• Das oberste britische Gericht lässt keine Berufung im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange zu.
  • Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks sitzt seit drei Jahren in Haft, ihm droht eine Auslieferung an die USA.
  • Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen kritisiert die Zurückhaltung der Bundesregierung in dem Fall.

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Der Kampf von Julian Assange geht weiter. Nach dem Beschluss des obersten britischen Gerichts, keine Berufung in dem Auslieferungsverfahren gegen den Wikileaks-Gründer zuzulassen, bleibt sein Schicksal bis auf Weiteres unklar. "Das ist eine dramatische Entscheidung, weil es um einen Präzedenzfall für die Pressefreiheit geht“, sagt Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen (RSF) Deutschland. Im Gespräch mit unserer Redaktion fügt er mit Blick auf öffentliche Reaktionen hinzu: "Die Aufregung müsste grösser sein.“

Der Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation kritisiert, dass sich die Bundesregierung zur aktuellen Entscheidung von Montag bisher nicht geäussert hat. Diese beharrt bisher stets darauf, dass Assange zweifelsohne ein rechtsstaatliches Verfahren in Grossbritannien bekomme. Fachleute, darunter auch Mihr, der im Laufe des bisherigen Prozesses schon einmal mehrere Wochen vor Ort war, sind vom Gegenteil überzeugt.

"Über zwei Jahre konnten wir immer wieder im Gericht beobachten, dass das Verfahren nichts als eine politisch motivierte Farce ist“, sagte er im Januar angesichts einer gemeinsamen Pressekonferenz der grossen deutschen Medienorganisationen (Offenlegung: Die Pressekonferenz wurde auf Initiative des Autors durchgeführt). Hierbei forderten neben Reporter ohne Grenzen auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) und Netzwerk Recherche zusammen mit je einem Verband aus Österreich und der Schweiz sowie dem Investigativjournalisten Günter Wallraff die Freilassung von Assange.

Bundesregierung hält sich zurück

Als Kanzlerkandidatin im Wahlkampf hatte sich die heutige Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ebenfalls für eine Freilassung ausgesprochen, sich seitdem aber nicht mehr in dieser Richtung geäussert. Im Frühjahr 2021 schlossen sich zudem weitere heute in der Ampelkoalition vertretene Politikerinnen und Politiker einem entsprechenden Aufruf von Wallraff an, darunter Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne), Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie die Bundestagsvizepräsidenten Katrin Göring-Eckardt (Grüne) und Wolfgang Kubicki (FDP).

Die Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Luise Amtsberg (Grüne), kündigte Ende Januar in einem Interview mit der Berliner Zeitung an, sie wolle sich "erst einmal ein Bild über die Hintergründe und aktuellen Entwicklungen machen, aber auch über die Befindlichkeiten unserer europäischen Partner, bevor ich diesen Fall öffentlich kommentiere“.

Reporter ohne Grenzen: Deutsche Aussenpolitik schadet sich selbst

"Wir werden die Bundesregierung immer wieder daran erinnern, dass sie nicht glaubwürdig ist und ihr Image leidet, wenn sie sich nicht stärker für Assange einsetzt“, sagt Christian Mihr von RSF. Wenn sie Menschenrechtsverstösse nur in bestimmten Ländern anprangere, sei das nicht konsistent, dadurch schwäche sich die deutsche Politik selbst. Im Koalitionsvertrag stehe schliesslich etwas von einer sogenannten wertebasierten Aussenpolitik: "Das schliesst mit ein, dass man auch verbündete Länder wie Grossbritannien und die USA kritisiert.“

Im Vereinigten Königreich liegt die Entscheidung darüber, ob der 50-jährige Australier ausgeliefert wird oder nicht, zunächst nun bei Innenministerin Priti Patel von der Konservativen Partei. Assanges Anwältinnen und Anwälte haben vier Wochen Zeit, Stellungnahmen bei ihr einzureichen, bevor sie ihren Entschluss fasst. Lässt Patel eine Überstellung zu, könnten sie vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ziehen. Reporter ohne Grenzen schätzt, dass ein solches Verfahren mehrere Jahre dauern könnte.

Sonderberichterstatter: Fall Assange "einer der grössten Justizskandale aller Zeiten"

Theoretisch könnte Assange auch noch gegen andere Aspekte des in erster Instanz verlorenen Prozesses Berufung einlegen. Reporter ohne Grenzen zufolge wäre er der erste Medienschaffende, gegen den wegen eines Spionagegesetzes ermittelt würde. Bis zu einer endgültigen Entscheidung setzt Geschäftsführer Christian Mihr auf Druck aus der Zivilgesellschaft: "Öffentlichkeit macht einen Unterschied, es ist aber nicht leicht, weil wir es mit mächtigen Nachrichtendiensten zu tun haben.“

Anfang 2021 hatte eine Richterin den Auslieferungsantrag der USA, wo Assange 175 Jahre Haft drohen, abgelehnt, weil angesichts seines schlechten Gesundheitszustands ein Suizid dort nicht auszuschliessen sei. Im Dezember hob ein Gericht diese Entscheidung auf, bevor im Januar 2022 dann die Entscheidung folgte, dass der Gründer von Wikileaks Berufung vor dem Höchstgericht einlegen darf. Die Enthüllungsplattform hatte unter anderem Dokumente veröffentlicht, die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und dem Irak belegen. Laut Nils Melzer, Sonderberichterstatter für Folter der Vereinten Nationen, handelt es sich bei dem Fall um einen der "grössten Justizskandale aller Zeiten“.

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