Auch knapp 50 Jahre nach dem Attentat auf John F. Kennedy am 22. November 1963 glaubt eine Mehrheit der US-Bürger, dass es bei dem Anschlag Hintermänner gab. Bewiesen werden konnten die Verschwörungstheorien allerdings nie.
Der Mord an US-Präsident John Fitzgerald Kennedy vor 50 Jahren schockierte die Welt. Am 22. November 1963 wurde der damals 46-Jährige in Dallas (Texas) während einer Wahlkampfreise erschossen. Die Hintergründe des Attentats sind bis heute umstritten. Einander widersprechende Ermittlungsergebnisse befeuerten Gerüchte und Verschwörungstheorien. Sie wurden noch bestärkt, als knapp fünf Jahre später John Fitzgeralds Bruder Robert als Präsidentschaftsbewerber der Demokratischen Partei ebenfalls einem Mordanschlag zum Opfer fiel.
"JFK" war der 35. Präsident der USA. In seine Amtszeit (ab 20. Januar 1961) fielen die Kuba-Krise, der Bau der Berliner Mauer und der Beginn des Vietnam-Krieges. Innenpolitisch war die Phase von der Bürgerrechtsbewegung der afro-amerikanischen Bevölkerung geprägt. Wegen seiner Jugend und seines Charismas verkörperte Kennedy für viele die Hoffnung auf eine Erneuerung der USA.
Dallas - Hochburg der Rechten
Der Besuch des Präsidenten in Dallas galt schon im Vorfeld als besonders heikel. Die Stadt war als Hochburg äusserst rechter und religiöser Konservativer bekannt. Ein "Ermittlungsausschuss frei und amerikanisch denkender Bürger" schaltete anlässlich der Präsidenten-Visite eine Anzeige, in der Kennedy beschuldigt wurde, er habe die "Monroe-Doktrin ('Amerika den Amerikanern', Anm. der Redaktion) zugunsten des "Geistes von Moskau verschrottet". Zudem kursierte ein Flugblatt in Form eines "Steckbriefs", auf dem Kennedy wegen "Hochverrats" gesucht wurde.
Trotz der Sicherheitsbedenken fuhr der Präsident in einem dunkelblauen 1961er Lincoln Continental X-100 mit offenem Verdeck durch Dallas. Ausser ihm sassen seine Frau Jacqueline, Gouverneur John Connally, dessen Ehefrau sowie zwei Sicherheitsleute im Wagen. Die vorab ausgewählte Route führte vom Flughafen durch die Innenstadt zum Dallas Trade Mart, wo Kennedy eine Rede halten wollte. Gegen 12.30 Uhr, die Limousine war noch rund einen Kilometer vom Veranstaltungsort entfernt, fielen mehrere Schüsse – ersten Zeugenaussagen zufolge wurden sie aus einem an der Strecke liegenden Schulbuchlager abgegeben. Eine Kugel durchschlug Connallys Brust, zwei trafen Kennedy am Hals und in den Kopf. Durch die Aufnahme eines Amateurfilmers ist die Szene dokumentiert. Eine halbe Stunde später wurde der Präsident für tot erklärt.
War es ein Einzeltäter?
Kurz darauf wurde Lee Harvey Oswald verhaftet, ein politisch dubioser Typ, der seit Kurzem in dem Schulbuchdepot jobbte. Der damals 24-Jährige hatte sich mal als militanter Marxist bezeichnet, dann wieder mit seiner Nähe zu rechten Exil-Kubanern kokettiert. Die Festnahme erfolgte zunächst, weil Oswald in der Nähe des Gebäudes einen Polizisten erschossen und sich in einem Kino verbarrikadiert hatte. Erst später fanden Beamte im fünften Stock des Bücherlagers ein Gewehr und drei Patronenhülsen. Auf der Waffe waren Oswalds Fingerabdrücke.
Oswald wurde zunächst im Polizeihauptquartier von Dallas vernommen, wobei er vehement eine Verwicklung in den Mord an Kennedy abstritt. Zwei Tage später sollte er ins örtliche Bezirksgefängnis gebracht werden. Doch noch in der Garage des Polizeigebäudes und umringt von Beamten, wurde er von dem Nachtclubbesitzer und mutmasslichen Mafia-Vertrauten Jack Ruby erschossen. Wie dieser in das Tiefgeschoss gelangte und überhaupt Kenntnis von der Überstellung Oswalds erhielt, blieb unaufgeklärt. Ruby wurde wegen Mordes zum Tode verurteilt, er starb aber vor der Vollstreckung des Urteils an Lungenkrebs.
Ein knappes Dutzend Kommissionen, Komitees und Gremien aus Polizei, Justiz und Parlament haben seitdem den Mord an "JFK" untersucht, tausende Zeugen befragt und zehntausende Seiten Akten angelegt. Während unter anderem das FBI und die nach dem Obersten Richter am Supreme Court benannte Warren-Kommission zu dem Ergebnis gelangten, dass Oswald der alleinige Täter war und es keine Verschwörung gab, vertraten etwa die Ermittlungsgruppe um Staatsanwalt Jim Garrison und ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses eine andere Auffassung.
Gab es einen zweiten Schützen?
So bestätigte der Ausschuss nach dreijähriger Arbeit zwar die Theorie, wonach Oswald drei Mal auf Kennedy geschossen und ihn getötet habe. Es sei aber hoch wahrscheinlich, dass noch ein zweiter, unidentifizierter Schütze vor Ort gewesen sei, der einen vierten Schuss von einem Grashügel aus abgegeben, aber nicht getroffen habe. Bei dem Attentat habe es sich also um eine "Verschwörung" gehandelt. Eine Verwicklung der US-amerikanischen Mafia oder regimefeindlichen Exilkubanern darin sei durchaus möglich.
Die Mafia und die Exilkubaner sind auch von etlichen nicht-amtlichen Kritikern der offiziellen Version als mögliche Drahtzieher des Mordes gehandelt worden. Die Mafia, weil sie auf den Verfolgungsdruck reagierte, unter den Justizminister Robert Kennedy viele ihrer führenden Köpfe gesetzt hatte. Die Exilkubaner, weil sie nach der Kuba-Krise von der uneindeutigen Politik des Präsidenten gegenüber dem sozialistischen Inselstaat enttäuscht waren.
Feinde hatte Kennedy genug
Aber auch andere mögliche Auftraggeber wurden und werden in tausenden Büchern, Aufsätzen und Vorträgen immer wieder genannt: Die von Kennedy wegen des "Schweinebucht"-Debakels scharf kritisierte CIA. Fidél Castro respektive der kubanische Geheimdienst, der sich für die vielen Attentatsversuche auf den "Máximo Lider" rächen wollte. Vizepräsident Lyndon B. Johnson, der Kennedy seine Popularität neidete und durch dessen Tod sein Nachfolger wurde. FBI-Chef J. Edgar Hoover, der zuvor vergeblich die Kennedy-Brüder erpresst haben soll, ihn auch nach Überschreiten des 70. Lebensjahres im Amt zu halten. Und schliesslich der sogenannte "militärisch-industrielle Komplex", der verhindern wollte, dass Kennedy die USA aus dem Vietnam-Krieg herausführte.
Obwohl keine dieser Verschwörungs-Theorien im Laufe der Jahrzehnte entscheidend erhärtet oder gar bewiesen werden konnte, haben sie das Bewusstsein der Bevölkerung doch nachhaltig geprägt. Bis heute glaubt eine Mehrheit der US-Amerikaner, dass Lee Harvey Oswald bei der Ermordung ihres Präsidenten John Fitzgerald Kennedy kein Einzeltäter war.
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