Nur 60 Minuten dauert der Antrittsbesuch des argentinischen Präsidenten bei Scholz. Bei den Themen Handel und Ukraine zeigen sie sich einig. Der Kanzler macht aber auch die Differenzen deutlich.

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich bei seinem Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Javier Milei für Sozialverträglichkeit der radikalen Wirtschaftsreformen in dem südamerikanischen Land eingesetzt. Der Kanzler habe auch unterstrichen, dass der Schutz des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein wichtiger Massstab dabei sein sollte, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach dem Gespräch im Berliner Kanzleramt mit, das wie geplant nur 60 Minuten dauerte.

Die zweitgrösste Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer Rezession und leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer grossen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Der ultraliberale Präsident will das Land mit einem radikalen Sparprogramm wieder auf Kurs bringen.

Das hat allerdings seinen Preis: Die harten Massnahmen würgen die Wirtschaftsleistung ab. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit einem Rückgang um 2,8 Prozent im laufenden Jahr. Nach Angaben der Katholischen Universität Argentiniens leben knapp 56 Prozent der Menschen in Argentinien unter der Armutsgrenze und rund 18 Prozent in extremer Armut.

Die Reformen des Präsidenten haben zu gewaltsamen Protesten in Argentinien geführt. Auch während seines Besuchs in Hamburg und Berlin kam es zu Demonstrationen.

Gespräche über wirtschaftliche Beziehungen

Scholz und Milei sprachen auch über die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder und machten sich laut Hebestreit für den zügigen Abschluss der seit 25 Jahren andauernden Gespräche über eine Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Staatenverbund Mercosur stark, dem neben Argentinien auch Brasilien, Uruguay und Paraguay angehören.

Mit dem Abkommen würde eine der weltweit grössten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern entstehen. Eine Grundsatzeinigung aus dem Jahr 2019 wird jedoch wegen anhaltender Bedenken - etwa beim Regenwaldschutz - nicht umgesetzt. Der Kanzler unterstützte auch den Beitritt Argentiniens zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD.

Auch Ukraine ein Thema

Einigkeit gab es zwischen Scholz und Milei auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Regierungssprecher Hebestreit verwies darauf, dass beide kürzlich erst am Friedensgipfel in der Schweiz teilgenommen haben. "Auch im heutigen Gespräch waren sich beide einig, dass Russland es in der Hand hat, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden."

Eine zunächst angekündigte gemeinsame Pressekonferenz von Scholz und Milei war kurzfristig ebenso wie der Empfang mit militärischen Ehren abgesagt worden - auf Wunsch Mileis, wie es von deutscher Seite hiess. Der einzige gemeinsame öffentliche Auftritt war ein kurzer Fototermin bei der Begrüssung vor dem Kanzleramt. (dpa/mbo)

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