US-Präsident Donald Trump hat den Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran und harte wirtschaftliche Sanktionen angekündigt. Politikwissenschaftler Martin Thunert befürchtet weitreichende Folgen - und schwierige Fragen für die Europäer.

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Herr Thunert, wie sehr hat Donald Trumps Entscheidung, den Atomdeal mit dem Iran aufzukündigen, es erschwert, im krisengeschüttelten Nahen Osten Lösungen zu finden?

Martin Thunert: Deutlich. Die Kritik an Trump ist berechtigt, er habe keinen Plan B in der Schublade, was er – abseits des möglichen Regimewechselszenarios - machen will.

Für die Amerikaner scheint es jetzt als Aussenstehende nicht leichter zu sein, den Iran zu einem umfassenderen Deal zu bewegen.

Welche Auswirkungen hat Trumps Entscheidung auf die Glaubwürdigkeit der USA in Verhandlungen, explizit mit Blick auf die Gespräche mit Nordkorea?

Das kann man von zwei Standpunkten aus betrachten. Kritiker sagen, dass Kim Jong Un nun sieht: Der frühere amerikanische Präsident unterschreibt etwas und der nächste hält sich nicht dran. Er könnte sich fragen, ob er mit den Amerikanern überhaupt ein Geschäft eingehen kann.

Man könnte die beiden Entwicklungen auch voneinander abgekoppelt sehen. Es war sicherlich kein Zufall, dass Trump auf der Pressekonferenz gesagt hat, sein Aussenminister Mike Pompeo fliege direkt nach Nordkorea, um das Präsidentenmeeting vorzubereiten.

Seinen Anhängern hat Trump damit signalisiert: "Passt auf, in Sachen Nordkorea geht es voran, und im Iran geht es nicht voran, weil ich da erst etwas von Obama rückgängig machen musste!" Auch in Bezug auf Nordkorea hat Trump erst sehr hart agiert und gedroht und jetzt einen kleinen Durchbruch erzielt.

Trumps Kritiker sagen hingegen: Er ist besessen davon, alles, was Obama international gemacht hat, rückgängig zu machen und sieht Aussenpolitik unter primär innenpolitischen Vorzeichen.

Der deutsche Aussenpolitiker Omid Nouripour (Grüne) sprach bereits im Vorfeld von einem "grösseren Fehler als Bushs Entscheidung für den Irak-Krieg 2003". Teilen Sie diese Einschätzung?

Nein, denn beim Irak-Krieg wissen wir schon, was im Nachhinein aus der Entscheidung wurde. Das ist aktuell nicht der Fall.

Wenn eine Negativ-Spirale einsetzt, könnte die Aussage zutreffen. Für ein Urteil ist es aber meines Erachtens zu früh.

Droht im Nahen Osten nun ein neues Wettrüsten und Krieg?

Ja, aber ich bin nicht sicher, ob das nicht auch mit dem Deal passiert wäre. Für die USA und Israel stand nicht im Vordergrund, dass der Iran sich an den Wortlaut des Abkommens hält.

Es ging immer um die anderen Aktivitäten: Der Iran hat nach Unterzeichnung des Abkommens 2015 viel Geld von den USA bekommen. Er hat damit aber nicht primär die Wirtschaft entwickelt, sondern in eine zunächst nicht-atomare, aber später atomar nutzbare Rüstung, investiert.

Die Raketen, die in Syrien stationiert sind, bedrohen Israel: Ein Teil von ihnen könnte nach Auslaufen des Atomabkommens 2025 auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden.

Man vermutete bereits in der Vergangenheit, dass die Israelis Raktenstellungen bombardiert haben, die die Iraner in Syrien errichtet haben. Es ist gut vorstellbar, dass sich diese Dynamik nun fortsetzt und Syrien als Konfrontationsschauplatz noch bedeutender wird.

Einen direkten Krieg zwischen Israel und dem Iran sehe ich in unmittelbarer Zukunft nicht, aber man weiss es nicht mit Sicherheit.

Die Zukunft des iranischen Präsidenten Hassan Rohani ist eng mit dem Deal verknüpft. Wie gefährdet ist sein Amt nun?

Das ist schwer abzuschätzen. Im Iran gab es immer auch Stimmen, zum Beispiel die Revolutionsgarden, die den Deal von vornherein nicht wollten und sagten, man könne den Amerikanern nicht trauen.

Sie fühlen sich nun bestätigt und könnten Oberwasser bekommen. Sie werden sagen: "Ihr Gemässigten habt diesen Deal machen wollen, und jetzt seht ihr, was ihr davon habt, den Amerikanern zu vertrauen."

Gestärkt hat das Rohanis Position also sicherlich nicht. Er könnte einen richtigen Schiffbruch erleiden - es sei denn, es gelingt ihm, das Abkommen mit den Europäern zu erhalten und die Europäer zu weiterem Handel zu überreden.

Das setzt natürlich voraus, dass die Iraner jetzt nicht von sich aus aus dem Deal aussteigen.

Wird der Iran zu gezielten Massnahmen gegen die USA greifen und es Washington schwerer machen, seine Interessen in der Region wahrzunehmen?

Dadurch, dass der Iran in Syrien eingreift und das Assad-Regime unterstützt, tut er das bereits in gewisser Hinsicht. Ob die Iraner - wie bereits von den USA vermutet - jetzt verstärkt Terrorgruppen unterstützen werden, die die USA angreifen, ist vorstellbar.

Das ist von den inner-iranischen Kräfteverhältnissen und davon abhängig, wer jetzt die Oberhand gewinnt. Wenn sich die Stimmen durchsetzen, die an dem Abkommen zusammen mit den Europäern festhalten wollen, wären solche Formen des Vorgehens gehen die USA und Israel kontraproduktiv.

Dann wäre es nämlich auch den Europäern irgendwann unmöglich, das Abkommen zu respektieren.

Trump sprach vom "höchsten Niveau wirtschaftlicher Sanktionen". Welches Signal sendet diese harte Linie allgemein an die Welt?

Das Signal an die Welt lautet: Die USA glauben, sie könnten entweder das Regime durch die steigende Unzufriedenheit in der Bevölkerung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage zum Fall bringen oder den Iran in geschwächter Position an den Verhandlungstisch zwingen, um über grössere Dinge als nur die Urananreicherung zu verhandeln.

Wenn man die Hardliner im Iran kennt, ist letzteres eine sehr vage Hoffnung. Allgemein werden hier zwei unterschiedliche Ansätze in der internationalen Politik sichtbar: Die Europäer versuchen es fast ausschliesslich mit Diplomatie, die andere Position setzt hinter vorgehaltener Hand auf Regimewechsel und baut im Hintergrund eine militärische Drohkulisse auf.

Politikwissenschaftler Dr. Martin Thunert ist seit 2007 Forschungsdozent am Heidelberg Center for American Studies (HCA) der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Davor lehrte er mehrere Jahre an der University of Michigan, Ann Arbor, USA.
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