Am 12. August 2000 ging das russische Atom-U-Boot "Kursk" in der Barentssee unter, 118 Marinesoldaten starben. Auch heute durchpflügen Atom-U-Boote permanent die Weltmeere, um das "Gleichgewicht des Schreckens" aufrecht zu erhalten. China holt bei der Rüstung unter Wasser auf. Und Deutschland verdient mit am U-Boot-Boom.

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In den Zeiten des Kalten Krieges war die sowjetische U-Boot-Flotte ihren Gegnern, den USA und der Nato, durchaus ebenbürtig. Doch nach dem Untergang der Sowjetunion wurde sie nach und nach zu einem "Schrotthaufen", wie der U-Boot-Experte Raimund Wallner es drastisch formuliert. Höhepunkt des Niedergangs war der Verlust der "Kursk".

Wladimir Putin – schon damals Russlands Präsident – hatte Hilfsangebote des Westens erst angenommen, als es zu spät war: Als norwegische Taucher eine Woche nach dem Unglück in das Wrack gelangten, fanden sie keine Überlebenden mehr. Die Ursache des Unglücks gilt als nicht endgültig geklärt.

Doch schon wenige Wochen danach kündigte Putin ein Aufrüstungsprogramm auch für die russische Marine an – funktionstüchtige Atom-U-Boote gelten in Ost und West nach wie vor als unverzichtbar für die Verteidigung. Es gehöre zur "kruden und perversen Logik der nuklearen Abschreckung", sagt Experte Raimund Wallner im Gespräch mit unserem Portal, die so genannte "Zweitschlagfähigkeit" zu sichern.

Jeder Angreifer soll wissen, dass auch sein Gebiet zerstört wird, sollte er den atomaren Erstschlag wagen. Strategische U-Boote sind die Plattformen für diese Fähigkeit – schwer zu orten und mit atomaren Mehrfachsprengköpfen auf ballistischen Interkontinentalraketen bewaffnet, ver­stec­ken sie sich auch heute noch in den Weltmeeren, um das "Gleichgewicht des Schreckens" aufrechtzuerhalten.

U-Boote sind für deutsche Firmen ein gutes Geschäft

Der Begriff "Atom-U-Boot" bedeutet zunächst nur, dass es sich um eine nuklear angetriebene Unterwasser-Plattform handelt. Eine weitere Differenzierung unterscheidet nach den mit ballistischen Raketen bewaffneten strategischen Atom-U-Booten (SSBN) und den konventionell mit Torpedos und Flugkörpern bewaffneten, aber ebenfalls nuklear angetriebenen Angriffs-U-Booten (SSN). Nicht nur die Grossmächte USA, China und Russland besitzen SSBNs: Auch Grossbritannien und Frankreich unterhalten je vier, von denen jeweils eines permanent im Atlantik patrouilliert – Tag für Tag, Jahr für Jahr, ohne Unterbrechung, zum Schutz gegen eventuelle Angreifer von SSNs begleitet.

Obwohl Deutschland nicht über atomar bewaffnete U-Boote verfügt, hat seine Industrie grosse internationale Bedeutung für die U-Boot-Rüstung: "Wir sind eine U-Boot-Nation", sagt Experte Wallner. Bei der Wiederbewaffnung Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg sei der U-Boot-Bau "selbstverständlich" wiederaufgenommen worden, "weil wir das konnten" – als maritimes Erbe des Zweiten Weltkriegs sozusagen.

Die Ostsee gilt als "extrem herausfordernd" für U-Boote – wegen geringer Wassertiefen und grosser Landnähe werden kleine, extrem leise U-Boote gebraucht. Weil es gelang, diese Probleme zu lösen, gilt Deutschland als "Weltmarktführer im nichtnuklearen U-Boot-Bau", wie Wallner in einem Fachartikel schreibt. Während die deutsche Marine selbst nur noch sechs U-Boote unterhält, hat die deutsche Rüstungsindustrie U-Boote beispielsweise nach Argentinien, Brasilien, Peru, Ecuador, Kolumbien und Venezuela sowie nach Israel und Südkorea geliefert, aber auch an Nato-Partner wie Griechenland, Norwegen, Italien, Portugal und die Türkei.

Stückpreis deutscher U-Boote: von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro

Bei einem Stückpreis von 500 Millionen bis zu einer Milliarde Euro lohnt sich das Geschäft. "Was schwimmt, läuft" hatte schon der langjährige deutsche Aussenminister Genscher mit Blick auf die Erfolge der deutschen U-Boot-Bauer festgestellt. Schon in den 1990er-Jahren, lange bevor sie für zivile Antriebe benutzt wurden, bauten deutsche Ingenieure Brennstoffzellen in U-Boote ein.

Solche Energiequellen gelten als "aussenluftunabhängig" und ersparen den U-Booten das Auftauchen, um Sauerstoff für ihre "Ladediesel" anzusaugen – so sind sie noch schwerer zu entdecken.

Allerdings kommen U-Boote beim Antrieb ausschliesslich mit Brennstoffzellen nur auf maximal 8 Knoten (knapp 15 Stundenkilometer), für schnellere Fahrten brauchen sie zusätzlich herkömmliche Batterien. Atom-U-Boote dagegen schaffen über 30 Knoten – in dieser Klasse wird sich das deutsche Modell nicht durchsetzen.

China rüstet auch unter Wasser auf

Sorgen machen sich U-Boot-Strategen über die enorme Aufrüstung Chinas. Das Land hat seine Kriegsmarine über und unter Wasser kräftig ausgebaut und wurde dabei nebenbei zum Konkurrenten auf dem Weltmarkt – Pakistan und Thailand beispielsweise haben bereits chinesische U-Boote gekauft. Zur chinesischen Flotte zählen momentan sechs strategische, atomar bewaffnete U-Boote (SSBN).

Gemessen am Entwicklungsstand des Westens, sagt Experte Wallner, seien diese auf dem Stand der 1980er-Jahre – sie sind sehr laut. Doch würden derzeit neue Boote gebaut, "die den russischen und amerikanischen durchaus ebenbürtig sein werden". China verfügt – wie andere Staaten auch – ausserdem über etwa zehn atomare Angriffs-U-Boote (SSN), deren Hauptaufgabe der Schutz der SSBNs ist, sowie 100 konventionell angetriebene U-Boote.

Solange kein Krieg droht, geht laut Wallner keine Gefahr von den Atom-U-Booten aus. "Aus Versehen" passiere unter Wasser nichts, auch die Unfallgefahr sei zu vernachlässigen. Nach den Berichten russischer und internationaler Experten bestand auch beim Untergang der "Kursk" vor 20 Jahren nicht die Gefahr eines Unfalls mit den Atomtorpedos, die das Boot an Bord hatte.

Mehr wird man möglicherweise in fünf Jahren erfahren – bis zum Jahr 2025 hat die russische Regierung alle Dokumente zu dem Unglück als geheim eingestuft und weggeschlossen.

Aus dem Bewusstsein der Bevölkerung ist der Untergang des U-Bootes trotzdem nicht verschwunden. In Murmansk, in dessen Nähe die russischen Nordflotte stationiert ist, wurde 2009 ein Mahnmal errichtet. Ein weiteres steht in Moskau und erinnert mitten in der Hauptstadt an die 118 ertrunkenen oder erstickten Marinesoldaten der "Kursk".

Der Experte: Raimund Wallner war zuletzt Kapitän zur See, im Verlauf seiner Dienstzeit U-Boot-Kommandant, Geschwaderkommandeur und Marineadjutant beim Generalinspekteur der Bundeswehr. Im Verteidigungsministerium war er zuletzt bis zu seinem Ruhestand für die U-Boot-Rüstung zuständig.
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