Anfang 2019 sollen Hacker eines der beiden in der Schweiz für die elektronische Stimmabgabe benutzten Systeme auf Herz und Nieren prüfen. Der Bund stellt dafür ein ansehnliches Preisgeld in Aussicht. Die Auslandschweizer-Organisation, deren Mitglieder auf flächendeckendes E-Voting hoffen, begrüsst den Test.

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Während vier Wochen soll im ersten Quartal 2019 ein von Bund und Kantonen geplanter staatlicher Hackertest für E-Voting durchgeführt werden. Das berichtete die "NZZ am Sonntag". Dabei stünden der Bundeskanzlei für die Durchführung und Entschädigungen eine Viertelmillion Franken zur Verfügung, hiess es unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen. Die Bundeskanzlei machte zum Geldbetrag keine Angaben.

"Es ist ein gutes Zeichen, dass die Bundeskanzlei als Projektleiterin in dieser Sache auf die Ängste reagiert und diese ernst nimmt. Denn seit etwa eineinhalb Jahren sind immer mehr kritische Stimmen zu hören, auch im Parlament", sagt Ariane Rustichelli, Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO).

Die Organisation hat ein besonderes Interesse am elektronischen Stimm- und Wahlkanal. "Wenn man so zeigen könnte, dass das E-Voting sicher ist, könnte das Vertrauen in das System erhöht werden."

Beim Test sollen IT-Spezialisten aus der ganzen Welt eines der beiden in der Schweiz zugelassenen Systeme für die elektronische Stimmabgabe angreifen, manipulieren oder hacken. "Es sollen möglichst viele Hacker aus der ganzen Welt teilnehmen", wird René Lenzin, Sprecher der Bundeskanzlei, in der NZZ am Sonntag zitiert. "Deshalb muss der Test attraktiv sein."

Mit dem öffentlichen Hacker-Wettbewerb will die Schweiz die E-Voting-Systeme sicherer machen. Der Test werde auf dem E-Voting-System der Schweizerischen Post durchgeführt, sagte Lenzin weiter.

Hacker knackten das System mühelos

Kürzlich wurde in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens SRF demonstriert, wie einfach es ist, ein solches E-Voting-System zu knacken. Hacker konnten bei einem Test das System des Kantons Genf problemlos manipulieren. Dabei wurde ein potenzieller Stimmbürger einfach auf eine präparierte Webseite umgeleitet. Der Kanton Genf antwortete, man würde bemerken, "wenn zu viele Wähler auf eine bösartige Website umgeleitet würden".

E-Voting ist unterdessen in zehn der 26 Schweizer Kantone versuchsweise zugelassen: Auf das Genfer System setzen sieben Kantone (Aargau, Basel-Stadt, Bern, Genf, Luzern, St. Gallen und Waadt), auf jenes der Schweizerischen Post drei (Freiburg, Neuenburg und Thurgau). Letzte Woche hat zudem das Tessiner Kantonsparlament der versuchsweisen Einführung der elektronischen Stimmabgabe zugestimmt.

Laut der "NZZ am Sonntag" wollen Bund und Kantone den versuchsweisen Betrieb bald in einen ordentlichen überführen. Eine entsprechende Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte solle im ersten Quartal des nächsten Jahres in ein Konsultationsverfahren gehen.

Auslandschweizer fordern Stimmrecht ein

Die Mitbestimmung bei Wahlen und Abstimmungen in der Schweiz ist auch für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ein verfassungsmässig garantiertes Recht. Besonders diese Bevölkerungsgruppe drängt seit längerer Zeit auf die Möglichkeit des E-Votings. In zahlreichen Ländern ist das Postsystem derart ineffizient, dass das Stimm- und Wahlmaterial oft sehr spät, in gewissen Fällen sogar erst nach dem Urnengang in der Schweiz bei den Stimmberechtigten eintrifft.

Die Auslandschweizer-Organisation sammelt gegenwärtig Unterschriften für eine Petition, die E-Voting für alle Auslandschweizer fordert. Der Auslandschweizerrat, das "Parlament" der 5. Schweiz, möchte, dass bis zu den nächsten eidgenössischen Parlamentswahlen 2019 alle Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland leben, ihre Stimme elektronisch abgeben können.

Sicherheitsbedenken

Zwar sei das Anliegen der Auslandschweizer legitim, schrieb Jean Christophe Schwaab, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP), in einem Standpunkt für swissinfo.ch. Aus Sicherheitsgründen sei jedoch nichts zu überstürzen. Die Glaubwürdigkeit in Urnengänge müsse "unbedingt garantiert sein, bevor ein neuer Kanal zur Stimmabgabe eröffnet wird. Und bisher ist das für das Abstimmen und Wählen via Internet noch nicht der Fall", schrieb er.

Und im letzten März sagte Franz Grüter, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), Initiant einer geplanten Volksinitiative gegen E-Voting und Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe "Auslandschweizer", vor dem Auslandschweizerrat: "Die NSA sagt, unter den Angriffszielen der Zukunft seien E-Voting-Systeme. Das System der Post stammt von einer spanischen Firma in US-Besitz. Das müsste zu denken geben."  © swissinfo.ch

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