Die Wirtschaftsmacht Deutschland konnte bislang die Folgen der Coronakrise finanziell einigermassen gut abfedern. Die grosszügigen Corona-Staatshilfen Berlins sorgen in der EU allerdings für Unmut. Die Mitgliedsstaaten fürchten eine Wettbewerbsverzerrung.

Mehr aktuelle News finden Sie hier

Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft der EU in eine beispiellose Krise gestürzt. Wie nie zuvor versucht die Bundesregierung, deutsche Unternehmen mit Staatshilfen zu unterstützen.

Doch die grosszügigen Subventionen aus Berlin sorgen im Rest der EU für Unmut. Denn sie könnten die Wettbewerbsbedingungen in Europa verzerren und Firmen aus Deutschland zu den grossen Profiteuren der Krise machen.

Deutschland gibt meiste staatliche Hilfen

Als eine der ersten Krisenmassnahmen hatte die EU-Kommission die Regeln für Staatsbeihilfen Mitte März deutlich gelockert. Seitdem haben die sonst so strengen Brüsseler Wettbewerbshüter jeden Hilfsantrag durchgewunken, der als Folge der Pandemie angemeldet wurde - von Direktzahlungen über Kredite bis zu Garantien und sonstigen Liquiditätshilfen für Unternehmen.

Das Volumen ist beachtlich. Laut EU-Kommission wurden bisher staatliche Hilfen von 1,95 Billionen Euro genehmigt. Der mit Abstand grösste Teil entfiel mit 51 Prozent auf Deutschland. Es folgen Frankreich mit 17 Prozent und Italien mit gut 15 Prozent, bei Belgien sind es drei Prozent. Alle anderen EU-Staaten liegen derzeit darunter.

Lesen Sie auch: Alle Entwicklungen rund um das Coronavirus in unserem Live-Blog

"Wenn einer mehr geben kann als andere, dann sind wir dabei, die Wettbewerbsregeln zu verzerren", sagte jüngst der aus Spanien stammende EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell. Dies könne den EU-Binnenmarkt "stark beeinträchtigen".

Frankreich fordert "gleiche Wettbewerbsbedingungen"

Tatsächlich hat auch die Corona-Pandemie wie jede Krise ihre Chancen. Unternehmen, die am Ende dank staatlicher Hilfe relativ gut dastehen, könnten schwächelnde Konkurrenten schlucken oder sind einfach nur wieder schneller am Start, um Wettbewerbern Marktanteile abzujagen.

Aus Frankreich, das traditionell viel stärker als Deutschland auf Staatshilfen setzt, kommt bisher eher verhaltene Kritik an Berlin: "Wir wollen, dass der Rahmen einheitlich angewandt wird", heisst es aus Paris. Es müsse sichergestellt werden, "dass im Binnenmarkt gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen, wenn Transaktionen erlaubt werden."

Deutliche Kritik aus Spanien

Ein hochrangiger Vertreter der spanischen Regierung geht weiter: "Deutschland hat haufenweise Geld, um seine Unternehmen bei Bedarf zu finanzieren", sagt er. "Das Mindeste, was wir tun können, ist zu verlangen, dass es sich solidarisch zeigt."

Spanien gehört zu den Ländern, die mit Blick auf den geplanten billionenschweren "Wiederaufbauplan" der EU fordern, dass Gelder als Zuschüsse und nicht als Kredite fliessen. Denn mit nicht rückzahlbaren Hilfen aus Brüssel bekämen auch hoch verschuldete Länder im Süden Europas finanziell Luft, besser auf die Krise zu reagieren.

EU-Kommission betont Rolle Deutschlands: "Lokomotive Europas"

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sieht das deutsche Vorgehen bei Staatshilfen aber auch im Interesse aller Mitgliedstaaten. "Es ist wichtig, dass Deutschland so handelt, denn es ist auf gewisse Weise die Lokomotive Europas", sagte die Dänin vergangene Woche. Es sei aber natürlich "traurig, dass nicht alle denselben Haushaltsspielraum wie Deutschland haben". Dafür müssten "Lösungen gefunden werden".

Ende vergangener Woche hat die Kommission dann die Bedingungen für den direkten Einstieg des Staates bei Firmen verschärft, wie er jetzt bei der Lufthansa im Gespräch ist. Dazu gehört neben einem Verbot der Zahlung von Dividenden und Managerboni auch der Ausschluss von Übernahmen von Konkurrenten, solange nicht 75 Prozent der Staatshilfe zurückgezahlt sind. Eine Beteiligung bei Wettbewerbern ist davor maximal mit bis zu zehn Prozent möglich.

"Das alles dient dazu, dass eine Rekapitalisierung (durch den Staat) nur der letztmögliche Ausweg bleibt", sagt der auf Wettbewerbsrecht spezialisierte Anwalt Eric Paroche von der Kanzlei Hogan Lovells. Mit dem Übernahmeverbot werde "das rekapitalisierte Unternehmen daran gehindert, eine Rolle bei der Konsolidierung zu spielen." (hub/afp)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.