- Sie stand jahrelang unter Hausarrest, ist Friedensnobelpreisträgerin, aber auch mitverantwortlich für den Völkermord an den Rohingya: Myanmars De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi.
- Nach dem Militärputsch im früheren Birma am 1. Februar ist die 75-Jährige festgesetzt worden.
- Wer ist die Politikerin?
Über 15 Jahre lang wurde sie von der Militärregierung immer wieder zum Hausarrest gezwungen, weil sie durch ihre Demokratisierungsversuche die "staatliche Sicherheit" gefährde. Den Friedensnobelpreis konnte sie 1991 nicht persönlich in Oslo entgegennehmen, weil sie fürchtete, die Wiedereinreise in ihr Heimatland würde ihr verwehrt.
Die Rede ist von Aung San Suu Kyi – der wohl bekanntesten Politikerin von Myanmar. Gemeinsam mit weiteren hochrangingen Regierungsvertretern wurde die De-Facto-Regierungschefin beim Putsch des Militärs am 1. Februar festgesetzt.
Nach dem Erdrutschsieg ihrer Partei, der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), im vergangenen November hatte das Militär immer wieder von Wahlbetrug gesprochen, jedoch ohne Beweise zu liefern.
Kampf für Freiheit liegt in der Familie
Die Parlamentswahl war erst die zweite freie Wahl nach einer fast 50-jährigen Militärdiktatur. Nach dem jetzigen Putsch hat die Armee einen einjährigen Notstand ausgerufen. Suu Kyi, weltweit bekannt als Vertreterin eines gewaltlosen Widerstands, forderte ihre Anhänger zum Protest auf. Wer aber ist die 75-Jährige, die der NLD mit 83 Prozent der Stimmen zu einer absoluten Mehrheit verhalf?
Der Kampf für Freiheit und Menschenrechte jedenfalls liegt in der Familie: Als Suu Kyi 1945 geboren wurde, hiess das heutige Myanmar noch Britisch-Birma. Ihr Vater war Kommandeur der revolutionären Burma Independence Army, die für das Ende der britischen Herrschaft in Birma kämpfte. Nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit wurde er während einer Kabinettssitzung ermordet. Suu Kyi war damals zwei Jahre alt.
Studium in Oxford, Arbeit in New York
Ihre Mutter, Ma Khin Kyi, war die erste weibliche Botschafterin Birmas in Indien. Dort wuchs Suu Kyi auf, machte in Neu-Dehli ihren Highschool-Abschluss, ehe sie in Oxford Philosophie, Politik und Wirtschaft studierte. Es folgte eine Anstellung im UN-Sekretariat in New York und ein erneuter Aufenthalt in Oxford, weil Suu Kyis Ehemann, der britische Tibetologe Michael Aris, an der dortigen Universität arbeitete.
Doch als ihre Mutter erkrankte, zog es Suu Kyi zurück in ihr Heimatland. Dort erlebte sie Ende der 80er Jahre hautnah den Sturz des Militärdiktators Ne Win, sowie die anschliessenden blutigen Aufstände und Studentenunruhen. Ne Wins Nachfolger, Saw Maung, schlug die Demonstrationen der Demokratiebewegung gewaltsam nieder.
Hoffnungsträgerin des Volkes
Doch Suu Kyi liess sich davon nicht beeindrucken: Im selben Jahr, 1988, gründete sie die Nationale Liga für Demokratie (NLD) – seitdem führende Oppositionspartei gegen die Militärjunta von Myanmar. Suu Kyi, erst Generalsekretärin der NLD, heute Vorsitzende, ist seitdem Hoffnungsträgerin des Volkes.
Für die Militärs, die in der heutigen Politik immer noch eine grosse Rolle spielen und für die ein Viertel der Sitze in den Parlamentskammern sowie drei Ministerien reserviert sind, stellte Suu Kyi damit von Anfang an eine Gefahr dar. Nur ein Jahr nach Parteigründung der NLD wurde 1989 ihre Aufstellung zu Wahlen verboten.
15 Jahre Hausarrest
Kurz darauf wurde Suu Kyi zum ersten Mal unter Hausarrest gestellt – bis 2010 verbrachte sie insgesamt 15 Jahre im Hausarrest. Als Suu Kyi 1991 der Friedensnobelpreis für ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie und Menschenrechte zugesprochen wurde, konnte sie den Preis nicht persönlich in Oslo entgegennehmen. Zu gross war für sie die Gefahr, an der Wiedereinreise nach Myanmar gehindert zu werden.
Immer wieder versuchte die Militärregierung Suu Kyis Einfluss zu beschneiden – schloss sie beispielsweise 2010 durch ein neues Wahlgesetz von den Parlamentswahlen aus. Dem Gesetz zufolge dürfen Strafgefangene keine Mitglieder einer politischen Partei sein.
Präsidentenamt bleibt ihr verwehrt
2012 unternahm Suu Kyi dann aber den nächsten Anlauf: Sie kandidierte bei Nachwahlen für einen Parlamentssitz – erfolgreich. Auf der Erfolgswelle konnte die heute 75-Jährige weiterreiten: 2015 fuhr die NLD unter ihrer Führung die absolute Mehrheit ein.
Ihr enger Parteifreund Htin Kyaw wurde Staatspräsident – tatsächlich führte Suu Kyi aber als Staatsberaterin seitdem die Regierungsgeschäfte. Ihr selbst ist das Präsidentenamt verwehrt, weil die Verfassung Myanmars keine Kandidaten mit ausländischem Ehepartner oder Kindern erlaubt.
Ehrenbürgerschaft: Auszeichnung widerrufen
Ihr Einsatz für die Demokratie – er wurde vielfach gepriesen. In Musik und Film, in der Heimat und auf der internationalen Bühne. 2000 wurde ihr durch Bill Clinton die Freiheitsmedaille verliehen – die höchste zivile Auszeichnung der USA. Auch die kanadische Ehrenbürgerschaft erhielt Suu Kyi.
Doch die Kanadier widerriefen die Auszeichnung. Denn so gefeiert Suu Kyi auch für ihren Einsatz in Sachen Demokratie ist, so gross ist auch die Kritik, die sie international auf sich zieht. Grund dafür ist die Situation der Rohingya in Myanmar, einer muslimischen Ethnie im Westen des Landes.
Internationale Kritik
Suu Kyi hat den Völkermord an den Rohingya bislang nicht verurteilt, auch wird ihr immer wieder vorgeworfen, Fragen ausweichend zu beantworten oder tatenlos zu sein. Hinter dem Schweigen vermuten Experten die Taktik, ihre buddhistischen Anhänger nicht zu verprellen. Andere Beobachter beschreiben ihren Regierungsstil jedoch zunehmend autokratisch.
Aktuell appelliert Suu Kyi an ihre Anhänger vor allem mit einem Wort: Protest. "Die Massnahmen des Militärs sind Massnahmen, um das Land zurück in die Diktatur zu führen", heisst es in einer Stellungnahme von Suu Kyi, wie die "tagesschau" berichtet. "Ich bitte die Menschen dringend, dies nicht zu akzeptieren und mit ganzem Herzen gegen den Putsch der Militärs zu protestieren."
Verwendete Quellen:
- Bundeszentrale für politische Bildung: Aung San Suu Kyi
- Tagesschau.de: Militär nimmt Aung San Suu Kyi fest
- Planet Wissen: Grosse Menschenrechtler
- NLD.org: State counsellor news
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