Den Weg aus der Coronakrise soll Europa unter der schlagkräftigen und kompetenten Führung Deutschlands nehmen. Dieses Signal sendet Bundeskanzlerin Angela Merkel vor Beginn der deutschen Präsidentschaft im Europäischen Rat. Wichtigster Partner blieben die USA. Russland hingegen kritisierte Merkel deutlich.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Folgen der Corona-Pandemie mit einer stärkeren Zusammenarbeit in Europa bewältigen. "Europa kann aus der Krise stärker hervorgehen, als es in sie hineingegangen ist", sagte sie am Mittwochabend bei einer Online-Diskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung, die die Folgen der Pandemie für die im Juli beginnende sechsmonatige EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands in der Aussen- und Sicherheitspolitik beleuchtete.

Deutschland übernimmt EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli

Die Coronakrise habe "alles auf den Kopf gestellt", sagte Merkel. Sie zeige, dass grundlegende Veränderungen kurzfristig Entscheidungen mit langfristigen Wirkungen nötig machten und werde die "gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik auf unbestimmte Zeit massgeblich prägen".

Die Verantwortung dürfe deswegen nicht an nationalstaatlichen Grenzen haltmachen. Deutschland wolle dazu beitragen, dass Europa "nach innen gestärkt" werde und "nach aussen als Stabilitätsanker" fungieren könne.

Die Krise wird nach Angaben der Bundesregierung das zentrale Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Deutschland übernimmt am 1. Juli für sechs Monate den Vorsitz der EU-Länder. In der Zeit leitet das Land die Ministerräte und setzt politische Schwerpunkte.

Weitere Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollen sein:

  • die Beziehungen zu Grossbritannien nach dem Brexit
  • der Klimaschutz
  • das europäische Asylsystem

Die Kanzlerin unterstrich auch die Bedeutung der Beziehungen zu den USA und übte Kritik an Russland. "Der wichtigste Partner Europas sind die Vereinigten Staaten von Amerika", sagte Merkel. "Wir sollten nie vergessen, dass Europa nicht neutral ist".

Wenn Europa "seine Werte auf der Welt behaupten" wolle, müsse es sein "Schicksal in die eigenen Hände nehmen und als verlässlicher Partner der westlichen Interessengemeinschaft agieren", mahnte die Kanzlerin.

"Dabei ist mir natürlich bewusst, dass die Zusammenarbeit mit Amerika derzeit schwieriger ist, als wir uns dies wünschen würden" - das gelte für die Klima- und Handelspolitik, aber auch für die Frage der Bedeutung internationaler Organisationen in der Coronakrise.

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Merkel: "Russland hat Krim völkerrechtswidrig annektiert"

US-Präsident Donald Trump kritisiert die Weltgesundheitsorganisation WHO immer wieder scharf, stellte die Zahlungen der USA an die Organisation ein und drohte zuletzt gar mit dem Austritt seines Landes.

Gleichwohl seien die transatlantischen Beziehungen "ein zentraler, tragender Pfeiler unserer Aussen- und Sicherheitspolitik", betonte Merkel. Ihn zu erhalten, sei im deutschen und europäischen Interesse. "Europa ist Teil des politischen Westens."

Russland hingegen habe etwa menschenrechtliche Konventionen und Regeln wiederholt verletzt. "Russland hat in seiner unmittelbaren Nachbarschaft einen Gürtel ungelöster Konflikte geschaffen und die ukrainische Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert", sagte Merkel. "Es unterstützt Marionettenregime in Teilen der Ost-Ukraine und greift westliche Demokratien mit hybriden Mitteln an, darunter auch Deutschland", fuhr die Kanzlerin fort.

Dennoch wolle sie den deutschen EU-Vorsitz zur Fortsetzung eines kritisch-konstruktiven Dialogs mit Russland nutzen. Grundlage für bessere Beziehungen könne jedoch nur "das Verständnis dafür sein, dass in den internationalen Beziehungen nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts".

Russland müsse ein Bekenntnis abgelegen zu gemeinsamen Leitlinien wie der Schlussakte von Helsinki und der Europäischen Menschenrechtskonvention. "Diesen Kanon hat Russland wiederholt verletzt."

Parteiübergreifende Unterstützung für Merkel

Die grossen Parteien im Europaparlament unterstützen die deutschen Schwerpunkte. "Wir brauchen eine wuchtige europäische Antwort auf die Herausforderung aus der Coronakrise", erklärte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber von der CSU.

Auch die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley betonte: "Die deutsche Ratspräsidentschaft setzt im Zeichen der Pandemie richtige Prioritäten." Es sei wichtig, dass die Bundesregierung auch beim Weg aus der Krise auf das Thema Rechtsstaatlichkeit setze. Auch die wirtschaftlichen Hilfen müssten an die Einhaltung europäischer Werte geknüpft werden, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments.

Die Grünen-Fraktionschefin Ska Keller begrüsste, dass sich Merkel hinter ein kreditfinanziertes EU-Konjunkturprogramm gestellt habe. Das sei ein wichtiger Fortschritt. "Jetzt geht es darum, eine Mehrheit dafür zu gewinnen bei den Treffen des Europäischen Rats."

Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan drängte Merkel zu einer klaren sozialpolitischen Ausrichtung. Die Ratspräsidentschaft müsse sowohl den europäischen Mindestlohn als auch eine Reform der Migrationspolitik vorantreiben.

Gleichzeitig kritisierte Schirdewan die Verschuldung der "Next Generation" durch die mehreren hundert Millionen Euro, die die EU-Kommission zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Coronakrise zur Verfügung stellt.

"Die Kommission streut sich selber Sand in die Augen, wenn sie glaubt, dass der Beitrag von 750 Milliarden Euro ausreicht, um zu verhindern, dass die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten in eine lang andauernde Depression schlittern werden", schrieb Schirdewan in einem Post auf seinem Facebook-Account. (dpa/AFP/hau)

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