Ein Mann lenkt ein Auto in eine Gruppe von Demonstranten, es gibt zahlreiche Verletzte. Jetzt laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen. Die Polizei informiert über neue Details.
Die Zahl der Verletzten nach dem Anschlag in München ist laut Polizei auf 36 gestiegen. Ein Teil von ihnen sei schwer verletzt worden, teilte die Polizei mit. Ein zweijähriges Mädchen im Haunerschen Kinderspital befinde sich in kritischem Zustand auf der Intensivstation, hatte ein Sprecher des LMU Klinikums in München zuvor gesagt.
Am LMU Klinikum wurden an den beiden Standorten Grosshadern und Innenstadt insgesamt 14 Verletzte behandelt. Einige Patienten waren schwer verletzt, vier mussten den Angaben zufolge umgehend operiert werden. Es gebe zwei Schwerstverletzte, darunter auch das zweijährige Kind.
Bei den Verletzten handle es sich um 32 männliche und vier weibliche Personen im Alter von zwei bis 60 Jahren.
Guido Limmer vom Landeskriminalamt erklärte, dass die Polizei nun einige Videos auswerte, die von Zeugen am Tatort aufgenommen wurden. Zudem werde das Handy des Täters ausgewertet, auf dem bisher vor allem Inhalte in der Sprache Dari gefunden worden seien. Die Polizei konnte dabei "eine gewisse islamistische Ausrichtung feststellen", sagte Limmer. An einen Angehörigen habe der Täter vor dem Anschlag geschrieben: "Vielleicht bin ich morgen nicht mehr da."
Täter fuhr mit seinem eigenen Auto
Der Täter war mit einem Auto, einem Mini Cooper, in eine Menschenmenge eines Demonstrationszugs gefahren. Dabei handelte es sich um sein eigenes Auto, wie Limmer sagte.
Durchsuchungen der Wohnung und anderer Orte hätten bisher keine Erkenntnisse auf eine mögliche Vorbereitung auf die Tat oder mögliche Mittäter erbracht. Viele Zeugen gelte es noch zu vernehmen. Ein Arbeitskollege habe der Polizei gesagt, der Täter sei zuletzt "ein bisschen durch den Wind gewesen".
Gabriele Tilmann, leitende Oberstaatsanwältin, ergänzte, dass zur Aufklärung der Hintergründe "noch sehr viel ermittelt werden" müsse. Zudem betonte sie: "Wir stehen noch am Anfang." Ermittler seien nun dabei, die elektronischen Medien auszuwerten und Aktivitäten auf Social Media zu analysieren. Zudem würden Kontakte und Standortdaten geprüft. Der Täter war demnach auf Instagram aktiv und bezeichnete sich dort als Fitnessmodel und Athlet. "Er postete verschiedene Beiträge, die auch religiösen Bezug hatten. Er war tatsächlich sehr religiös und trug das auch nach aussen", sagte Tilmann. Auch in WhatsApp-Chats habe er sich religiös geäussert. Der 24-Jährige habe regelmässig gebetet, nach der Festnahme habe er "Allahu akbar" gerufen.
Täter äusserte sich zu Motiv
Der Täter habe sich zudem selbst zur Tat geäussert. Dabei habe er eingeräumt, bewusst in die Teilnehmer des Demonstrationszugs gefahren zu sein. Als Begründung nannte er demnach eine religiöse Motivation, nähere Details dazu wollte Tilmann nicht nennen. Die Vernehmung sei auf Deutsch geführt worden.
Auch Tilmann bestätigte, dass die Ermittler derzeit von einer "islamistischen Tatmotivation" ausgehen. Der Täter sei jedoch nicht in eine islamistische Organisation eingegliedert - wie etwa der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Bisher gebe es auch keine Hinweise auf mögliche Mittäter oder -helfer. Es sei "kein Tatbeteiligter" am Tatort gewesen.
Heute Nachmittag soll der Täter einem Haftrichter vorgeführt werden, es wurde Haftbefehl wegen versuchten Mordes beantragt.
Laut Tilmann gebe es bisher keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung des 24-Jährigen. Auf Nachfrage stellte sie klar, dass aufgrund von Fluchterfahrungen 2016 bei seiner Einreise nach Deutschland eine posttraumatische Belastungsstörung bestand. Von aktuellen psychischen Problemen habe sie jedoch "keine Kenntnis".
Vorbestraft war der 24-Jährige nach Auskunft der Behörden bislang nicht. Es habe nur einmal in Bayern ein Verfahren wegen Arbeitsamtsbetrugs gegeben, sagte Tilmann. Er habe sich arbeitslos gemeldet, dann eine Tätigkeit begonnen und sich nicht rechtzeitig wieder abgemeldet. Das Verfahren sei gegen eine Geldauflage eingestellt worden, weil es nur ein sehr kurzer Zeitraum gewesen sei. Dies sei das einzige Ermittlungsverfahren in Bayern gewesen, das es gab.
Fahrer von München log laut Gericht über Fluchtgeschichte
Laut einem Gerichtsurteil hat der 24-jährige Afghane über seine Fluchtgeschichte gelogen. Im schriftlichen Urteil aus dem Oktober 2020 zur Klage des heute 24-jährigen Afghanen gegen die Ablehnung seines Asylantrags kommt das Verwaltungsgericht München zu dem Schluss, "dass dieser die Geschichte nur erfunden hat", um ein Bleiberecht zu erhalten. Das Urteil liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuerst hatte "Spiegel" darüber berichtet.
Demnach hatte der Afghane gegenüber dem Gericht unter anderem erklärt, er werde von Mitgliedern einer kriminellen Bande verfolgt, die auch seinen Vater umgebracht hätten. Die zugehörigen Schilderungen des Mannes hielt das Verwaltungsgericht aber für unglaubwürdig, "detailarm und lebensfremd".
Der Asylbewerber legte laut Urteil zudem ärztliche Atteste vor, wonach er an einer posttraumatischen Belastungsstörung, an einem den Alltag schwer beeinträchtigenden Wiedererleben traumatischer Situationen, an Schlafproblemen und an einer Störung der Impulskontrolle leide.
Laut Verwaltungsgericht stammten die Atteste aber aus dem Jahr 2017. Laut eigener Aussage vor Gericht sei er zudem während des Verfahrens nicht wegen psychischer Probleme in Behandlung gewesen. Damit gebe es diesbezüglich auch kein Hindernis für eine Abschiebung nach Afghanistan. Das Verwaltungsgericht bestätigte letztlich die Ablehnung des Asylbescheids.
Die Landeshauptstadt München erliess dann aber im April 2021 einen Duldungsbescheid und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis für den 24-Jährigen. Er hielt sich damit zuletzt rechtmässig in Deutschland auf. (tas)
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz der Polizei und Staatsanwaltschaft in München
- dpa
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