Bomben in Bangkok, tödliche Schüsse am Strand von Tunesien – gerade Touristenregionen werden immer wieder zum Ziel von Terroristen. Ist die Welt ein gefährlicherer Ort geworden? Die Antwort fällt ernüchternd aus.
Die Angst reist mit bei Touristen, die in diesen Tagen nach Thailand fahren. Bei einem verheerenden Bombenanschlag vor über einer Woche in Bangkok starben 20 Menschen, 120 wurden verletzt. Auch andere Reiseziele waren in diesem Jahr schon Schauplatz blutiger Attentate, vor allem Tunesien traf es hart: Im März erschossen Terroristen 21 Menschen in Tunis, im Juni tötete ein Islamist 39 Menschen am Strand von Sousse.
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nirgendwo, auch nicht in Touristenhochburgen, das dürfte jedem klar sein. Bei all den Schreckensnachrichten in jüngerer Zeit verstärkt sich aber Eindruck, dass die Welt in den letzten Jahren unsicherer geworden sei. Nur: Einen einfachen Beweis dafür gibt es nicht. "Ein klarer Trend lässt sich nicht ausmachen", sagt
Der Global Terrorism Index
Die Anzahl der als besonders gefährlich eingestuften Länder ist in den vergangenen Jahren nicht gestiegen, stellt Michael Müller fest. Man könne also nicht pauschal sagen, dass die Welt ein gefährlicherer Ort geworden sei. Eine Veränderung beobachtet er trotzdem: "Was wir erleben, ist eine regionale Verschiebung."
Regionen, die in den vergangenen Jahrzehnten als relativ sicher galten, geraten plötzlich in den Fokus. Als Beispiel nennt Müller Nordafrika. Die Erosion alter Machtstrukturen im Arabischen Frühling 2011 hat in einigen Staaten zu instabilen Verhältnissen geführt. In den letzten Jahren gab es immer wieder terroristische Attacken, die auf Touristengebiete in Tunesien, Ägypten und Marokko zielten. Das Kalkül dahinter: Bleiben die Gäste weg, bricht ein wichtiger Wirtschaftszweig zusammen, der Staat wird geschwächt. Tatsächlich sind zum Beispiel im Libanon nach einigen Bombenanschlägen die Gästezahlen 2014 um ein Viertel eingebrochen, in Tunesien sieht es ähnlich aus.
Es stimmt: Terroristen suchen sich gezielt Touristenzentren als Ziele. Dagegen sind die Länder relativ machtlos – der Attentäter von Sousse trug Shorts und versteckte seine Kalaschnikow unter einem Sonnenschirm. Mit der Gefahr durch Terroristen von Al Kaida bis IS scheint also auch die Gefahr für Touristen zu wachsen. Die Zahlen des Global Terrorism Index klingen alarmierend: Für 2013 verzeichneten australische Forscher 18.000 Todesopfer durch Anschläge. Ein ungeheurer Anstieg, im Jahr davor waren es noch 61 Prozent weniger. Aber: Auch der internationale Krieg gegen den Terror hat die Welt nicht gerade friedlicher gemacht: Allein im Irak starben laut der NGO "Iraq Body Count" seit 2004 bis heute rund 211.000 Menschen durch Gewalt.
Die Medien schüren Angst
In einigen Ländern hat sich die Sicherheitslage durchaus verbessert. Michael Müller von Control Risks denkt hier besonders an Brasilien und Kolumbien. Beide Länder sind allerdings keine traditionellen Reiseziele der Deutschen - sie stehen nicht im Fokus der Medien, wenn nicht gerade eine Weltmeisterschaft stattfindet.
Was wir nicht wissen, kann uns keine Angst machen, das gilt auch im Hinblick auf die Sicherheit auf der Welt. Die Bedrohungslage in der Türkei zum Beispiel ist normalerweise wenigen Menschen in Deutschland präsent. "An solche Reiseländer haben viele eine gute Erinnerung, und dann sehen sie plötzlich diese Anschläge", sagt Müller. Das ruft natürlich starke Emotionen hervor. Bei seinen Kunden ist das anders: Unternehmen, die dort Geschäfte machen, haben die terroristische Bedrohung an der türkischen Grenze zu Syrien schon lange wahrgenommen.
Müller führt noch einen weiteren Faktor ins Feld, der das Bild von einem Land prägt: die Medienberichterstattung. "Dadurch steigt vor allem die Risiko-Awareness an." Aus Nigeria zum Beispiel höre man viel über Boko Haram. Ein Unternehmer wollte wissen, wie er seine Mitarbeiter vor ihnen schützen könnte – dabei operierte er in einem Gebiet, in dem die Terroristen überhaupt nicht tätig sind.
Viele Reisende machen sich im Vorfeld auch über die sozialen Medien ihr Bild von einem Land. Müller hält das für zumindest bedenkenswert: "Twitter und Facebook sind gute Informationskanäle, aber auch ungefiltert und emotional." Dadurch bleibt oft die Differenzierung auf der Strecke.
Keine gesicherten Zahlen
Auch Tourismus-Professor Dr. Adrian Freiherr von Dörnberg wies jüngst in einem Interview mit der "WAZ" auf das Problem mangelnder Differenzierung hin. Er führte das Beispiel Ägypten an, für das eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes besteht. Natürlich sei die Sinai-Region gefährlich, und auch in Kairo komme es zu Unruhen. "Aber andere Gebiete wie die Baderegion El Gouna können sicher bereist werden. Das wird aber viel zu selten und auch viel zu leise erwähnt."
Das Auswärtige Amt hat derzeit Reisewarnungen und Sicherheitshinweise für 25 Länder ausgesprochen. Ausserdem gilt eine generelle Warnung vor Anschlägen. Allerdings schreibt das Auswärtige Amt: "Die Gefahr, Opfer eines Anschlages zu werden, ist im Vergleich zu anderen Risiken, die Reisen ins Ausland mit sich bringen, wie Unfällen, Erkrankungen oder gewöhnlicher Kriminalität, vergleichsweise gering."
Tourismus-Professor Dörnberg wagt sogar eine generelle Aussage zur globalen Sicherheit, die Experte Michael Müller von Control Risks tunlich vermeidet: "Die Lage ist nur gefühlt unsicherer als sonst beziehungsweise in der Vergangenheit", sagte Dörnberg der "WAZ". "Es gab und gibt immer wieder massive Krisen, Unglücke oder Anschläge."
Darüber, ob die Welt nun genau so sicher oder sicherer ist als früher, tobt seit einigen Jahren ein interessanter Streit unter Gelehrten. Der Harvard-Professor Steven Pinker vertritt die These, dass die Welt gerade die friedlichste Epoche seit ihrer Besiedlung durch den Menschen erlebt - zumindest gemessen an der Wahrscheinlichkeit, eines gewaltsamen Todes zu sterben. Er belegt das unter anderem mit der sinkenden Zahl der Kriegstoten. Seine Kritiker wie der Philosoph John Gray wenden ein, Pinker blende die Opfer von alltäglicher Gewalt, Folter und Terrorismus aus. Auf welcher Seite man auch immer steht: Genaue Zahlen sind kaum zu bekommen - so muss man sich letztlich doch auf sein Gefühl verlassen.
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