Sigmar Gabriel rechnet mit einem baldigen Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel - und damit auch der grossen Koalition. In einem Gastbeitrag nennt er sogar einen konkreten Zeitpunkt.

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Nachdem Angela Merkel am Montag ihren Verzicht auf eine weitere Kandidatur als CDU-Chefin erklärt hat, rechnen viele damit, dass sie schon bald die Schlüssel für das Kanzleramt weiterreichen wird.

Auch Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel glaubt, dass Kanzlerin Merkel nicht mehr lange im Amt bleiben wird und damit auch die grosse Koalition in Berlin bald ein Ende findet.

Das dürfte "spätestens nach der Europawahl im Mai 2019 der Fall sein", schreibt Gabriel in einem Gastbeitrag in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit". "Angela Merkel weiss, was sie ihrer CDU schuldet." Neuwahlen hält der Sozialdemokrat im Fall eines Rücktritts der Bundeskanzlerin für unwahrscheinlich.

Erster Schritt auf dem Weg nach Jamaika

Merkels Verzicht auf den CDU-Vorsitz sei wahrscheinlich nur der erste Schritt, um am Ende den Weg zu einer Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen durch die Aufgabe auch des Kanzleramtes frei zu machen, schreibt Gabriel weiter.

FDP-Chef Christian Lindner hatte Merkel für den Ausstieg der Liberalen aus dem Jamaika-Sondierungen im November 2017 verantwortlich gemacht und wiederholt erklärt, dass die FDP in keine Koalition unter Merkel eintreten werde.

Nachdem die Jamaika-Sondierungen geplatzt waren liess sich schliesslich die SPD unter grossem Ächzen der Basis noch einmal dazu bewegen, in eine grosse Koalition einzutreten - eine Entscheidung, die in der Partei bis heute zu Kontroversen führt.

"Undankbarste Situation, in die man geraten kann"

Für die SPD sei die Situation momentan besonders vertrackt, erläutert Gabriel. Während sich die CDU nun langsam auf den Weg der personellen und programmatischen Erneuerung mache, müsse die SPD die Regierung stabil halten, um dem politischen Wettbewerber die Zeit zur Erneuerung zu verschaffen - um danach wahrscheinlich als Koalitionspartner ausgetauscht zu werden.

"Das ist so ziemlich die undankbarste und unbequemste Situation, in die man in der Politik geraten kann", ist in seinem "Zeit"-Beitrag weiter zu lesen.

Gabriel fordert von SPD "radikalen Realismus"

Gabriel, der die Geschicke der SPD selbst über sieben Jahre lang lenkte, rief seine eigene Partei zu einem umfassenden Neubeginn auf. Ein programmatischer Neuanfang allein werde nicht reichen - die Programme der Parteien kenne ohnehin kaum noch jemand im Detail.

"Die Inhalte sind im Augenblick eher Nebensache", ist der Ex-Aussenminister überzeugt,"denn alles Reden und gutes Regieren in der Koalition in Sachen Rente, Mieten, Pflege, Vollzeit, Arbeit, Weiterbildung, Schule, Kitas haben der Sozialdemokratie leider nicht geholfen."

Gabriel empfiehlt der SPD einen "sozialdemokratisch geprägten radikalen Realismus". Dafür müsse die SPD auch ihre Parteiarbeit grundlegend neu strukturieren: "Mit hundert jungen Influencern, die Tag und Nacht die sozialen Netzwerke bedienen, wären wir besser aufgestellt als mit einer doppelt so hohen Zahl von Mitarbeitern, die nur die Gruppeninteressen in der SPD austarieren und verwalten." (jwo/dpa/AFP)

Verwendete Quellen:

  • Die Zeit: "Und was rettet die SPD?" (hinter Bezahlschranke)
  • Material von dpa und AFP

  © dpa

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