Fast der Hälfte der Auslandschweizer liegen die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU am meisten am Herzen. In der Schweiz haben die Beziehungen mit Brüssel nur für jeden vierten Wähler Priorität.
Die Ergebnisse des Forschungsinstituts Sotomo zeigen grosse Unterschiede in den politischen Präferenzen zwischen den befragten Auslandschweizern und Inländern. Sie bestätigen aber frühere Untersuchungen zu diesem Thema.
Die Ergebnisse der in der vergangenen Woche veröffentlichten Online-Umfrage waren die ersten vor den Parlamentswahlen im nächsten Jahr.
Eine Auflistung der sechs wichtigsten Anliegen von Schweizerinnen und Schweizern, die im Ausland leben, kehrt die Reihenfolge des Gesamtbarometers fast um.
Während 47 Prozenzt der Auslandschweizer in der Umfrage die Beziehungen der Schweiz zur EU als vorrangig betrachten, teilen nur 28 Prozent der Gesamtbefragten diese Ansicht. Der Anteil ist im französischsprachigen Teil des Landes etwas höher (30 Prozent). In der deutsch- und italienischsprachigen Schweiz liegt er unter dem Durchschnitt.
42 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen die steigenden Krankenkassenprämien am meisten Bauchschmerzen bereiteten. Diese Sorge steht auch in den verschiedenen Sprachregionen an oberster Stelle. Unter den befragten Auslandschweizern war dies nur für 26 Prozent das Hauptanliegen.
Direkte Auswirkungen
Für diese unterschiedliche Priorisierung gebe es gute Gründe, erklärt Michael Hermann von Sotomo. Weil die meisten Auslandschweizer in einem EU-Mitgliedstaat lebten, habe die Beziehung zwischen Bern und Brüssel direkte Auswirkungen auf ihr Leben.
Mit Blick auf die geringere Priorität der Krankenversicherung weist Hermann darauf hin, dass viele Auslandschweizer vermutlich nicht durch eine Schweizer Versicherung abgedeckt seien.
Die Fünfte Schweiz im Fokus
Anders ist das mit Blick auf die Altersvorsorge. Denn die Schweizer Auswanderergemeinschaft besteht aus einer beachtlichen Anzahl von Rentnern und Rentnerinnen, die in südeuropäischen Ländern oder in Asien leben und noch immer enge Verbindungen zu ihrem Herkunftsland haben.
Von den 752'000 Auslandschweizern und Auslandschweizerinnen lebten letztes Jahr 62 Prozent in einem europäischen Land. Rund 21 Prozent waren über 65 Jahre alt. Etwas mehr als 172'000 Auslandschweizer (23 Prozent) haben sich für die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen registriert.
Globales Thema
Der Klimawandel und die Problematik der CO2-Emissionen sind für die Auslandschweizer mit 35 Prozent derzeit die zweitwichtigste Sorge. Unter den in der Schweiz ansässigen Befragten sind es 30 Prozent – im französischsprachigen Teil sogar 38 Prozent – für die dieses Thema oben auf der Liste stehen. "Es ist ein Thema, das keine Grenzen kennt", sagt Hermann.
Und es gibt einen Hinweis auf das typische politische Profil der Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen: Die linken Parteien – Grüne und Sozialdemokraten – schneiden bei den Auswanderern mit 13 Prozent bzw. 24 Prozent besser ab als bei den Inlandschweizern. Die grösste Partei der Schweiz, die Schweizerische Volkspartei, belegt mit 21 Prozent den zweiten Platz im Ausland (27 Prozent bei den Bürgern und Bürgerinnen in der Schweiz).
Für die anderen politischen Parteien liegt der Unterschied zwischen den im Ausland und den im Inland lebenden Schweizern innerhalb der Fehlerquote von +/-1,5 Prozent. Der typische Auslandschweizer sei aufgeschlossener und habe nicht das gleiche konservative politische Profil wie ein Inlandschweizer, sagt Hermann.
Bis zu einem gewissen Grad scheint der Befund die Zusammensetzung der politisch interessierten Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen zu widerspiegeln: Eine jüngere und mobile Generation, die das Land womöglich vorübergehend verlassen hat.
Die neueste Ausgabe des Wahlbarometers basiert laut Somoto auf etwas mehr als 12'000 Online-Antworten, darunter 546 von Auslandschweizern.
Erkenntnisse kaum überraschend
Laut Hermann stimmen die neuesten Erkenntnisse zu den Auslandschweizern in der Studie, die im Auftrag der SRG SSR erhoben wurde, zu der auch swissinfo.ch gehört, mit den bisherigen Untersuchungen überein und sind kaum überraschend.
Ein Vergleich der Daten über mehr als 60 nationale Abstimmungen zwischen 2011 und 2017 zeigte, dass die im Ausland lebenden Schweizer in der Regel linksgerichteter, liberaler und fortschrittlicher wählten als die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen in der Schweiz, die an den gleichen Abstimmungen teilnahmen.
Die Umfrage basierte auf Schätzungen. Denn nur in 12 der 26 Kantone wurden die Stimmen der Auslandschweizer separat erfasst, wie der Politikwissenschaftler und Studienautor Thomas Milic vom Zentrum für Demokratie in Aarau sagt.
(Übertragung aus dem Englischen: Kathrin Ammann)
© swissinfo.ch
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