- Architects for Future ist eine Gruppe von Architekten, Handwerkern und Planern, die sich für einen nachhaltigen Wandel in der Baubranche einsetzen.
- Doch wie könnte dieser Wandel aussehen?
- Zwei der Mitglieder, Elisabeth Broermann und Sebastian Lederer, erläutern ihre Visionen im Interview.
Frau Broermann, Herr Lederer, was ist die Idee hinter Architects for Future?
Lederer: Bei Architects for Future setzen wir uns dafür ein, Bauen und die Probleme des Bauens dahin zu verschieben, dass sie ein Teil der Lösung werden. Aktuell entstehen 40 Prozent der CO2-Emissionen im Bauen und Wohnen. Mittels nachwachsender Rohstoffe könnte man zum Beispiel CO2 wieder binden, etwa in Form von Kohlenstoff. Das ist der Grundgedanke: Die ganzen Probleme, die das Bauen gerade hat, müssen wir anpacken. Aber parallel dazu wollen wir auch einen positiven Fussabdruck hinterlassen.
Broermann: Wir wollen also nicht immer nur den erhobenen Zeigefinger, sondern auch positive Visionen aufzeigen. Selbst in der Branche ist es oft nicht bekannt, was für ein riesiger Klima- und Ressourcenhebel im Bausektor steckt.
Was wären denn Beispiele für solche positiven Visionen?
Lederer: Ein gutes Beispiel wäre eine autofreie Innenstadt. Wenn man die Autos in der Stadt reduziert und dadurch Parkflächen freiwerden, kann man andere Nutzungen schaffen, zum Beispiel Cafés mit Aussenbereichen und Begrünungen. So kann man die Menschen wieder zusammenbringen, damit sie sich austauschen und das Mikroklima verbessern.
Trotzdem gibt es ja jede Menge Probleme. Wo kann man da ansetzen?
Lederer: Vor allen bei den CO2-Emissionen! Wie gesagt, entfallen global betrachtet fast 40 Prozent, auf Bauen und Wohnen. Deshalb müssen wir wegkommen von fossilen Energien.
Broermann: Man muss bei den Statistiken genau hinschauen. Zurzeit wird viel dem Energiesektor zugetragen, z.B. Heizwärme, oder auch dem Verkehr. Aber eigentlich geht es um Rohstoffe fürs Bauen, die von A nach B transportiert werden. Bei Standardstatistiken wird der Gebäudesektor mit 15 Prozent angegeben, das betrifft aber nur die Betriebsenergie, also z.B. was wir für das Heizen und Kühlen eines Gebäudes verbrauchen. Wenn man aber die anderen Teile dazurechnet, sind wir bei 40 %. Alle reden von Landwirtschaft oder Flugverkehr, die definitiv auch wichtig sind. Aber die Zementindustrie allein ist für 8 % aller CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist in etwa 2,5 Mal so viel wie der gesamte Flugverkehr weltweit.
Architects for Future: "Neubau ist ein Riesenproblem"
Welche Lösungen schlagen Sie dafür vor?
Lederer: CO2-Emissionen kann man trennen in Betriebsenergie und die Energie, die beim Bauen in die Gebäude fliesst, etwa in Form von Zement oder Beton als Baustoff. Wenn man diesen Bereich des Bauens betrachtet, sieht man, dass Neubau ein Riesenproblem ist, Bestandsgebäude aber diese Energie schon gespeichert haben. Wir haben also schon einmal die Energie aufgewandt, ein Gebäude zu bauen, reissen es dann aber ab und bauen es wieder neu. Stattdessen könnte man die bestehende Substanz nutzen. Mit energetischer Sanierung, Umnutzung von Leerstand, Aufstockungen usw. Dadurch könnte man den Emissionsanteil deutlich reduzieren. Und man hätte weniger Rohstoffverbrauch und weniger Müll! Eine zweite Sache wäre die Frage der Suffizienz: Also wie viel Wohnraum brauchen wir tatsächlich? Könnte man Material reduzieren? Und müssen wir Beton nutzen oder können wir auf ein anderes Material umsteigen?
Welche Materialien bieten sich hier an?
Broermann: Eigentlich braucht man Beton nur unterirdisch. Oberirdisch kann man auf Holzbauweise umsteigen. Der konstruktive Holzbau stellt die Tragstruktur, also Stützen und Geschossebenen. Gräser, wie Stroh oder Hanf, könnten die Wände füllen. Es wird auch mit Pilzen experimentiert. Das ist noch Zukunftsmusik, wird aber bestimmt noch kommen.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Bauunternehmen, in der Städteplanung oder der Politik aus?
Lederer: Wir schreiben öffentliche Briefe und Stellungnahmen. Zum Beispiel haben wir gerade ein Statement zum KfW-Förderstopp veröffentlicht. Wir versuchen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man als politisch agierende Person mehr in Richtung klimaneutrale Gebäude und klimapositives Bauen kommen kann.
Broermann: Wir sind keine Beratungsgremien, wir formulieren unsere Vorschläge als offene Briefe. Dann kann es sein, das Personen aus der Politik auf uns zukommen und wir uns dann austauschen. Wir sind überparteilich und sprechen alle Fraktionen an. Natürlich freuen wir uns, dass es nun eine Bauministerin gibt. Ansonsten richten wir unsere Forderungen an die baupolitischen Gremien der verschiedenen Parteien und der verschiedenen Ebenen, also Bund, Länder und Kommunen.
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Pläne der Ampel-Regierung?
Lederer: 400.000 Wohnungen pro Jahr ist eine Hausnummer, die wir kritisch sehen im Neubau. Denn die Bevölkerung in Deutschland wächst nicht. Was aber steigt, ist der Wohnraumbedarf pro Person. Man sollte also darauf achten, dass Wohnungen im Bestand entwickelt werden, dass man Dachaufstockungen macht, dass man nachverdichtet, dass man keine neuen Flächen versiegelt. Neubau auf der grünen Wiese ist nicht die Zukunft.
Wie sehen dann Ihrer Meinung nach die Städte in 50 Jahren aus?
Broermann: Anders. Wir merken ja heute schon, dass die Städte nicht auf das, was uns klimatisch gegeben ist, reagieren können. Wenn es Hitzesommer gibt oder Starkregenereignisse, sehen wir, dass Städte schon an ihre Grenzen kommen. Das heisst, es muss auf jeden Fall was verändert werden. Man spricht in diesem Zusammenhang oft von der Schwammstadt, die viel mehr Versickerungsfläche anbietet. In dem Moment, in dem der Individualverkehr reduziert wird, können wir viel mehr Fläche in den Strassenzügen entsiegeln und dort wieder Grün hinbringen.
Ein weiterer Punkt ist, die Fassaden mehr zu begrünen und dadurch eine natürliche Dämmung im Winter und eine natürliche Kühlung im Sommer herzustellen. Die Solarpflicht ist ja schon im Koalitionsvertrag verankert. Es wird also mehr Grün und mehr Glitzer geben.
Und dann sollten wir eben schauen, was jeder individuell braucht und was man gemeinschaftlich anbieten kann. Also wo kann in Wohngruppen gewohnt werden? Und wo kann man mit Holzbau nachverdichten? Hier in Berlin zum Beispiel ist auf den meisten Häusern der Speicher unausgebaut. Da könnten locker noch ein oder zwei Geschosse obendrauf – gerade mit Holzbau. Das geht auch viel schneller und ist oft günstiger, als Neubau.
Lederer: Man sieht heute ja schon den Trend, und ich glaube, das wird anhalten. Die Städte werden grüner und man wird wieder mehr Gemeinschaftlichkeit in die Städte bringen. Ich glaube, das brauchen wir auch wieder mehr. Vielleicht hat man bald wieder ein stärkeres Sozialgefüge. Ich finde, das ist eine schöne Vision für Städte in 50 Jahren.
"Klimaschutz ist eine Frage des gesellschaftlichen Wandels"
Also bedeutet Architektur auch gesellschaftlichen Wandel?
Lederer: Auf jeden Fall. Die Frage beim Klimaschutz ist generell die Frage des gesellschaftlichen Wandels. Wollen wir alles individuell machen? Will ich alleine in einem Haus auf der grünen Wiese wohnen oder wollen wir mit unseren Nachbarn Gemeinschaften gründen? Wenn wir wieder anfangen zu teilen, dann haben wir schon viele Ressourcen gespart.
Broermann: Die Luft zum Atmen ist eben nicht individuell teilbar. Die Klimakrise betrifft uns alle.
Sie tragen das “for Future“ im Titel. Gibt es eigentlich einen Austausch mit “Fridays for Future“?
Broermann: Es gibt ein ganzes Netzwerk mit über 30 Gruppen, die sich alle “for Future“ nennen. Diese arbeiten in einem Bündnis, das sich “Together for future“ nennt. Wir sind solidarisch mit “Fridays for Future“, aber jeder arbeitet in Teilbereichen für sich. Es kann aber schon vorkommen, dass wir uns austauschen und beraten.
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