Syrien die beiden Nachbarstaaten Libanon und Jordanien, die selbst unter Ressourcenknappheit, wirtschaftlichen Problemen und innenpolitischen Spannungen leiden. Der Libanon mit einer Bevölkerung von 4,3 Millionen Menschen hat mehr als 800.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen, das sind 20 Prozent der libanesischen Bevölkerung.
Angesichts dieser Entwicklung ruft Dierssen Europa und auch Deutschland zu mehr Aktivität im Flüchtlingsproblem auf: "Die internationale Gemeinschaft muss die Entwicklungsländer rasch bei der Bewältigung dieser enormen Herausforderung unterstützen," sagte Dierssen. "Europa kann und muss bei der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen mehr tun."
Amnesty International begrüsst deswegen die Entscheidung Deutschlands, angesichts der alarmierenden Lage in Syrien 5.000 Flüchtlinge aus dem Libanon aufzunehmen. Dierssen hob auch hervor, dass Deutschland sich auch über 2014 hinaus am Resettlement-Programm des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) beteiligen werde. Im Rahmen dieser Neuansiedlung nimmt Deutschland per Resettlement-Programm von 2012 bis 2014 jährlich 300 schutzbedürftige Flüchtlinge auf. Amnesty International fordert die Minister und Senatoren jedoch auf, angesichts des dringenden Bedarfs das Programm über 2014 hinaus zu verlängern und das Kontingent der aufgenommenen Flüchtlinge deutlich zu erhöhen.
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