Nach den Terror-Anschlägen von Paris hat Frankreich seine militärischen Aktionen gegen den Islamischen Staat verstärkt. Unterstützung kommt nun vom Hackernetzwerk "Anonymous", das der IS-Terrormiliz sogar den Krieg erklärt. Aber haben diese Aktionen wirklich Erfolg?
Facebook, Twitter & Co: Die Propagandamaschine des Islamischen Staats nutzt die sozialen Netzwerke geschickt aus, um ihre verstörenden Botschaften rund um den Globus zu verbreiten und neue Kämpfer anzuwerben.
Hinrichtungsvideos, politische Erklärungen oder Predigten werden so in Sekundenschnelle im Internet verbreitet.
Die weltweit operierende Hackernetzwerk Anonymous hat als Reaktion auf die Terroranschläge von Paris nun angekündigt, die digitalen Umtriebe des IS bekämpfen zu wollen.
- Hier die Kampfansage von Anonymous gegen den IS im VIDEO
"Anonymous wird Sie auf der ganzen Welt jagen. Wir werden die grösste Operation starten, die wir jemals unternommen haben. Erwarten Sie viele, viele Cyberattacken", wird die Gruppierung in der französischen Tageszeitung "Le Parisien" zitiert.
Auf einem Twitter-Account, der Anhängern von Anonymous zugeordnet wird, ist sogar vom Krieg mit dem IS die Rede.
In dem Tweet hiess es zudem selbstbewusst: "Wie sind die besseren Hacker".
Kann Anonymous dem IS schaden?
Ob Anonymous tatsächlich in der Lage ist, dem IS einen relevanten Schaden zuzufügen, ist für Ronald Schulze, IT-Experte beim Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), keineswegs klar.
"Die informationstechnischen Strukturen von Anonymus, aber leider auch vom IS, sind derzeit nicht aufgeklärt", meint Schulze.
Über die Organisation der Hacker auf beiden Seiten wissen die Sicherheitsorgane zu wenig, um das Bedrohungspotenzial beurteilen zu können.
Ein Grund: Beide Organisationen arbeiten mit verschleiernden und anonymisierenden Mitteln. "Wie effektiv die Angriffe von Anonymous gegen den IS sind, lässt sich daher schwer einschätzen", betont Schulze.
So viel ist sicher: Bereits im Februar hackten Mitglieder der Gruppe Hunderte Twitter- und Facebook-Konten der Dschihadisten. In einer Videobotschaft sprachen die Aktivisten schon damals eine klare Warnung aus.
"ISIS, wir werden euch jagen, eure Webseiten, Emails und Onlinekonten aus dem Netz nehmen, und eure Identität aufdecken. Von jetzt an gibt es für euch keinen sicheren Ort mehr im Netz. Ihr werdet wie ein Virus behandelt werden, und wir sind das Heilmittel."
Anonymous löscht unzählige IS-Accounts
Insgesamt hat Anonymous nach eigenen Angaben in einem Jahr 149 IS-Websites vom Netz genommen, über 100.000 Twitter-Accounts gemeldet und rund 6.000 Propaganda-Videos markiert.
Das grosse Ziel sei es, die geschützten Kommunikationskanäle der Miliz offenzulegen.
Das Kollektiv beruft sich dabei auf seine Vielfalt: Muslime, Christen und Juden seien aktiv, sie repräsentierten alle Länder, Religionen und Ethnien.
Für Roland Schulze ist die Konzentration von Anonymous auf die sozialen Netzwerke aufgrund ihrer Bedeutung für die Terrorgruppe nachvollziehbar.
Aber er schränkt auch ein: "Ob dem IS dadurch ein wirklicher Schaden entsteht, kann man nicht eindeutig sagen."
Das liegt unter anderem daran, dass neue Facebook- und Twitter-Accounts schnell angelegt sind.
Es wirkt wie die Auseinandersetzung mit der Hydra, dem mehrköpfigen Ungeheuer aus der griechischen Mythologie: Wird eine Seite gelöscht, tauchen schnell zwei neue auf. Ein andauernder Kampf – oder gar ein Krieg?
Geheimdienste lesen mit
"Nein", sagt Ronald Schulze. Weil sich Aktionen von Anonymous bisher vor allem auf die Sabotage von IS-Internetseiten oder Profilen in den sozialen Netzwerken gerichtet hätten, hält er den Begriff für unzutreffend.
"Von einem Cyberkrieg, oder gar einer neuen Stufe eines Cyberkriegs, würde ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen", erklärt der IT-Fachmann.
Im Cyberkrieg seien nämlich insbesondere die sogenannten kritischen Infrastrukturen eines Landes Anschlagsziel, etwa die Strom- oder Wasserversorgung.
Dennoch kann das Vorgehen von Anonymous dem IS einen erheblichen Schaden zufügen, denn auch die Nachrichtendienste werten von Hackern öffentlich gemachte Daten aus.
"Damit partizipieren die Nachrichtendienste ebenfalls von solchen Aktionen", betont Schulze, "wobei Informationen aus offenen Quellen immer entsprechend bewertet werden müssen."
Allerdings könnte es hier auch eine Kehrseite geben, wie andere Experten nahelegen. Sollte Anonymous tatsächlich in der Lage sein, die Seiten der Dschihadisten komplett aus dem Netz löschen, wären die Geheimdienste wichtiger Informationsquellen beraubt.
Genau das dürfte eigentlich nicht im Sinne von Anonymous sein.
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