Pause im Asylstreit? Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) haben sich auf eine Zwei-Wochen-Frist geeinigt, in der die Kanzlerin weiterhin versuchen will, eine europäische Lösung für die anhaltende Krise voranzutreiben. Worum es in der Auseinandersetzung geht, aus der in Deutschland eine Regierungskrise wurde – und wie andere EU-Länder an ihren Grenzen mit Migranten umgehen.

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Ob der Burgfrieden zwischen CDU und CSU wirklich zwei Wochen hält, ist ungewiss. Und selbst wenn: Was passiert, falls Angela Merkel während dieser Frist nicht weiterkommt in dem Bemühen, die Partnerländer in der EU auf eine gemeinsame Linie bringen?

Einige malen schon einen Bruch der Koalition und anschliessende Neuwahlen an die Wand. Dann hätte das Asylrecht, das schon in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD ein konfliktträchtiges Dauerthema war, einmal mehr die deutsche Innenpolitik durch­einandergewirbelt.

Wichtigster Streitpunkt ist die Frage, ob Asylbewerbern die Einreise nach Deutschland gestattet werden soll, wenn sie keine Papiere haben oder ihr Asylantrag bereits abgelehnt wurde.

Horst Seehofer will Flüchtlingen die Einreise verweigern, wenn sie bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei erfasst sind. Denn dann hätten sie bereits im Einreiseland Asyl beantragen müssen.

Das Problem dabei ist: Grenzkontrollen im europäischen Schengenraum sind nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich, die im November 2018 ausläuft.

Die Bundeskanzlerin drängt daher auf eine europäische Lösung. Ihr kommt entgegen, dass die Flüchtlingszahlen stark rückläufig sind.

Ausserdem steht zu befürchten, dass andere EU-Länder auf einen deutschen Einreisestopp mit Gegenmassnahmen reagieren würden. Italien beispielsweise könnte die Registrierung der Flüchtlinge beenden und ihnen damit die Einreise auch nach Deutschland ermöglichen.

Andere EU-Länder haben auf die Flüchtlingskrise auf verschiedene Weise reagiert. Hier eine Auswahl ihrer Massnahmen:

Von Grenzkontrollen bis zum Stacheldraht-Zaun

Frankreich weist schon länger Migranten an der Grenze zurück. Im vergangenen Jahr wurde 85.000 Ausländern die Einreise nach Frankreich verweigert. Dies betrifft vor allem die Grenze zu Italien.

Die französische Polizei stoppt Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung für Frankreich und schickt sie zurück ins Nachbarland. Ende 2015 hat Frankreich die innerhalb des Schengenraums eigentlich ausgesetzten Grenzkontrollen wieder eingeführt.

Österreich: Seit September 2015 werden die Grenzen zu Ungarn und Slowenien auch mit Hilfe von Soldaten kontrolliert. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) behält es sich vor, mit Beginn der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli bis zum Jahresende solche Binnengrenzkontrollen anlassbezogen, temporär, punktuell und selektiv zu allen Nachbarstaaten Österreichs anzuordnen.

Dänemark hat Anfang 2016 Kontrollen an der Grenze zu Deutschland eingeführt und seitdem mehr als 5.500 Ausländer abgewiesen. Die meisten kamen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak und hatten kein Visum oder gefälschte Pässe.

Dänemark schickt möglichst viele Flüchtlinge zurück in andere EU-Länder, wenn sie dort bereits Asyl beantragt haben.

Die Niederlande versuchen, nach dem Dublin-Verfahren Asylbewerber zurückzuschicken, die bereits in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben. Das gelingt aber nur in 15 Prozent der Fälle.

Von den abgewiesenen Asylbewerbern verlassen dem Bericht zufolge weniger als die Hälfte die Niederlande. 2017 kamen 31.000 Asylsuchende ins Land.

Polen verweigert sich

Polen: Warschau verweigert unter Verweis auf Sicherheitsgründe und Terrorgefahren die von der EU beschlossene Umverteilung von Migranten und treibt zusätzlich zu den geltenden Dublin-Regeln und EU-Vereinbarungen strengere Einreisebestimmungen voran.

Änderungen der Migrationsgesetze sollen Abschiebungen vereinfachen. 2017 stellten etwa 5.000 Menschen in Polen Antrag auf Asyl, 520 Fälle wurden anerkannt.

Tschechien hält illegal eingereiste Ausländer, die keinen Asylantrag stellen, bis zur Abschiebung oder Rückführung in eingezäunten Anlagen fest. Menschenrechtsaktivisten vergleichen die Einrichtungen mit Gefängnissen.

Bei Ausländern, die bereits in einem anderen EU-Staat als Asylbewerber registriert sind, setzt Tschechien das sogenannte Dublinverfahren ein. Im vorigen Jahr wurden auf diese Weise 94 Menschen in andere EU-Staaten überstellt, es wurden aber auch 420 Asylbewerber zurückgenommen.

Ungarn will mit einer strikten Abschottungspolitik Flüchtlinge und Migranten abschrecken – unter anderem mit einem bis zu vier Meter hohen Metall- und Stacheldrahtzaun an den Grenzen zu Serbien und Kroatien.

Flüchtlinge, die die Sperranlagen mit Hilfe von Schleppern überwinden, werden mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit aufgegriffen und rasch und ohne Möglichkeit einer Anhörung nach Serbien abgeschoben. Asylrechtsexperten halten diese Praxis für illegal. 2017 gewährte Ungarn 1.300 Flüchtlingen Asyl oder Schutzstatus. So gut wie alle reisten in den Westen Europas weiter.

Die Slowakei legt die geltenden Dublin-Regeln und EU-Vereinbarungen so restriktiv wie möglich aus. Da die Slowakei mit Ausnahme einer sehr kurzen Grenze zur Ukraine nur von EU-Ländern umgeben ist, kann sie praktisch alle ins Land kommenden Flüchtlinge als illegale Immigranten behandeln und wie Kriminelle internieren.

Griechenland: Wer hier einen Asylantrag stellt, muss lange warten, da es an Bearbeitern fehlt. 2017 erhielten gut 12.000 Menschen Asylstatus oder subsidiären Schutz. In den soge­nann­ten Hotspots auf den Ägäis-Inseln warten zurzeit knapp 17.000 Menschen auf Asylentscheidungen.

Bulgarien verhindert die illegale Einreise über die 259 Kilometer lange Grenze zur Türkei durch einen Stacheldrahtzaun. „Der Migrationsdruck bei uns ist gleich null“, sagte jüngst Regierungschef Boiko Borissow. Das Land gilt als Transitland, über Einreisebeschränkungen wird in Bulgarien nicht diskutiert.

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